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„Das Thema ist längst entscheidungsreif“, sagt Telefonica-Chef Markus Haas über die Frage, ob Deutschland den chinesischen Netzausrüster Huawei ausschließen sollte oder nicht.

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Telefónica-Deutschland-Chef im Interview: „Uns beunruhigt die faktenfreie Diskussion über 5G“

Markus Haas, Geschäftsführer von Telefónica Deutschland, über Huawei-Technik, den Netzausbau und schnelleres Internet in den Berliner U-Bahnen.

Herr Haas, eigentlich sollte diese Woche in Barcelona die wichtigste Mobilfunkmesse stattfinden, der Mobile World Congress. Vor knapp zwei Wochen wurde das Event wegen des Coronavirus abgesagt. Wie gehen Sie mit der Absage um?

Uns trifft die Absage weniger hart als die Unternehmen, die auf der Messe neue Mobiltelefone vorstellen. Die für die Messe geplanten Vorstellungen von Produkten und Innovationen von Telefónica sind verschoben, wir arbeiten derzeit an anderen Formaten. Auch wenn es für die Stadt Barcelona sehr schmerzhaft ist – letztendlich war die Absage die richtige Entscheidung. Die Gesundheit der Mitarbeiter muss immer Vorrang haben.

Erwarten Sie längerfristige Nachteile durch den Messe-Ausfall?

Nein, ich sehe keine negativen Auswirkungen auf unser Geschäft. Wir werden 2021 wieder eine tolle Messe haben. Ich glaube auch nicht, dass wir deswegen in Deutschland weniger schnell Funklöcher schließen oder 5G-Antennen aufbauen.

In Deutschland hat sich die Union nach langem Ringen auf ein 5G-Positionspapier geeinigt, das keinen Ausschluss chinesischer Netzausrüster wie Huawei vorsieht. Ein Erfolg für die Netzbetreiber?

Wir haben uns stets für eine Lösung eingesetzt, die bei der Auswahl der Hardwarelieferanten in Deutschland möglichst viele Optionen bei einem gleichzeitig maximalen Maß an Sicherheit zulässt.

Das Unions-Papier ermöglicht allerdings einen Ausschluss von Anbietern, die von einem Unrechtsstaat beeinflusst werden. Die SPD hat sich in der Vergangenheit mehrheitlich für einen Huawei-Ausschluss starkgemacht. Kommt es doch noch zum Bann?

Da möchte ich keine Prognose abgeben, sondern den weiteren politischen Prozess abwarten. Für uns liegen alle Fakten auf dem Tisch, alle Argumente sind ausgetauscht. Wir hoffen, dass es in der Regierung nun schnell zu einem Konsens kommt, der uns Planungssicherheit gibt. Entscheidend ist aber, dass die Politik schnell in die Umsetzung kommt. Das Thema ist längst entscheidungsreif.

Was halten Sie von einem Ausschluss chinesischer Anbieter aus kritischen Bereichen, wie es die Briten vormachen?

Das hat Vor- und Nachteile. Wir sollten nicht vergessen, dass der deutsche Umgang mit Ausrüstern großen Einfluss darauf hat, wie sich andere europäische Länder entscheiden werden. Europa ist mit China und den USA im Wettbewerb, also müssen wir auch als ein Kontinent eine Antwort finden. Die EU hat sich für den Umgang mit 5G-Ausrüstern Leitlinien gegeben, und die sollten wir auch in Deutschland anwenden.

Werden Sie Komponenten des Herstellers Huawei in der besonders sensiblen Mobilfunknetz-Infrastruktur einsetzen?

Das Ausschreibungsverfahren für unser künftiges Kernnetz startet erst im Jahresverlauf. Dem kann ich nicht vorgreifen. Gerade im Kernnetz sehen wir aber neben Huawei, Ericsson und Nokia auch noch weitere Ausrüster als absolut konkurrenz- und wettbewerbsfähige Optionen.

Abseits des Kernnetzes reduziert sich die Auswahl jedoch auf Mobilfunktechnik der Hersteller Nokia, Ericsson und Huawei, die oft Komplettsysteme anbieten, die nicht miteinander kompatibel sind. Spricht sich Telefónica deswegen für den OpenRAN-Standard aus?

Es ist, wie wenn Sie einen Computer kaufen: Da sie unabhängig von der Hardware frei entscheiden können, welches Betriebssystem sie installieren wollen, haben Sie eine größere Flexibilität. So ist es auch bei Mobilfunktechnik: Eine größere Auswahl einzelner Komponenten bedeutet mehr Flexibilität und letztendlich auch mehr Wettbewerb. Dafür braucht es eine offene, standardisierte Plattform.

