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Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an Paul Milgrom (links) und Robert Wilson

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Update

Verdienste um Auktionstheorie und Auktionsformate: Nobelpreis für Wirtschaft geht an US-Ökonomen Milgrom und Wilson

Von Ebay bis zur 5G-Versteigerung: Paul Milgrom und Robert Wilson erforschen, wie Auktionen funktionieren - und erhalten dafür den Wirtschaftsnobelpreis.

Von Carla Neuhaus

Das letzte, was Robert Wilson privat ersteigert hat, war ein Paar Skischuhe auf Ebay. Eine klassische Auktion. Der Verkäufer setzt einen Startpreis, der Meistbietende bekommt den Zuschlag. Ohne die Arbeit von Wilson und seinem Kollegen Paul Milgrom wären solche Auktionen nicht möglich – zumindest nicht so effizient, wie sie heute ablaufen. Am Montag haben die zwei US-Ökonomen für ihre Forschung zur Theorie von Auktionen den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Beide lehren an der US-Eliteuniversität Stanford.

„Auktionen gibt es überall und sie beeinflussen unser tägliches Leben“, begründet die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften ihre Entscheidung. „Jeden Tag werden mit ihnen astronomische Werte zwischen Käufern und Verkäufern bewegt." Entsprechend wichtig sei die Arbeit von Wilson und Milgrom.

Tatsächlich spielen Auktionen in vielen Bereichen eine Rolle – häufig ohne, dass Konsumenten davon viel mitbekommen. So wird zum Beispiel Strom versteigert, bevor er beim Endverbraucher landet. Airlines bieten für Slots am Flughafen, erkaufen sich so also das Recht zum Landen und Abheben. Radiofrequenzen werden ebenso über Auktionen verteilt wie CO2-Zertifikate.

Selbst Google-Anzeigen werden versteigert

Milgrom und Wilson haben untersucht, wie solche Auktionen ablaufen und wie man sie verbessern kann. Durch ihre Arbeit sind viele der heute gängigen Auktionsformate überhaupt erst auf den Markt gekommen. Das US-Nachrichtenportal Bloomberg schreibt deshalb, es gebe wohl kaum eine ökonomische Theorie, die so praxisorientiert ist.

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Ein Thema für Ökonomen sind Auktionen, weil sie schnell komplex werden. Tommy Andersson, der im Preiskomitee der Akademie sitzt, erklärte das am Montag am Beispiel einer Versteigerung für Fischfangquoten. Fischer geben dabei Gebote ab, um in einem Gebiet eine bestimmte Menge Fisch fangen zu dürfen. Wie viel sie dafür zu zahlen bereit sind, hängt unter anderem von dem Preis ab, den sie später für den Fisch verlangen können. Das Problem ist: Zum Zeitpunkt der Auktion steht der Fischpreis noch nicht fest. Die Fischer müssen ihn also schätzen.

Wer sich nun aber überschätzt, gibt automatisch das höchste Gebot ab und bekommt den Zuschlag – mit der Folge, dass er mehr bezahlt, als er sich eigentlich leisten kann. Als „Fluch des Gewinners“ beschreiben Experten dieses Phänomen. Nur wer sich dessen bewusst ist, wird sich in der Auktion rational verhalten und einen nicht allzu hohen Preis bieten.

Für die 5G-Auktion haben Wilson und Milgram Vorarbeit geleistet

Und andere Auktionen sind noch sehr viel komplexer. So haben Wilson und Milgram das Standardmodell einer Auktion weiterentwickelt. Sie haben sich mit Fällen befasst, in denen es sowohl mehrere Bieter als auch mehrere zu versteigernde Güter gibt. Ausgangspunkt dafür war in den neunziger Jahren die Vergabe von Telekommunikations-Frequenzen in den USA. Bis dahin seien die stets in den einzelnen Bundesstaaten separat vergeben worden – Wilson und Milgrom sollen es gewesen sein, die die zuständige Behörde FCC dazu überredet haben, die Frequenzen auf Bundesebene per Auktion zu verteilen. Das berichtet der deutsche Ökonom Justus Haucap, der Paul Milgrom damals als Doktorand während eines Aufenthalts in den USA kennenlernte.

