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Das Bergquellwasser der Bauern, so lautet die Übersetzung von Nongfu Spring. Der Marktführer unter Chinas Wasserabfüllern ist gerade an die Börse gegangen.

© imago images/VCG

Die Erfolgsgeschichte von Zhong Shanshan: Vom Pillendealer zum drittreichsten Chinesen

Sein Mittel gegen Erektionsstörungen wird verboten, doch nun steigt Zhong Shanshan zum drittreichsten Chinesen auf. Als Produzent von Flaschenwasser.

Die Aktien von Chinas größtem Mineralwasserunternehmen Nongfu Spring waren beim Börsengang Anfang September so begehrt, dass sie 1148-fach überzeichnet waren. In der Geschichte der Hongkonger Börse war dies einer der gefragtesten Börsenstarts. Der Aktienkurs lag in den ersten drei Handelstagen rund 60 Prozent über den Ausgabepreis und verhalf Nongfu zu einer Marktkapitalisierung von 53 Milliarden Dollar.

Zhong Shanshan, der als Gründer von Nongfu 84 Prozent Anteile an Nongfu besitzt, stieg über Nacht zu einem der drei reichsten Männer Chinas auf. Und er liegt nur knapp hinter zwei Techmilliardären: Alibaba-Gründer Jack Ma und dem Tencent-CEO Pony Ma.

Zhong hat seinen Reichtum dagegen „als Träger der Natur“ verdient, glaubt man dem leicht pathetisch-esoterischen Slogan seines Unternehmens. In aufwendig produzierten Filmen von Landschaften mit sauberem Wasser und guter Luft wirbt Zhong für die zehn Quellen, aus denen das Wasser von Nongfu kommt. Nongfu Shanquan heißt wörtlich übersetzt das Bergquellwasser der Bauern. Das soll bodenständig klingen Nongfu ist tatsächlich das günstigste abgefüllte Wasser, das in China verkauft wird. Die Halbliterflasche kostet drei Yuan (0,37 Cent), während die gleiche Menge an Wasser bei Anbietern wie C’est bon, der zweitgrößten Mineralwassermarke des Landes und im Besitz des staatlichen Konglomerats China Resources, fast doppelt so viel kostet.

Auch wenn die Plastikflaschen der Konkurrenz ein wenig aufwendiger designt sind, ist Nongfu der einzige Anbieter, der einen zweistelligen Anteil am Mineralwassermarkt hält. Das Marktforschungsunternehmen Euromonitor beziffert den Anteil von Nongfu im Land auf zwölf Prozent. Damit liegt es deutlich vor den westlichen Wassermarken von Danone oder Coca-Cola, die jeweils nur drei Prozent Marktanteil in China haben. Nach eigenen Angaben hat Nongfu zwischen 2012 und 2019 in ganz China als Branchenführer einen Marktanteil von 21 Prozent für abgefülltes Wasser erreicht. Der Umsatz stieg im vergangenen Jahr auf 24 Milliarden Yuan (3,5 Milliarden US-Dollar), was einem Zuwachs von 37 Prozent gegenüber 2017 entspricht.

Der Erfolg stellte sich erst spät ein

Mit Gesundheit Geld zu machen, war nicht die ursprüngliche Geschäftsidee des Gründers Zhong. Bevor er 1996 Nongfu Spring gründete, versuchte er sich als Pillenverkäufer gegen Erektionsstörungen. Letztlich zweifelten die Behörden die Wirkung seiner Arznei an und entzogen ihm die Lizenz. Auch als Journalist und Gründer einer Pilzfarm wollte sich kein nachhaltiger Erfolg einstellen.

Als Produzent von Flaschenwasser steigt Zhong Shanshan zum drittreichsten Chinesen auf.