Wie lange dauert es, bis ein solcher Standard sichtbaren Erfolg bieten würde?

Die nächsten drei bis vier Jahre wird uns OpenRAN nicht helfen. Es ist eine Vision, die uns aber ab 2025 mehr Optionen gibt und in Europa Ausrüster für Komponenten entstehen lassen könnte, für die es bisher gar keinen Markt gibt.

Anfang des Jahres haben die Netzbetreiber ihre Versorgungsberichte für den Netzausbau vorgelegt. Telefónica hat die Auflagen nicht erfüllt. Im Soll ist keiner der drei, aber die deutlichste Kritik gab es in Ihre Richtung. Was tun Sie?

Kein Netzbetreiber baut schneller aus als wir. Wir haben 2019 etwa 10 000 neue LTE-Elemente in Deutschland in Betrieb genommen und lagen damit vor allen anderen Betreibern. Jede Stunde geht ein neuer LTE-Sender ans O2-Netz. Auch in diesem Jahr werden wir noch einmal 10 000 LTE-Stationen aufbauen.

Sind Sie sicher, dass Telefónica die Auflagen für den LTE- und 5G-Netzausbau bis Ende 2022 und Ende 2025 erfüllen wird?

Absolut sicher.

Was brauchen Sie dazu von Verkehrsminister Andreas Scheuer?

Wir sehen leichte Fortschritte bei baurechtlichen Vorschriften, etwa bei der Anhebung der Genehmigungsfreiheit von Mobilfunkmasten in Bayern, die von zehn auf 15 Meter erhöht wurde. Insgesamt hapert es aber noch immer am Umgang mit den Bauanträgen vor Ort: In Österreich haben wir eine durchschnittliche Durchlaufzeit von vier Monaten, in Deutschland sind es 18 Monate. Kommunen müssen Bauanträge endlich priorisiert bearbeiten. Das ist auch eine Frage des richtigen Mindsets: Wie wichtig ist der Mobilfunkausbau? Wenn wir in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse bei der Netzabdeckung wollen, muss man vielleicht auch mal auf die Genehmigung einer Doppelhaushälfte oder einer anderen Immobilie etwas länger warten.

In Hamburg hat jüngst der BUND gegen den 5G-Ausbau protestiert. In der Schweiz gibt es viele Bürgerbegehren gegen den Netzausbau – aus Angst vor gesundheitlichen Risiken durch Mobilfunkstrahlung. Wie schätzen Sie diese Bewegung ein?

Uns beunruhigt diese Diskussion sehr, weil sie faktenfrei ist. Es gibt keinerlei wissenschaftlich fundierte Studien, die auch nur irgendeine Gesundheitsgefährdung sehen. Ich muss mich sehr wundern, wenn seriöse Organisationen auf eine populistische Diskussion aufspringen. Das ist nicht gut für Deutschland oder Europa.

Wann startet Telefónica in Berlin mit 5G?

Wir werden unser 5G-Netz in Berlin weiter ausbauen und im Laufe des Jahres für Privatnutzer freischalten. Schon jetzt ist das Gros unserer neuen Tarife 5G-Ready, was bedeutet, dass O2-Kunden mit diesen Tarifen für 5G ihren Vertrag nicht wechseln müssen werden. In Berlin bauen wir unser 5G-Netz übrigens mit Nokia aus.

Seit etwa einem Jahr teilen sich Kunden von Telefónica, Telekom und Vodafone das LTE-Netz in den U-Bahn-Linien U2, U5, U7 und U8. Die Einigung hatte Jahre gedauert. Warum?

Dafür gab es keine kommerziellen, sondern organisatorische Gründe. Wie kann ich Tunnel im laufenden Betrieb mit weiterer Technik ausstatten? Wo und wann ich bauen kann, hängt auch von der BVG und ihrer Verkehrsplanung ab. Infrastrukturausbau ist noch immer ein sehr analoges Geschäft.

Gibt es einen Plan für die Vollabdeckung des U-Bahn-Netzes?

Es gibt noch keinen konkreten Plan für die weiteren U-Bahn-Linien in Berlin, aber wir sind in Gesprächen. Eine gute Netzversorgung ist aus unserer Sicht absolut erforderlich, denn wir wollen ja auch aus ökologischen Gründen, dass die Kunden den öffentlichen Nahverkehr noch mehr nutzen.

Das Gespräch führte Paul Dalg.

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