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Wie geklont. Gekocht, püriert und ausgedruckt landen der Brokkoli und die Rouladen auf dem Teller.

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Veganes Fleisch?: Lebensmittel aus dem 3D-Drucker – was geht und was noch nicht geht

Auch Essen lässt sich drucken. Und nicht nur die Nasa hat ein Interesse daran. Wer die Technik nutzen und wem sie helfen könnte.

Langsam aber zielgerichtet schwebt der Sprühkopf über die weiße Platte. Die Mündung zeigt nach unten, sie erinnert an die Spitze eines Kugelschreibers. Der Sprühkopf ist an einem schwarzen Block befestigt, der sich wie ein Roboter selbständig in alle Richtungen bewegen kann, horizontal wie vertikal. Aus der Spitze fließt zähe Schokolade auf die Arbeitsfläche.

Zunächst sieht es so aus als wolle der kleine Roboter ein einfaches „M“ schreiben. Mit der Zeit wächst das Muster jedoch zu einem dreidimensionalen Buchstaben heran.

In dem Werbevideo der Firma Print2Taste, kann man einem 3D-Lebensmitteldrucker bei der Arbeit zusehen. Das bayerische Start-Up hat den Drucker 2015 unter dem Namen „Procusini“ auf den Markt gebracht. Mit ihm lassen sich auch Gegenstände aus Nudelteig und Marzipan herstellen. Print2Taste verkauft die Drucker an Konditoreien, Caterer und Hotels.

3D-Drucker waren bislang vor allem in der Industrie und der Medizin gefragt.

Etwa bei Unternehmen, die ihre Ersatzteile oder Prototypen selbst drucken, oder bei Ärzten, die mit der Technik versuchen, menschliche Knochen und Organe nachzubauen.

Markt soll auf 400 Millionen Dollar wachsen

Doch auch in einigen Bereichen der Lebensmittelbranche könnte der 3D-Druck in Zukunft an Relevanz gewinnen. Es ist längst nicht mehr nur die NASA, die Essen drucken möchte.

Zwischen 2017 und 2024 soll der Markt weltweit um 50 Prozent auf 400 Millionen Dollar wachsen. So prognostiziert es das New Yorker Marktforschungsinstitut Research Nester. Grund sei die steigende Nachfrage nach individuellen Lebensmitteln.

Diesem Wunsch will auch Barry Callebaut gerecht werden. Der Schweizer Konzern ist einer der größten Schokoladenhersteller der Welt und bietet seinen Kunden seit kurzem Schokolade aus dem 3D-Drucker an. Auf ersten Pressebildern sind kunstvoll geschwungene Schokoladenstücke zu sehen.

Weltweit erste Schokoladen-Druckerfarm

Wirklich beeindruckend ist aber die offensichtlich mögliche Produktionsmenge. Pro Tag könne man mehrere tausend Stücke herstellen, erklärt das Unternehmen auf Anfrage des Tagesspiegels. Dazu habe man in den Niederlanden die weltweit erste Schokoladen-Druckerfarm errichtet. Eine Vielzahl von 3D-Druckern arbeite dort vollautomatisch zusammen, um die Schokolade in der vom Kunden gewünschten Form zu drucken.

Die Angaben lassen aufhorchen. Bislang war die fehlende Möglichkeit zur Serienfertigung oft ein entscheidender Grund für große Unternehmen, nicht auf 3D-Druck zu setzen. Einen weiteren kennt Stefanie Sabet. Sie ist Geschäftsführerin bei der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE). Im vergangenen Jahr befragte die BVE gemeinsam mit dem Digitalverband Bitcom einen Teil ihrer Mitglieder zur digitalen Zukunft der Branche.

Immerhin 30 Prozent waren der Überzeugung, dass der 3D-Druck im Jahr 2030 eine gewichtige Rolle in der Lebensmittelproduktion einnehmen wird. „Für viele ist der 3D-Druck zurzeit allerdings noch unattraktiv“, erklärt Sabet. Bestimmte Lebensmittel könnten aufgrund ihrer Zusammensetzung und ihrer Konsistenz nicht gedruckt werden.

Veganes Fleisch aus dem Drucker?

Volker Lammers vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) will das ändern. Der Wissenschaftler aus Quakenbrück erforscht seit 2018 den 3D-Druck von protein- und stärkebasierten Lebensmitteln. Lammers kooperiert dafür mit der Technischen Universität München. Das Team möchte herausfinden, wie man Rohstoffe mechanisch oder thermisch verarbeiten muss, um sie druckbar zu machen. So könnte in Zukunft auch veganes Fleisch aus dem 3D-Drucker kommen.

In den USA und Israel gibt es ebenfalls Start-Ups, die das versuchen. Lammers ist der Überzeugung, dass die Technik einen Mehrwert bieten muss, der über besondere Formen hinausgeht. „Wenn der 3D-Druck Strukturen in Lebensmitteln ermöglicht, die sich mit klassischen Produktionsmethoden nicht erreichen lassen, könnte die Technik zur echten Alternative werden“, sagt er. Für ihre Forschung haben die Wissenschaftler aus Quakenbrück und München einen eigenen 3D-Drucker entwickelt.

