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Umstrittener Unkrautvernichter: Monsanto hatte Listen mit Meinungsmachern zu Glyphosat angelegt.

© dpa

Überraschung bei Bayer: Grüne stehen wohl nicht auf geheimer Monsanto-Liste

Auf der deutschen Liste mit Feinden von Monsanto fehlen namhafte Kritiker. Grünen-Politiker, die Klarheit wollten, bekommen aber nur vereinzelt Antwort.

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Überraschung bei den Monsanto-Listen: Es sieht derzeit so aus, als fehlten die Namen prominenter Monsanto-Kritiker auf der geheimen Liste, die der jetzt zu Bayer gehörende Konzern angelegt hatte. Einer der wenigen, die bereits darüber persönlich informiert worden sind, ist Harald Ebner: Grünen-Politiker im Bundestag und Gentechnik-Kritiker. "Aufgrund unserer bisherigen Ermittlungen können wir bestätigen, dass wir Ihren Namen auf keiner der von uns überprüften Listen gefunden haben", so steht es im Schreiben, dass er jetzt per Mail erhalten hat. Zufriedenstellend ist das für Ebner allerdings nicht. Das sei ein seltsames Schreiben, meint er: "Ob das eine Art Zwischenbericht sein soll, muss man sich aus dem Wortlaut selber herausinterpretieren." Das Schreiben stammt von der Anwaltskanzlei Sidley Austin. Bayer hat sie mit der Aufklärung des Skandals beauftragt.

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Mitte Mai war durch Berichte französischer Medien bekannt geworden, dass Monsanto im Rahmen seiner Kampagne für eine weitere Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat in acht EU-Ländern Listen mit Kritikern und Unterstützern geführt hatte. Wegen seiner Pestizide und seines gentechnisch veränderten Saatguts stand Monsanto vor allem in Deutschland und Frankreich in der Kritik. Der Konzern hatte die Agentur Fleishman Hillard damit beauftragt, eine Liste mit wichtigen Meinungsmachern, den sogenannten Stakeholdern, zu erstellen. Bayer hat die Zusammenarbeit mit dieser Agentur inzwischen auf Eis gelegt.

Allein in Deutschland und Frankreich stehen 600 Namen auf den umstrittenen Listen. Nachdem der Skandal öffentlich geworden war, hatte sich Bayer von solchen Praktiken distanziert. Die Kanzlei Sidley Austin sollte daraufhin alle Betroffenen anschreiben. Das Problem: Informiert werden muss nur, wer auf der Liste steht. Wer dagegen keine Post bekommt, kann nur hoffen, dass er tatsächlich nicht auf einer der Listen steht. Sieben Grünen-Abgeordnete, die sich in der Vergangenheit kritisch über Monsanto geäußert haben, wollten das nicht hinnehmen. Sie haben nach Bekanntwerden der Nachricht, dass es solche Listen gibt, einen offenen Brief an Bayer-Konzernchef Werner Baumann geschrieben und ihn aufgefordert, die Listen zu veröffentlichen. Zudem wollten sie wissen, ob sie persönlich dort genannt werden.

Ebner ist aber offenbar bislang aus der Gruppe der sieben der einzige, der eine solche Antwort erhalten hat. "Viele andere haben immer noch überhaupt keine Nachricht bekommen", sagt er. Neben ihm müssten von den Grünen auch Fraktionschef Anton Hofreiter, Ex-Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast, die Grünen-Agrarpolitiker Harald Ebner, Friedrich Ostendorff, Vize-Fraktionschef Oliver Krischer sowie die Europaabgeordneten Martin Häusling und Maria Heubuch informiert werden. Nach Tagesspiegel-Informationen dürften sie alle nicht auf den Monsanto-Listen stehen. Nur der schriftliche Beleg dafür kommt bei ihnen nicht an.

Proteste bei der Hauptversammlung von Bayer im Mai: Umweltaktivisten kritisieren die Übernahme von Monsanto.
Proteste bei der Hauptversammlung von Bayer im Mai: Umweltaktivisten kritisieren die Übernahme von Monsanto.

