zum Hauptinhalt
"Frenemy", eine Mischung aus Freund und Feind, nennt Daimler-Chef Dieter Zetsche (l.) den Uber-Gründer Travis Kalanick. Am Mittwoch trafen sie auf der Berliner Internetkonferenz Noah zum ersten Mal aufeinander.

© dpa

Travis Kalanick trifft Dieter Zetsche: Der Uber-Mann und der Daimler-Boss

Uber-Gründer Travis Kalanick ist der Schreck der traditionellen Taxi-Branche. Doch bei seinem Besuch in Berlin gibt er sich ganz sanft. Da steckt selbst Daimler-Chef Dieter Zetsche wieder die Boxhandschuhe ein.

Es klingt fast zärtlich, wie Daimler-Chef Dieter Zetsche über den Mann spricht, der sein Geschäft zerstören will: „Frenemy“ nennt er ihn, eine Mischung aus „friend“ und „enemy“, Freund und Feind. Travis Kalanick ist dieser Mann, Gründer und Chef des US-Unternehmens Uber, das per Smartphone-App private Mitfahrten vermittelt. Und wer verstehen will, welches Problem er damit lösen möchte, muss an diesem Mittwochabend nur einen Blick vors Tempodrom werfen, in dem Zetsche, 63, und Kalanick, 39, zur Internet-Konferenz Noah aufeinandertreffen.

Uber-Chef Kalanick will den Verkehr reduzieren

Autofahrer suchen verzweifelt einen Parkplatz, ein Taxi nach dem anderen kommt an, in den meisten Wagen sitzt nur ein Fahrgast – Szenen wie es sie nicht nur in Berlin, sondern weltweit in allen Großstädten gibt. Uber will den Verkehr reduzieren, indem private Anbieter Kunden von A nach B transportieren, am besten gleich mehrere Leute in einem Wagen, wenn sie eine ähnliche Strecke haben. Das soll nicht nur Taxis überflüssig machen, sondern auch das eigene Auto, was für Zetsche am Ende bedeuten könnte: Weniger verkaufte Mercedes-Fahrzeuge.

Wie das Duell zweier Giganten wird der Auftritt inszeniert

Wie das Duell zweier Giganten ist der erste gemeinsame Auftritt auf großer Bühne deshalb inszeniert: Daimler-Chef Zetsche, dessen Unternehmen auf eine 133-jährige Geschichte zurückblickt und Uber-Chef Kalanick, dessen 2009 gegründeter Fahrdienst mit rund 63 Milliarden Dollar das wertvollste nicht-börsennotierte Start-up der Welt ist. Zur Rocky-Hymne „Eye of the Tiger“ werden sie hereinkutschiert, im Trabi-Cabriolet, gestrichen in New-Yorker-Taxi-Gelb. „Solche brauche ich unbedingt für Uber“, scherzt Kalanick, der privat BMW-Cabriolet fährt, nach eigenen Angaben aber keinen gültigen Führerschein mehr besitzt.

Entstanden ist die Idee nach einem Besuch in Paris

Entstanden ist die Idee für Uber – wie so oft bei Start-ups - aus der Verzweiflung heraus. Kalanick zeigt am Mittwochabend ein Foto von sich und seinem Geschäftspartner Garrett Camp vor dem Eiffelturm. Ewig hätten sie in Paris nach Taxis gesucht. Wie schön wäre es, wenn er jetzt einfach einen Kopf drücken könne und das Taxi käme zu ihm, und zwar sofort, habe sich Camp damals ausgemalt.

Per Smartphone-App vermittelt Uber Fahrten mit privaten Anbietern - weltweit inzwischen mehr als 5,5 Millionen pro Tag.
Per Smartphone-App vermittelt Uber Fahrten mit privaten Anbietern - weltweit inzwischen mehr als 5,5 Millionen pro Tag.

© dpa

In mehr als 440 Städten in mehr als 66 Ländern vermittelt Uber inzwischen mehr als 5,5 Millionen Fahrten - und zwar pro Tag. Taxifahrer weltweit protestieren gegen die Konkurrenz, die auch im Hinblick auf die Sicherheit der Kunden und Arbeitsbedingungen ihrer Fahrer immer wieder kritisiert wird.

Traditionelle Taxi-Unternehmer protestieren gegen die neue Konkurrenz Uber, wie hier in Argentinien.
Traditionelle Taxi-Unternehmer protestieren gegen die neue Konkurrenz Uber, wie hier in Argentinien.

