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Anspruchsvoll: Industriepräsident Siegfried Russwurm möchte niedrigere Steuern für die Unternehmen und höhere Investitionen der öffentlichen Hand.

© promo

Steuerstreit der Parteien: Rauf oder runter?

Lagerbildung im Wahlkampf: In der Frage der Unternehmenssteuern stehen sich Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün gegenüber.

Wahlkämpfe haben eine eigentümliche Dynamik, in der die umstrittenen Themen oftmals wenig mit der Zukunft zu tun haben. FFP2-Masken, Undeutlichkeiten in Lebensläufen oder längst beschlossene Spritpreiserhöhungen beschäftigen Wahlkämpfer und Wahlvolk in diesen Tagen viel mehr als die Frage, wer die Kosten der Pandemiebewältigung trägt, wie die Wirtschaft unter Dampf kommt und ob ein neuer Lastenausgleich zwischen Arm und Reich gebraucht wird. Die alles überwölbende Fragestellung ist die nach der Rolle des Staates: Welche Aufgaben landen bei der öffentlichen Hand und wie werden diese Aufgaben finanziert? „Privat geht vor Staat“, sagt dazu Fritz Güntzler, Wirtschaftsprüfer und CDU- Bundestagsabgeordneter. Im Rahmen einer vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) organisierten steuerpolitischen Diskussion ließ Güntzler am Donnerstag keine Zweifel offen, welche Koalition er nach der Wahl präferiert und welche nicht. „Das Bündnis für Steuererhöhungen aus SPD und Grünen“ komme nicht infrage, dagegen sieht er „fast deckungsgleiche“ Steuerpläne bei der FDP und dem BDI. Und die sehen so aus: Reduzierung der Körperschaftsteuer von 15 auf zehn Prozent; weniger Belastung auf die im Unternehmen verbleibenden Gewinne sowie die komplette Abschaffung des Solidarzuschlags.

Der Staat bekäme weniger vom Kuchen

Die Mindereinnahmen würden binnen eines Jahrzehnts über Wachstum und höhere Steuereinnahmen zum Großteil refinanziert, meinte Hubertus Bardt vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Das wäre eine Reform, die den Kuchen wachsen lässt“, sagte Bardt mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt und künftige Verteilungsspielräume. Allerdings schrumpft der Anteil des Kuchens, der beim Staat landet.

BDI will niedrigere Steuern und mehr Investitionen

Für grüne und rote Politiker ist das undenkbar. Michael Schrodi, der für die SPD im Bundestag sitzt und ebenso wie der CDU-Mann Güntzler und der Grünen-Abgeordnete Stefan Schmitz dem Finanzausschuss angehört, erinnerte an das gemeinsame Werben von BDI und DGB für ein zehnjähriges Investitionsprogramm der öffentlichen Hand in Höhe von 450 Milliarden Euro, mit dem die Bundesrepublik unter anderem bei Bildung und Digitalisierung auf die Höhe der Zeit gehievt werden soll. Und die 450-Milliarden-Initiative stammte noch aus der Zeit vor Corona. Jetzt sind die Kassen leer, aber der BDI hätte immer noch gerne das Investitionsprogramm und gleichzeitig geringere Steuern für seine Klientel. „Das passt nicht zusammen“, sagte SPD-Schrodi, und der Grüne Schmidt ergänzte: „Ich sehe keinen Spielraum für die Entlastung von Unternehmen.“

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Schmidt war der einzige Diskutant – nicht einmal Katja Hessel von der FDP nahm das Wort in den Mund – der auf die Schuldenbremse hinwies, zu der „wir irgendwann zurückwollen“. Ob das in der nächsten Legislatur möglich ist nach Corona und mit dem Abarbeiten des Investitionsstaus – allein bei den Kommunen wird der mit rund 150 Milliarden Euro veranschlagt – darf bezweifelt werden.

Pro und Contra Vermögensteuer

CDU, FDP und BDI halten nichts von der Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, wie sie rote und linke Parteien in ihren Wahlprogrammen stehen haben. Wenn es die heute schon gebe, so Güntzler, dann würde „in der Coronakrise die Vermögensteuer anfallen, obwohl es den Unternehmen nicht gut geht“. SPD und Grüne argumentieren dagegen mit hohen Freibeträgen auch für die Unternehmen und für Einzelpersonen, die erst ab zwei Millionen Euro einen extra Steuersatz auf die darüberliegende Summe von bis zu einem Prozent leisten sollen.
Ein paar Milliarden würde das bringen, aber neben dem finanziellen Aspekt betonen Grüne und Rote auch den sozialen: In der Coronakrise habe sich die Ungleichheit verschärft, sagte Schrodi, und auch deshalb müsse man „die massive Vermögensungleichheit angehen“, ergänzte Schmidt und erinnerte an Ludwig Erhard, zu dessen Wirtschaftswunderzeiten es eine Vermögenssteuer gegeben habe. In der Bundesrepublik wurde sie zuletzt 1996 erhoben und brachte damals neun Milliarden D-Mark ein. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen schaffte die Kohl-Regierung die Steuer ab.

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