Moderne Spritztülle.
Moderne Spritztülle.

© promo

Auch die Urform des „Procusini“-Druckers vom Start-Up Print2Taste ist im Rahmen eines Forschungsprojekts entstanden. An der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf haben Wissenschaftler untersucht, wie man mithilfe von 3D-Druckern pürierte Mahlzeiten in eine optisch ansprechende Form bringen kann. So wollen sie über fünf Millionen Menschen in Deutschland helfen, die unter Kau- und Schluckstörungen leiden. Für Betroffene ist nicht nur die Konsistenz des Essens wichtig, sondern auch das Aussehen.

Im Rahmen der Forschung wurden die Gerichte zunächst normal zubereitet, anschließend püriert und dann mithilfe des Druckers wieder in ihre ursprüngliche Form gebracht. So sahen Erbsen und Möhren auf dem Teller fast so aus, als wären sie nie püriert worden. Einige Lebensmittel mussten dafür aber mit Dickungs- und Geliermitteln versetzt werden.

Das Konzept nennt sich Smoothfood und wurde vorher bereits mit Techniken aus der Molekularküche angewendet. Die Verwendung von 3D-Druckern macht es weniger aufwendig. Die Forscher aus Freising versprechen sich aber durch die neue Technik auch weitere Verbesserungen wie die Entlastung von Heimmitarbeitern oder Pflegekräften in Krankenhäusern.

„Keine Exoten mehr“

Das Forschungsprojekt unter der Leitung von Thomas Lötzbeyer ist im vergangenen Jahr in seine dritte Runde gegangen. Print2Taste ist nach wie vor Kooperationspartner, aber mittlerweile ein eigenständiges Start-Up mit 10 Mitarbeitern. Die nötige Starthilfe von 30.000 Euro sammelten die Gründer per Crowdfunding. Bis heute hat Print2Taste 1,5 Millionen Euro an Risikokapital erhalten, auch mit Hilfe privater Investoren.

„Innerhalb der Branche gelten wir nicht mehr als die Exoten“, sagt Helga Gruber. Die promovierte Biologin ist Mitgründerin und für Forschung und Entwicklung bei Print2Taste zuständig.

Der „Procusini“ kostet je nach Ausführung zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Anwender können ihn entweder mit eigenen Pasten befüllen oder die Tütchen von Print2Taste kaufen. Zum 3D-Drucker gehört auch der Zugang zu einer Online-Plattform, auf der Kunden entweder Vorlagen auswählen oder eigene 3D-Modelle hochladen können. Bis heute habe man 400 Geräte verkauft, sagt Gruber. Konkurrenz bekommt das Unternehmen aus Spanien und den Niederlanden.

Neue Möglichkeiten für Konditoreien

Große Wachstumschancen sehen Experten in der Konditoreibranche. Schokolade und Marzipan können die Geräte problemlos drucken. Gerhard Schenk betreibt mit seinem Bruder eine Konditorei in Augsburg. Er beschäftigt acht Mitarbeiter. Gleichzeitig ist er Präsident des Deutschen Konditorenbundes. „Ich liebäugle schon seit längerem damit, mir einen 3D-Drucker anzuschaffen“, sagt Schenk. Der Anspruch der Kunden steige, weil sie die entsprechenden Formen im Internet sehen. Mit den Druckern könne man aufwendige Stücke drucken, ohne einen Mitarbeiter für viele Stunden abstellen zu müssen.

Von einem Trend will er aber noch nicht sprechen. Dafür seien die Geräte bisher zu teuer und es gebe zu wenig Anlässe, sie regelmäßig zu nutzen. Aktuell seien 3D-Drucker nur für Konditoreien interessant, die große Firmenkunden beliefern und viele Sonderformen anfertigen. Trotzdem will Schenk nichts ausschließen: „2D-Drucker waren zu Beginn auch eine Besonderheit, jetzt gehören Sie zur Standardausrüstung.“

Schokoladen-Druck für Zuhause

Floris Vlasman ist Geschäftsführer einer Berliner Catering-Firma. Im Gegensatz zu Gerhard Schenk hat er sich bereits vor einem Jahr einen 3D-Drucker angeschafft. In der Eventbranche sei es enorm wichtig, mit neuer Technik vorauszueilen, „früher zu begeistern, als seine Mitbewerber“, erzählt er. Gerade bei Geschäftskunden, die in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Technologie tätig sind, sei das Interesse am 3D-Drucker groß. Außerdem eigne er sich als Marketing-Tool. Vlasman sagt aber auch, dass er den Drucker gerne noch häufiger einsetzen würde. Finanziell habe sich die Anschaffung „vielleicht noch nicht unmittelbar gelohnt“.

Print2Taste hat mittlerweile den einfachen Verbraucher ins Visier genommen. Seit Mitte 2019 verkauft das Unternehmen einen reinen Schoko-3D-Drucker für zu Hause. Er kostet mit 298 Euro deutlich weniger als das Profigerät.

Jonas Schulze Pals

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