© REUTERS

Bei seinem Besuch in Berlin gibt sich Kalanick deshalb auch eher als sanftes Kätzchen denn als wilder Tiger. Aggressiv war Uber 2013 in den deutschen Markt gedrängt, ohne Rücksicht auf Politik und Gesetze – und wurde ausgebremst: Der Dienst Uber Pop sei wettbewerbswidrig, weil er Fahrer ohne Personenbeförderungserlaubnis zum Rechtsbruch anstifte, entschied das Landgericht in Frankfurt am Main im März 2015. Am Donnerstag verhandelt das Oberlandesgericht über die Berufung, die für den deutschen Markt wohl keine Auswirkung haben wird. Uber ist hierzulande nur noch in Berlin mit Uber Taxi aktiv, in München mit den Mietwagenvermittler Uber X und dem Chauffeurservice Uber Black, deren Fahrer alle Lizenzen haben, so, wie es das deutsche Gesetz verlangt.

„Neue Entwicklungen lassen sich dauerhaft nicht per Gesetz verbieten“

„Sicher befolgen wir die Regeln, aber wenn es keinen Markt für die Regeln gibt, kommt man damit nicht weiter“, sagte Kalanick bereits am Dienstagabend, als er in dem Berliner Start-up-Campus Factory als erstes prominentes Mitglied der neuen Community begrüßt wurde. „Neue Entwicklungen lassen sich dauerhaft nicht per Gesetz verbieten“, betonte er und machte deutlich, dass er nur wenig Verständnis hat für Regeln wie Ortskundeprüfungen, die Taxifahrer trotz Navigationssystemen ablegen müssen. „Es wäre schön, wenn sich der deutsche Gesetzgeber ein bisschen auf uns zubewegen würde“, hofft Kalanick.

Treffen mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt

Mittwochnachmittag hat er sich deshalb mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) getroffen, es dürfte dabei auch um die Rückkehrpflicht gegangen sein, wonach Mietwagen mit Fahrer nach jeder Fahrt an den Betriebssitz zurückkehren müssen, damit sie eben kein Taxi-Unternehmen sind, das Fahrgäste aufpicken kann – was ja genau Ubers Geschäftsmodell ist. „Absurd“, findet Kalanick, aber er will es sich ja in Deutschland nicht noch weiter verscherzen, deshalb versichert er, „Uber noch ein bisschen deutscher“ machen zu wollen.

Er spielt damit auf den Namen seines Unternehmens an, der an das deutsche „Über“ erinnert. Nicht seine Idee, sondern das Ergebnis eines Algorithmus: „Taxi, aber genial“, habe er als Schlagworte auf einer Website eingegeben, die Namen kreiert und passende Domains vorschlägt. Heraus kam: Uber-cabs.com. Gekauft. Kurze Zeit später meldeten sich die Behörden von San Francisco, wo Uber seinen Hauptsitz hat. Weil Uber kein offizieller Taxi-Dienst sei, müsse der Name „cabs“ gestrichen werden. Übrig blieb Uber, das im Englischen auch ein Synonym für „super“ ist. Heute ist der Fahrdienst auf dem Weg, eine Weltmarke wie Mercedes zu werden.

Daimler-Chef Zetsche setzt lieber auf selbstfahrende Autos

„Wir können potenziell in manchen Bereichen kooperieren und in anderen Konkurrenten sein“, erläuterte Zetsche, was er mit „Frenemy“ konkret meint. Demonstrativ suchen gerade viele traditionelle Autobauer die Nähe zu den neuen Online-Diensten: Volkswagen investierte 300 Millionen Dollar in den Uber-Konkurrenten Gett, Opel-Mutter General Motors (GM) steckte 500 Millionen Dollar in den Uber-Konkurrenten Lyft und Toyota beteiligte sich mit einem bisher nicht bekannten Betrag an Uber. An einer solchen direkten Beteiligung an habe Daimler aber kein Interesse, sagte Zetsche: „Wir müssten wohl 35 Milliarden Dollar hinblättern, um eine dominante Rolle zu spielen. Und das ist uns zu teuer.“

„Ich habe Geduld mit Deutschland“

Stattdessen will Daimler lieber selbstfahrende Autos entwickeln – und damit Uber überflüssig machen. Doch auch das Start-up arbeitet mit Fiat Chrysler an dieser neuen Technologie.

Auch ein Essens-Lieferservice und einen Paketdienst will Kalanick künftig anbieten. Auch hierzulande? „Ich habe Geduld mit Deutschland“, sagt er. Ganz auf die traditionellen Autobauer verzichten kann er aber noch nicht. In Berlin ließ er sich durch die Stadt chauffieren. Mit einem Mercedes.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false