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Endlich wieder raus: Viele Menschen möchten wieder reisen.

© dpa-tmn

Tui hofft auf Impfungen und Tests: "Viele sitzen auf gepackten Koffern"

Sicheres Reisen ist möglich, sagt Konzernchef Fritz Joussen. Die neuen Geschäftszahlen sind schlecht, aber die Liquidität ist gesichert.

Fritz Joussen zeigt sich optimistisch. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass in diesem Sommer Urlaub möglich sein wird", sagte der Tui-Chef am Dienstag, als er die neuen Zahlen des Reisekonzerns präsentierte. Der Wunsch der Menschen zu reisen, ist groß, meint Joussen. "Viele sitzen auf gepackten Koffern". In der Vergangenheit habe man erlebt, dass manche Destinationen innerhalb von 24 Stunden ausverkauft waren, sobald Reisen dorthin wieder möglich waren. Für den Sommer plant der weltgrößte Reisekonzern mit 80 Prozent der Kapazitäten aus Vor-Corona-Zeiten. 2,8 Millionen Buchungen hat die Tui bereits für die Sommersaison, rund die Hälfte kommt aus Großbritannien. Die Preise liegen rund 20 Prozent über dem Vor-Corona-Reisejahr 2019.

Das Prinzip Hoffnung: Der Vorstandsvorsitzende der Tui Group, Friedrich Joussen, hofft auf den Sommer.
Das Prinzip Hoffnung: Der Vorstandsvorsitzende der Tui Group, Friedrich Joussen, hofft auf den Sommer.

© imago images/localpic

Offene Grenzen, Menschen am Pool - die Realität sieht derzeit anders aus. Wie kaum eine andere leidet die Reisebranche unter der Coronakrise. Das betrifft auch den größten Anbieter, die Tui. Der Dax-Konzern brauchte staatliche Hilfen und eine Kapitalerhöhung, um die Krise zu verkraften. Rund 4,3 Milliarden Euro erhielt der Reiseriese vom Staat. Der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) hält die Option, seine stille Einlage über 420 Millionen Euro in Tui-Aktien umzutauschen und damit direkt bei dem Konzern einzusteigen. Ob er das tun wird, wollte Joussen am Dienstag nicht kommentieren. Das sei Sache des Staats, sagte er.

Tiefrote Zahlen im Winter

Im vergangenen Geschäftsjahr, das Ende September endete, musste die Tui einen Verlust von 3,1 Milliarden Euro hinnehmen, auch das neue Geschäftsjahr startete mit tiefroten Zahlen. Der Umsatz sank von 3,85 Milliarden Euro im vergleichbaren Vorjahresquartal auf 468,1 Millionen Euro (minus 88 Prozent), der Konzern verbuchte einen Verlust von fast 700 Millionen Euro. Dass der Winter keinen Gewinn abwirft, ist im Reisegeschäft normal. Von Oktober bis Dezember 2020 lag der Verlust jedoch nur bei übersichtlichen 147 Millionen Euro.

Liquidität ist gesichert

Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden müssen jedoch nicht befürchten, dass die Tui in die Knie geht. Dank der Staatshilfe und der Kapitalerhöhung verfügt der Konzern über 2,1 Milliarden Euro an liquiden Mitteln. Das reiche auf jeden Fall bis Anfang Juli, versichert Joussen. Und dann laufe das Geschäft ja auch wieder, glaubt der Chef. "Juli bis September ist unsere stärkste Zeit."

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Doch das setzt voraus, dass die Menschen wieder reisen dürfen. Joussen glaubt fest daran, dass das wieder möglich wird. Von Pauschalreisen gehe ohnedies kein großes Risiko aus, seit dem Neustart im vergangenen Sommer seien von 100.000 Tui-Gästen nur 0,54 infiziert gewesen. Der Konzernchef hofft nun vor allem auf die Impfungen und Coronatests.

Tests für Reiserückkehrer: Wer aus einem Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet zurückkehrt, muss einen negativen Coronatest vorlegen und in Quarantäne.
Tests für Reiserückkehrer: Wer aus einem Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet zurückkehrt, muss einen negativen Coronatest vorlegen und in Quarantäne.

© imago images/ZUMA Wire

Je mehr Menschen geimpft sind, desto geringer sei die Gefahr, dass die Gesundheitssysteme überlastet sind. Damit entfalle aber das Argument für Reisebeschränkungen und Grenzschließungen. "Wir müssen lernen, mit dem Coronavirus für lange Zeit zu leben", appelliert Joussen an die Regierungen für eine Rückkehr zur Normalität, "das Virus verschwindet nicht".

Auch wenn möglicherweise Staaten künftig Impfnachweise verlangen für die Einreise, so plant die Tui solche Schritte für ihre Kunden nicht. Allerdings müssen Reisende, die eine Kreuzfahrt mit Tui Cruises machen wollen, einen negativen Coronatest vorlegen. Das soll auch so bleiben.

Unzufrieden mit der deutschen Regierung

Dass Joussen mit der deutschen Regierung unzufrieden ist, daraus macht er keinen Hehl. Er verweist auf die Impffortschritte in Großbritannien und Israel. "Einige können es, und einige können es nicht", sagt der Manager. Dass die Buchungen aus Großbritannien anziehen, führt er auch auf die raschen Impfschritte zurück. Hinzu kommt, dass die Briten traditionell früher buchen als die Deutschen, die in diesem Jahr ganz besonders kurzfristig handeln.

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Viele lösen Gutscheine ein

Allerdings gibt es Zweifel, ob die neuen Buchungen wirklich viel Geld in die Kassen der Tui spülen. Denn viele Kunden lösen jetzt Gutscheine ein, die sie für ausgefallene Reisen im vergangenen Jahr bekommen haben. Derzeit sind noch zahlreiche Gutscheine im Umlauf, räumt Joussen ein. Und: Die Mutationen des Virus und die eingeschränkte Wirksamkeit der Impfstoffe gegen bestimmte Virusvarianten könnten die Hoffnungen auf Urlaub auch 2021 enttäuschen.

5000 Stellen sind gestrichen

Die Tui versucht, mit Kostensenkungen die Krise abzufedern. Zuletzt sind nur noch 300 Millionen Euro Liquidität pro Monat abgeflossen statt bis zu 450 Millionen Euro. Maßgeblich für die sinkenden Ausgaben ist ein Personalabbau. 8000 Vollzeitstellen sollen im Konzern gestrichen werden, davon sind schon 5000 abgebaut. Viele Saisonkräfte wurden gar nicht erst angeheuert, so dass die Mitarbeiterzahl im Konzern Ende 2020 mit 37.000 gut ein Drittel unter dem Vorjahreswert lag.

Die Anteilseigner des Konzerns halten jedoch weiterhin zur Tui. Großaktionäre sind der russische Milliardär Alexej Mordaschow, die spanische Hoteliersfamilie Riu und der ägyptische Milliardär Hamed El Chiaty. Nach der Kapitalerhöhung im Januar hält Mordaschow nun 30 Prozent.

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