© REUTERS

Ebner sagt: "Die Kommunikationspolitik von Bayer in dieser Sache ist und bleibt unterirdisch." Zumal gleich mehrere Sachen an der Geschichte seltsam sind: Abgeschickt haben will die Kanzlei die Briefe an die sieben Grünen-Politiker bereits am 14. Juli, also vor zwei Wochen. Doch angekommen sind die Schreiben dort nicht, wie eine Umfrage des Tagesspiegels unter den betroffenen Politikern zeigt.

Auf Nachfrage hin, hieß es, man werde den Sieben die Schreiben noch einmal per Mail zuschicken. Das war Mitte der Woche. Am Freitag dann ist die entsprechende Mail bei Ebner angekommen - während Renate Künast zum Beispiel weiterhin auf ihre Antwort wartet. Bis Freitagabend, 19 Uhr, ist nichts bei ihr eingetroffen, wie eine Mitarbeiterin aus ihrem Büro dem Tagesspiegel bestätigte. Auch andere Grünen-Politiker warteten vergebens auf Nachricht.

So bleibt weiterhin offen, wer aus Deutschland auf den Geheimlisten steht. Einzig der Gesundheitspolitiker und SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach hat bereits publik gemacht, dass Monsanto ihn gelistet hat.

Sein Name steht auf der List: SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach.
Sein Name steht auf der List: SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach.

© imago images / photothek

Neben den Grünen sollen auch Journalisten auf der deutschen Liste fehlen. „Ich kenne keine Namen, aber in Deutschland stehen wohl vor allem Verbands- und Industrievertreter sowie Politiker auf der Liste“, sagte Matthias Berninger, der bei Bayer das neu geschaffene Ressort Public Affairs und Nachhaltigkeit leitet, dem Tagesspiegel. In Frankreich, wo der Skandal Mitte Mai ans Tageslicht gekommen war, hatte Monsanto dagegen auch Journalisten auf die Spitzelliste gesetzt. Zu den prominenten Namen auf der französischen Liste gehört zudem die damalige Umweltministerin Ségolène Royal, die Gegnerin des von Monsanto vertriebenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat war.

Offensichtlich sind die Listen in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich geführt worden. Zentrale Vorgaben gab es nicht, auch keine gemeinsame Excel-Tabelle. Während in Frankreich selbst private Vorlieben erwähnt werden, erweckt die deutsche Liste Zweifel an der Kompetenz der Listenverfasser. Das könnte mit der früheren Monsanto-Führung zusammenhängen. Denn für die französische Liste war der Büroleiter Monsantos in Brüssel zuständig, der offensichtlich informierter war als Monsanto-Manager in anderen EU-Ländern.

Bayers grüne Hoffnung. Matthias Berninger war Spitzenpolitiker der Grünen und ist jetzt Cheflobbyist von Bayer.
Bayers grüne Hoffnung. Matthias Berninger war Spitzenpolitiker der Grünen und ist jetzt Cheflobbyist von Bayer.

© Doris Spiekermann-Klaas

Für Bayer war die Existenz der Listen eine böse Überraschung. „Wir hatten davon Mitte Mai aus Medienberichten erfahren", sagt Berninger. Nachdem Bayer sein Übernahmeangebot für den US-Konzern abgegeben hatte, habe der Dax-Konzern keinen detaillierten Blick mehr in die Bücher und damit auch in die Lobbyarbeit Monsantos werfen dürfen.

Die Grünen-Politiker jedenfalls wundern sich, dass sie nicht auf den Monsanto-Listen stehen sollen. "Es gibt eine Reihe von Leuten, die auf Grund ihrer bisherigen Aktivitäten rational davon ausgehen müssen, dass sie auf der Liste stehen", sagt Ebner. Er selbst kann sich aber auch nach dem Schreiben nicht hundertprozentig sicher sein, dass sein Name bei Monsanto nicht doch auf einer der Geheimlisten geführt wird. So heißt im letzten Satz: "Sollten wir im Rahmen unserer Untersuchungen zusätzliche Informationen erhalten, die zu einer anderen Einschätzung führen, werden wir Sie entsprechend benachrichtigen."

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