Milgrom und Wilson entwickelten damals ein Modell, wie man die Frequenzen am Besten versteigern kann. Telekommunikationsanbieter sind nämlich nur dann bereit, einen hohen Preis zu zahlen, wenn sie dafür sämtliche Lizenzen in einer bestimmten Region erhalten. Einzelne Lizenzen hingegen bringen ihnen wenig. Die Lösung von Milgrom und Wilson: Die Konzerne sollten so lange für sämtliche Lizenzen bieten können, bis für keine Lizenz mehr ein Gebot abgegeben wurde.

Die Auktion damals war ein Erfolg. Das Modell der beiden wird bis heute angewandt - zuletzt in Deutschland zum Beispiel bei der Vergabe der 5G-Frequenzen unter Mobilfunkanbietern. 12 Wochen lang haben die Deutsche Telekom, Vodafone, Telefonica und Drillisch in fast 500 Verhandlungsrunden dafür Gebote abgegeben. Für den Staat ging es dabei um viel Geld: 6,6 Milliarden Euro hat er damit eingenommen. Ohne die Vorarbeit von Wilson und Milgrom wäre das nicht möglich gewesen.

Mit ihrem Modell haben Wilson und Milgrom "Standards für die Versteigerung von Telekommunikations-Frequenzen gesetzt, die weltweit angewandt werden", sagt Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Für ihn waren Wilson und Milgrom schon länger Favoriten für den Wirtschaftsnobelpreis. Dank der Arbeit der beiden US-Ökonomen hätten sich Auktionen zum "Allzweckwerkzeug" der Regulierung entwickelt.

Die goldene Medaille, die mit dem Wirtschafts-Nobelpreis vergeben wird.
Die goldene Medaille, die mit dem Wirtschafts-Nobelpreis vergeben wird.

© Lovisa Engblom/The Nobel Foundation/dpa

Der Preis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (950.000 Euro) dotiert, das ist eine Million Kronen mehr als im vergangenen Jahr. Damals haben ihn Esther Duflo, Abhijit Banerjee und Michael Kremer für ihre Forschung zur Armutsbekämpfung erhalten.

Der Wirtschaftsnobelpreis geht im Gegensatz zu den Preisen in den anderen Disziplinen nicht auf das Testament von Dynamit-Erfinder Alfred Nobel zurück. Er ist erst nachträglich dazu gekommen, als die Schwedische Reichsbank den Preis 1968 anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens gestiftet hatte.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird zwar auch diese Auszeichnung als Nobelpreis bezeichnet – der korrekte Name lautet hingegen: Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften.

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Die Auszeichnung für Wirtschaft ist der letzte Preis, den die Schwedische Akademie der Wissenschaften in diesem Jahr vergibt. In der vergangenen Woche sind bereits die Nobelpreise für Literatur, Medizin, Physik und Chemie sowie der Friedensnobelpreis verliehen worden.

Diesmal finden die sonst so feierlichen Nobelpreisverleihungen in Stockholm und Oslo wegen der Corona-Pandemie in anderem und deutlich kleinerem Rahmen statt. In Stockholm, wo alle Preise bis auf den Friedensnobelpreis überreicht werden, ist statt der prunkvollen Zeremonie im Konzerthaus diesmal eine aus dem Rathaus übertragene Verleihung geplant, auf der die Preisträger aus ihrer jeweiligen Heimat zugeschaltet werden sollen.

Seit der ersten Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises 1969 war bisher erst ein Deutscher unter den Preisträgern: Der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten erhielt ihn 1994 gemeinsam mit John Nash und John Harsanyi für ihre wegweisenden Beiträge zur nichtkooperativen Spieltheorie. (mit dpa)

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