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Am 27. März bestreikten Verdi und die Eisenbahnergewerkschaft EVG den kompletten Verkehr.

© picture alliance / Geisler-Fotopress/Jean MW

Tarifkonflikte: Neue Flughafen-Streiks, erfolgreiche Schlichtung im öffentlichen Dienst

Schlichtungsverfahren im öffentlichen Dienst ermöglicht weitere Verhandlungen Ende der Woche. Keine Annäherung im Streit um Zuschläge für Flughafenpersonal.

In dieser Woche wird es ernst: Die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst und an den Flughäfen kommen in eine entscheidende Phase. Nach einer Schlichtungsempfehlung setzen die Tarifparteien für die 2,5 Millionen Beschäftigten der Kommunen und im Bund Ende der Woche die Verhandlungen fort.

Dagegen kommen die Tarifgespräche für das Service- und Sicherheitspersonal an den Flughäfen nicht vom Fleck. Weitere Streiks drohen dem Luftverkehr in den kommenden Tagen. „Verdi will nochmal streiken“, sagte ein Arbeitgebervertreter dem Tagesspiegel, und habe deshalb bei den Verhandlungen unmittelbar nach Ostern kein Interesse an einer Einigung gehabt.

Im öffentlichen Dienst dagegen hat das Schlichtungsverfahren in der Nacht zum Sonnabend zu einem Ergebnis geführt, über das Verdi mit den Arbeitgebern der Kommunen und des Bundes nun zu beraten hat. „Für 2023 gibt es einen Inflationsausgleich, ab 1. März 2024 einen Sockelbetrag verbunden mit einer linearen Erhöhung. Der Mix ist ein fairer Interessenausgleich, für den natürlich auch viel Geld in die Hand genommen werden muss – eine gute Investition in einen zukunftsfähigen öffentlichen Dienst“, meinte der Vorsitzende der Schlichtungskommission, der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD).

340 Euro mehr

Sofern die Tarifparteien der Schlichtungsempfehlung folgen, bekommen die 2,5 Millionen Beschäftigten im Juni eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 1240 Euro; von Juli bis Februar 2024 gibt es dann monatlich 220 Euro der Prämie, sodass in Summe 3000 Euro erreicht werden. Das ist genau der Betrag, der von der Bundesregierung von Steuern und Abgaben befreit wurde, um die von der Inflation geschwächte Kaufkraft zu stärken. Von März 2024 am bekommt dann jeder Beschäftigte dauerhaft 5,5 Prozent mehr Geld, mindestens jedoch 340 Euro. Über diese Empfehlung werden die Tarifparteien am 22. April verhandeln.

Verdi hatte ursprünglich 10,5 Prozent und einen Mindestbetrag von 500 Euro/Monat gefordert bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Die Schlichterempfehlung sieht 24 Monate vor. Die Arbeitgeber um Karin Welge, Präsidentin der kommunalen Arbeitgeberverbände, und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) hatten bei den letzten Verhandlungen Ende März eine Erhöhung der Monatsentgelte um 300 Euro angeboten sowie eine steuerfreie Inflationsprämie von 3000 Euro, verteilt über zwei Jahre. 1750 Euro davon sollten bereits im Mai ausgezahlt werden.

Verdi llehnte das Angebot ab, sodass am Dienstag nach Ostern die Schlichtung begann unter der Leitung des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) und Hans-Henning Lührs (SPD). Besonders umstritten war der Mindestbetrag, den Verdi unbedingt durchsetzen wollte: Die von der Inflation besonders betroffenen unteren Einkommen profitieren davon überproportional. Die Arbeitgeber dagegen wollten höhere Einkommen vor allem für Fachkräfte, um den öffentlichen Dienst im Wettbewerb um qualifiziertes Personal attraktiver zu machen.

Während Verdi im öffentlichen Dienst mithilfe der Schlichter auf Kompromisskurs ist, spitzt sich der Konflikt an den Flughäfen erneut zu. Am 27. März hatten Verdi und die Eisenbahngewerkschaft EVG den gesamten Verkehr hierzulande bestreikt, um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Bis auf den Berliner Flughafen BER waren alle Flughäfen hierzulande betroffen, rund 380.000 Passagiere konnten nicht fliegen.

Nachdem in der vergangenen Woche die Tarifverhandlungen über Zulagen und Zuschläge für das Bodenpersonal an den Flughäfen keine Annäherung gebracht hatten, entscheiden die Verdi-Gremien am kommenden Montag über weitere Warnstreiks. Da das am Freitagabend beginnende Zuckerfest am Ende des Fastenmonats Ramadan nicht beeinträchtigt werden soll, kommen in dieser Woche nur Mittwoch und Donnerstag in Betracht. Möglicherweise wird aber auch Anfang der nächsten Woche gestreikt.

Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke und Bundesinnenministerin Nancy Faeser Ende März bei den Verhandlungen in Potsdam.

© Imago/Martin Mueller

Die Auseinandersetzung zwischen dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) und Verdi für die Beschäftigten an den Flughäfen dreht sich um Zulagen und Zuschläge. In der Pandemie verloren die Firmen viele Arbeitskräfte, was den Trend zu höheren Löhnen verstärkt hat. „Mit Entgelterhöhungen bis zu 28,2 Prozent lag der Abschluss im Jahr 2022 weit über dem in anderen Branchen, obwohl sich die Luftverkehrswirtschaft von der Pandemie noch nicht wieder gänzlich erholt hatte“, heißt es beim BDLS, der sich mit dem Argument gegen höhere Zuschläge wehrt. Seit April verdienen die angelernten Servicekräfte an den Flughäfen 14,46 Euro in der Stunde nach bislang 13,91 Euro. Je nach Schulung und Sicherheitsanforderung steigen die Löhne dann auf 17,19 bis 19,49 Euro. 

Umstrittene Zuschläge

Alles in allem beschäftigen die Luftsicherheits- und Serviceunternehmen an den Flughäfen, darunter Securitas, Wisag und Gegenbauer, hierzulande rund 25.000 Personen. Die im Verband BDLS organisierten Arbeitgeber bieten in der aktuellen Auseinandersetzung eine Erhöhung des Nachtzuschlags von 15 auf 20 Prozent für den Zeitraum von 22 Uhr bis 6 Uhr. Schließlich legten sie eine Erhöhung des Mehrarbeitszuschlags von 25 auf 30 Prozent für Überstunden auf den Verhandlungstisch. Doch von welcher Stunde an die Überstundenzuschläge zu zahlen sind, ist extrem umstritten.

Die ersten acht Überstunden im Monat sollen zuschlagsfrei bleiben, was Verdi ablehnt. Dazu wollen die Arbeitgeber angeblich einen Arbeitszeitpuffer von bis zu 32 Stunden im Monat für zuschlagsfreie Mehrarbeit beibehalten, sodass in Summe 40 Überstunden zuschlagsfrei blieben. Dass ein Fünftel der Mehrarbeit ohne Zuschläge erbracht wird, erklärt Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Pieper mit der Historie: Die Stundenlöhne der zumeist angelernten Servicekräfte an den Flughäfen seien so niedrig gewesen und dazu Teilzeit weit verbreitet, dass die Beschäftigten gerne und ohne Zuschläge Mehrarbeit geleistet hätten. Diese Zeiten seien jedoch vorbei. Ohne deutlich attraktive Arbeitsbedingungen sei heutzutage kein Personal mehr zu bekommen.

Chaos am Flughafen

Als im vergangenen Frühjahr nach der Coronazeit der Flugverkehr zunahm, gab es häufig chaotische Zustände an den Flughäfen. Es gibt seit Jahren Probleme bei den Passagierkontrollen, weil zu wenig Personal vorhanden ist oder weil die Personalanforderungen der Bundespolizei erst mit Zeitverzug an die planenden Stellen gemeldet werden. Grob gesagt liefern die Flughäfen Daten über das erwartete Passagieraufkommen an das Bundesinnenministerium und die Bundespolizei, die den Personalbedarf an die privaten Dienstleistungsfirmen weitergibt.

Derzeit wird die Übertragung der Organisations- und Steuerungsverantwortung an die Unternehmen der Luftsicherheitswirtschaft mit den Beteiligten im Innenministerium diskutiert. Für die Sicherheit bliebe die Bundespolizei verantwortlich, doch die Steuerung des Personaleinsatzes am Flughafen könnten die Unternehmen künftig direkt nach den Vorgaben der Flughäfen übernehmen. Das verspricht mehr Effizienz und weniger Chaos.

Bei der Bahn wiederum werden die Verhandlungen zwischen der Eisenbahnergewerkschaft EVG und Bahn-Personalvorstand Martin Seiler am 25. April fortgesetzt. Die EVG möchte zwölf Prozent, mindestens aber 650 Euro. Das betrifft mehr als 200.000 Mitarbeitende beim Staatskonzern Bahn und den privaten Konkurrenten der Bahn. Ein erstes Angebot in Richtung EVG-Forderung kam bislang von einem Unternehmen für Schieneninfrastruktur in Niedersachsen, das eine Erhöhung um 220 Euro/Monat ins Spiel brachte.

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