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Lose Klammern wie hier im Bild sollen verhindern, dass sich die Zähne nach der Behandlung wieder zurückdrehen

© Getty Images

Umstrittene Helferlein: Das sollten Eltern bei der Zahnspange fürs Kind beachten

Ob die Klammer langfristig gegen Karies und Parodontose vorbeugen kann, ist nicht belegt. Eltern sollten bei ihrer Entscheidung abwägen

Von Laurin Meyer

Braucht mein Kind wirklich eine Zahnspange? Mit dieser Frage beschäftigen sich viele Eltern nach dem Besuch beim Kieferorthopäden. Denn für Spangen-Träger beginnt oftmals eine Leidenszeit. Die Behandlung kann schmerzvoll sein, besonders modisch sind die Klammern auch nicht. Und ob sie mehr bringen als nur gerade Zähne, ist seit Jahren umstritten.

Eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministerium sollte jetzt klären, ob die festen Klammern wirklich der Mundgesundheit dienen. Immerhin bekommt schätzungsweise jeder zweite Jugendliche heutzutage eine Zahnspange. Das Ergebnis bestätigt die Zweifler: Eine medizinische Wirkung könne nicht nachgewiesen werden. Dafür reichten die vorliegenden Daten nicht aus, es bräuchte Langzeitstudien.

Die Schwere der Fehlstellung berücksichtigen

Was also tun, wenn der Kieferorthopäde eine Zahnspange empfiehlt? Es von der Schwere der Fehlstellung abhängig machen, raten Verbraucherschützer. „Es gibt Fehlstellungen, da ist eine Behandlung auf jeden Fall ratsam“, sagt Christiane Grote, Leiterin der Gruppe Gesundheits- und Pflegemarkt bei der Verbraucherzentrale NRW, etwa bei großen Kieferanomalien. Bei kleineren Verschiebungen gehe es hingegen nur um die Ästhetik. „Aus medizinischen Gründen lässt sich da getrost auf eine Klammer verzichten.“ Gerade hier müssten Eltern entscheiden, ob schönere Zähne die Belastung für das Kind wirklich rechtfertigen. Denn neben potenziellen Schmerzen steigen die Risiken für Karies und Zahnfleischentzündungen.

Wer unsicher ist, hat aber nur begrenzt Möglichkeiten, sich zu informieren. Unabhängige Stellen gebe es nämlich nicht, sagt Grote. In Grenzfällen sollten Eltern immer die Meinung eines zweiten Kieferorthopäden einholen. „Oftmals könnten auch die Erfahrungen anderer Eltern weiterhelfen“, sagt Grote.

Nicht immer zahlt die Krankenkasse

Bei fast allen dürften zudem die Kosten eine Rolle spielen. Denn wer selbst für die Behandlung aufkommen muss, kann schnell mehrere Tausend Euro loswerden. Ob die gesetzlichen Krankenkassen zahlen, ist von der Schwere abhängig. Diese sind in fünf Behandlungsgrade unterteilt, die sogenannten Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Die Kasse zahlt nur bei Behandlungsgrad drei, vier und fünf. Das gilt zum Beispiel dann, wenn zwei Frontzähne mehr als drei Millimeter zueinander schief stehen oder ein Überbiss größer ist als sechs Millimeter. Ausschlaggebend ist die Fehlstellung mit dem am höchsten bewerteten Schweregrad, übernommen wird dann die gesamte Behandlung.

Eltern müssen aber zunächst einen Eigenanteil von 20 Prozent bezahlen, ab dem zweiten Kind sind es zehn Prozent. Wird die Behandlung erfolgreich beendet, erstatten die Krankenkassen diesen Teil jedoch zurück. Wichtig ist deshalb: Zahnspange und Zähne sollten gut gepflegt werden. Bricht der Kieferorthopäde die Behandlung nämlich ab, bleiben Eltern auf dem Eigenanteil sitzen – und fangen im Zweifel von vorne an. Außerdem sollten Versicherte die Quartalsrechnungen vom Kieferorthopäden unbedingt aufbewahren und nach Ende der Behandlung eine Abschlussbescheinigung verlangen. Beides benötigt die Krankenkasse, um den Eigenanteil zurückzuzahlen. Im Jahr 2016 kostete den Kassen eine Behandlung durchschnittlich gut 1840 Euro.

Teure Extras in der Kritik

Viele Kieferorthopäden locken darüber hinaus mit zahlreichen Zusatzleistungen, zum Beispiel mit transparenten Keramik-Steinchen oder elastischen Speziallegierungen bei den Bögen. Und für die müssen Eltern in der Regel selbst aufkommen. Die Kasse übernimmt nur, was ihr medizinisch notwendig erscheint. Grote sieht die angebotenen Extras kritisch: „Auch bei der Kieferorthopädie gibt es den Trend, dass Ärzte bei den Angeboten an ihren Geldbeutel denken“, sagt die Verbraucherschützerin. „Da wird teilweise richtig Druck aufgebaut.“ Manche Kieferorthopäden versprechen sogar bessere Ergebnisse oder etwa weniger Schmerzen bei der Behandlung. Doch das sei gar nicht belegt. „Fakt ist, dass auch die reinen Kassenleistungen zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen“, fasst Grote zusammen. Der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden (BDK) war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Fast die Hälfte zahlt mehr als 1000 Euro

Versprechungen und Druck scheinen jedenfalls zu wirken. Im Jahr 2015 hatte die DAK in einer Umfrage die Bereitschaft von Patienten untersucht, bei der Zahnspange privat draufzulegen. Fast die Hälfte rechnete damals mit mehr als 1000 Euro zusätzlich, gut ein Viertel ging von einem privaten Zuschlag zwischen 500 und 1000 Euro aus. Und seitdem habe sich daran auch nicht viel geändert. „Die große Mehrheit der Eltern muss weiterhin privat zuzahlen“, heißt es von der DAK. Ein Grund dafür: Es mangele immer noch an der nötigen Transparenz. „Auch heute bekommen nach unserer Erfahrung viele Familien keinen detaillierten Kostenvoranschlag“, erklärte ein Sprecher. Jedem vierten Patienten hat der Kieferorthopäde laut DAK-Umfrage von 2015 zudem gar kein kostenfreies Angebot gemacht. Ist der Eingriff laut Krankenkasse medizinisch notwendig, haben gesetzlich Versicherte aber einen Anspruch auf eine zuzahlungsfreie Behandlung. Der Arzt darf die Kassenbehandlung also nicht verweigern und sie auch nicht von privaten Zuzahlungen abhängig machen.

Eltern sollten Folgekosten beachten

Kommt die Zahnspange wieder raus, muss noch nicht alles überstanden sein. „Spangenträger sollten darauf achten, dass die Zähne nach der Behandlung nicht wieder an die ursprüngliche Position zurückwandern“, sagt Grote. Und Vorsorge kann extra kosten – etwa, wenn ein Klebe-Retainer, ein Draht hinter den Zähnen, eingesetzt werden soll. Die gesetzliche Krankenkasse zahlt lediglich einen herausnehmbaren Retainer.

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