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Deutschland will die Gaspipeline Nord Stream 2 fertig bauen, die USA wollen das verhindern.

© Jens Büttner/dpa

Exklusiv

Streit um Nord Stream 2: Die USA wollen die Fertigstellung um jeden Preis verhindern

Im Streit um die Gaspipeline sind die USA nicht kompromissbereit, betont die US-Botschaft in Berlin. Die Bundesregierung setzt das unter Druck.

Von Hans Monath

Die Hoffnungen der Bundesregierung auf eine Einigung mit den USA über die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 haben einen weiteren Dämpfer erhalten. Die amerikanische Regierung unter Joe Biden machte nun auch gegenüber der deutschen Öffentlichkeit deutlich, dass sie keine Möglichkeit für Kompromisse oder Koppelgeschäfte sieht, die den Widerstand der USA gegen das Projekt brechen würden.

Die neue Regierung in Washington sei „entschlossen, alle zur Verfügung stehenden Hebel einzusetzen, um die Fertigstellung von Nord Stream 2 zu verhindern“, sagte der Sprecher der US-Botschaft in Berlin, Joseph Giordono- Scholz, dem Tagesspiegel.

Er antwortete damit auf die Frage, welche möglichen Angebote der Regierung in Berlin den Konflikt entspannen könnten. Biden steht bei diesem Thema zudem unter Druck des US-Kongresses, in dem Politiker der Demokraten und der Republikaner ein hartes Vorgehen gegen Nord Stream 2 verlangen.

Vertreter Deutschlands sondieren nach US-Medienberichten in Washington, ob Zugeständnisse in Handelsfragen oder das Angebot deutscher Investitionen in erneuerbare Energie in der EU und in der Ukraine die US-Seite besänftigen könnten. Das Auswärtige Amt machte auf die Frage nach möglichen Angeboten oder Kompromissen keine Angaben.

Der Sprecher der US-Botschaft kündigte an: „Wir werden weiterhin jede Organisation registrieren, die an möglicherweise durch Sanktionen belegten Aktivitäten beteiligt ist, und haben deutlich gemacht, dass jedes Unternehmen Sanktionen riskiert, wenn es sich an Nord Stream 2 beteiligt.“

Gewinnt Russland mit Nord Stream 2 zu viel Einfluss?

Sowohl Präsident Biden als auch Außenminister Antony Blinken haben einen Stopp des in ihren Augen gefährlichen Pipeline-Baus verlangt. „Es ist ein geopolitisches Projekt Russlands, das Europas Energiesicherheit ebenso bedroht wie die der Ukraine und der östlichen Nato- Partner“, sagte der Botschaftssprecher. Dieses Urteil werde „von manchen unserer europäischen Partner und sogar von einigen ernst zu nehmenden Stimmen in Deutschland geteilt“.

Außenminister Heiko Maas (SPD) verteidigt das Projekt Nord Stream 2.
Außenminister Heiko Maas (SPD) verteidigt das Projekt Nord Stream 2.

© dpa

Die Bundesregierung ist bei der Verteidigung des Projekts dazu übergegangen, dem US-Partner doppelte Standards im Umgang mit Russland vorzuwerfen. So zielte Außenminister Heiko Maas (SPD) bei einer Debatte über Nord Stream 2 im Bundestag Mitte Februar auf die USA, auch wenn er sie namentlich nicht erwähnte.

„Es gibt ja Länder, die von uns die Einstellung der Bauarbeiten verlangen, obwohl sie selber zur gleichen Zeit ihre Schweröltransporte oder -importe aus Russland erhöhen“, sagte er. Hintergrund der Vorwürfe sind offizielle US-Zahlen, wonach das Volumen russischer Rohöllieferungen in das Land von Jahr zu Jahr wächst und Russland unter den Öllieferanten der USA mittlerweile Platz drei belegt.

Nach unabhängigen Berechnungen betrug der Anteil russischer Lieferung an der US-Ölnachfrage über viele Jahre weniger als 0,5 Prozent, stieg aber im vergangenen Jahrzehnt und erreichte im vergangenen Jahr einen Rekordwert von sieben Prozent.

In diesen Zusammenhang gehört auch ein Papier aus der Wirtschaftsabteilung des Kanzleramts, das große Investitionsprojekte westlicher Staaten in Russland auflistet. Damit soll das Argument entkräftet werden, es handle sich bei Nord Stream II um einen deutschen Alleingang. Der Auflistung aus dem Februar nach sind US-Firmen unter anderem an der Errichtung und dem Betrieb eines Komplexes für „Liquid Natural Gas“ im Nordwesten Sibiriens („General Electric“) beteiligt.

US-Präsident Joe Biden will verhindern, dass die Pipeline zu Ende gebaut wird.
US-Präsident Joe Biden will verhindern, dass die Pipeline zu Ende gebaut wird.

© Kevin Lamarque/Reuters

Außerdem wird ein Projekt zur Förderung von Erdöl und Erdgas bei der Insel Sachalin (Exxon Neftegas Ltd.,eine Tochterfirma von Exxon, führe das Konsortium) genannt. Die Fima „General Electric“ betreibt demnach ein Joint Venture mit dem staatlichen russischen Energieunternehmen „InterRAO“ zur Produktion von Gasturbinen in dem Land, die Firma „Honeywell“ wiederum baut in Arsamas rund 500 Kilometer östlich von Moskau eine Fabrik für Transport und Analyse von Erdgas aus. Die Aufstellung aus dem Kanzleramt ist auch als Argumentationshilfe für Vertreter der deutschen Politik im Austausch mit ihren US-Partnern gedacht.

Deutschland könnte im Gegenzug Wasserstoff-Projekte ausbauen

Die möglichen Angebote der deutschen Seite an die US-Regierung im Pipeline-Streit beinhalten nach Tagesspiegel- Informationen auch massive deutsche Investitionen in den Ausbau von Wasserstoff-Technologie in der Ukraine. Damit soll der Ukraine, die gegenwärtig Einnahmen aus der Durchleitung von russischem Gas erzielt, der Übergang in das Zeitalter nichtfossiler Energien erleichtert werden. 

Die ukrainische Vizepremierministerin für europäische Integration, Olga Stefanishyna, hatte kürzlich bei einem Besuch in Berlin den Ausbau der erneuerbaren Energien zu einem zentralen Ziel ihres Landes erklärt.

Zu den von der US-Botschaft in Berlin erwähnten „ernst zu nehmenden Stimmen“ in Deutschland, die einen Stopp von Nord Stream 2 verlangen, gehört der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer. Die Vorschläge der Bundesregierung zur Rettung von Nord Stream II seien „ungeeignet einen neuen Weg zu eröffnen“, sagte der Europaabgeordnete.

„Solche Ideen ignorieren völlig die geostrategische Dimension des Konflikts“. Die Bundesregierung müsse sich endlich nicht nur mit den USA, sondern auch mit der EU-Kommission und den östlichen EU-Partnern zusammensetzen, um eine Lösung für das Problem zu finden.

Erheblich erschwert werden die Chancen der Bundesregierung im Streit mit Washington durch den Militäraufmarsch Russlands an den Grenzen der Ukraine. „Die USA sind zunehmend besorgt wegen der zunehmenden Aggression Russlands in der Ostukraine, vor allem durch die Truppenbewegungen an der Grenze des Landes“, sagte Botschaftssprecher Giordono-Scholz. Das russische Vorgehen dürfte auch den Handlungsspielraum Bidens gegenüber demUS-Kongress weiter einengen.

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