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Eins hatte Zhong in seinem Job als Pillenvertreter gelernt: Es kommt darauf an, die Nachfrage der Kunden möglichst schnell bedienen zu können. Aus diesem Grund hat er bei Nongfu über die Jahre ein starkes Vertriebsnetz von mehr als 4000 Händlern und 10 000 Verkäufern aufgebaut und dabei auch an Einfluss auf die Margen der Lieferanten gewonnen. Trotz des günstigeren Preises ist die Gewinnspanne der Händler beim Verkauf von Nongfu-Wasser höher als die anderer Konkurrenzmarken.

Mit rund 61 Prozent liegt die Gewinnspanne für Nongfu weit über den anderen Flaschenwassermarken in China. C’est bon kommt als zweitgrößte Marke auf 41 Prozent. Sobald die Produktionswerke aufgebaut sind, kommen nämlich kaum zusätzliche Kosten zustande und auch das Plastik der Flaschen ist günstig.

Bei der Vermarktung hat Nongfu lange auf Masse gesetzt und so seinen Vorsprung ausgebaut. Hatten, laut Berechnung des Marktforschungsinstituts Mintel, 2014 die Verbraucher in der Volksrepublik pro Kopf noch 41 Liter abgepacktes Wasser im Jahr verbraucht, waren es im vergangenen Jahr schon 59 Liter. Und das Wachstumspotenzial scheint noch lange nicht ausgeschöpft. In den USA wurden pro Person im vergangenen Jahr 141 Liter Flaschenwasser konsumiert.

Viele nutzen das Wasser zum Zähneputzen

Das Forschungsunternehmen Frost & Sullivan schätzt, dass der Markt für abgefülltes Wasser in China bis 2024 durchschnittlich um mehr als zehn Prozent jährlich wächst. Als größtes Unternehmen in dem Segment würde Nongfu davon entsprechend profitieren. Viele Chinesen nutzen das Wasser von Nongfu nicht nur zum Trinken, sondern putzen sich damit auch die Zähne oder kochen Babyfläschchen damit ab. Chinas Leitungswasser hat in den meisten Teilen des Landes keine Trinkwasserqualität. Noch vor einigen Jahren flossen bis zu 80 Prozent der Abwässer direkt ins Grundwasser.

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Auch die Flüsse, in Städten wie Peking und Schanghai, waren so verschmutzt, dass Greenpeace noch 2017 warnte, dass 85 Prozent der Flüsse um Schanghai so verdreckt seien, dass die Menschen jeden Kontakt meiden sollten. Doch wegen der vom Staatsapparat vorangetriebenen Urbanisierung und einer rapide wachsenden Mittelschicht kommen die Provinzregierungen oft nicht hinterher, die Trinkwasserqualität zu verbessern. Gleichzeitig aber steigt die Nachfrage nach sauberem Wasser und einer gesünderen Lebensführung.

Gesundheit ist ein kulturelles Kernthema in China, und so muss auch das Wasser „gesünder“ machen. Nongfu wirbt für ein lithiumhaltiges Wasser, das gut für das Nervensystem sein soll. 2019 machten Säfte mit hohem Fruchtanteil, zuckerfreie Tees und andere, sogenannte Vitamingetränke etwa 40 Prozent der Umsätze bei Nongfu aus.

Das Thema Gesundheit hatte Zhong in diesem Jahr schon einmal unverhofft sehr viel Geld beschert. Im April ging das Biotechunternehmen Beijing Wantai Biological, das nun auch Corona-Tests herstellt, an die Schanghaier Börse. Zhong ist seit zwei Jahrzehnten Mehrheitsbeteiligter, so stieg sein Vermögen schon damals von sieben auf 20 Milliarden Dollar.

Einigen seiner Wegbegleiter verhalf er beim jetzigen Börsengang von Nongfu auch zu neuem Reichtum. So verteilte er im Zuge einer Leistungsprämie immerhin 0,79 Prozent seiner Anteile auf 33 Angestellte, die sich nun auch zum Kreis der neuen China-Millionäre zählen dürfen.

Ning Wang

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