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Die Vier von der Bahn: Personalvorstand Ulrich Weber (rechts) und GDL-Chef Claus Weselsky (links) rahmen die Schlichter Matthias Platzeck (zweiter von rechts) und Bodo Ramelow ein.

© dpa

Schlichtung zwischen Bahn und GDL: Spinnen die eigentlich?

Die Schlichter haben die Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL zu einem Kompromiss bewegt. Das Ergebnis: 16 Verträge auf insgesamt 450 Seiten. Dieses Resultat ist vor allem eines: fragwürdig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Rund ein Jahr wurde verhandelt. Neunmal gestreikt. Fünf Wochen geschlichtet. Es ist kaum zu fassen, was Oberlokführer Claus Weselsky und Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber in den letzten Monaten veranstaltet haben. Aber es hat sich offenbar gelohnt. Die beiden Raufbolde und die zwei Schlichter präsentierten jetzt stolz das Ergebnis: 16 verschiedene Verträge auf insgesamt 450 Seiten. Was ist los bei der Bahn, wenn die Arbeitsbedingungen derartig aufwendig und kompliziert geregelt werden müssen? Spinnen die?

Claus Weselsky spricht von einem Emanzipationsprozess

Die Bahn ist manchen Irrweg gefahren in jüngster Zeit, man denke nur an die Börsenpläne und in dem Zusammenhang an das S-Bahn-Theater in Berlin. Doch die Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen, und so bleibt der Wunsch des Schlichters und Linkspolitikers Bodo Ramelow, man möge die Bahn doch wieder zur Staatsbahn machen und die Lokführer zu Beamten, eine Träumerei. Die Lokführer und ihre Gewerkschaft GDL sind in der Welt, sie werden auch künftig Tarifverträge aushandeln und bei Bedarf erstreiken. Weselsky spricht von einem Emanzipationsprozess, der 2007 mit dem ersten Lokführerstreik begann und nun ein vorläufiges Ende gefunden hat. Tatsächlich geht es dabei nur vordergründig um Geld und Arbeitszeit und Überstunden, also das übliche Programm im Tarifgeschäft. Die GDL verstand ihren Kampf der vergangenen Monate als Existenzkampf. Wenn die Bahn nicht einen Tarifvertrag mit ihr für alle GDL-Mitglieder abschließt, dann würde sie überflüssig werden.

Die Bahn wiederum steckte und steckt in einem Dilemma, das teuer werden kann. Sie verhandelt auf der einen Seite mit der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG, die deutlich mehr Mitglieder hat als die GDL, und will am Ende aber keine unterschiedlichen Tarife. Wenn der zur GDL gehörende Lokführer mehr verdient als der EVG-Lokführer, dann versaut das die Stimmung in der Belegschaft. Und die Bahn nimmt Schaden, denn bei den nächsten Tarifverhandlungen versucht natürlich die EVG, besser abzuschließen als die GDL.

Was passiert, wenn der erste Tarifvertrag ausläuft?

Eine unselige Dynamik entsteht. Mit Hilfe der Schlichter hat Personalchef Weber dieses Problem gelöst, die Gehaltserhöhung ist identisch und die von der GDL durchgesetzte Arbeitszeitverkürzung wird Weber nun auch der EVG gewähren müssen. So weit, so gut. Und in Zukunft? Was machen Weselsky und Weber im Herbst nächsten Jahres, wenn der erste Tarifvertrag ausläuft?

Immerhin haben die Schlichter jetzt auch ein Schlichtungsverfahren vereinbart, das beide Seiten bis 2020 verpflichtet, vor einem Arbeitskampf die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Wenn dabei aber nichts rauskommt, darf die GDL wieder streiken. Das muss auch so sein, weil eine Gewerkschaft ohne Streikrecht ein toter Haufen ist. Aber das Maß muss stimmen. Und die Verhältnismäßigkeit. Daran hatte man in den letzten Monaten Zweifel, weil es im Kern eben nicht um Geld und Arbeitszeit ging, sondern um Macht. Der Streik der GDL richtete sich nicht nur gegen die Führung der Bahn, sondern auch gegen die andere Bahngewerkschaft EVG. Klassenkampf in einer Klasse. Absurd.

Vertrauen ist aber die Grundlage des Tarifgeschäfts

Ramelow und sein Kollege Matthias Platzeck wünschen sich, dass bei der Bahn nun Sozialpartnerschaft entsteht und vielleicht sogar eine Tarifgemeinschaft aus GDL und EVG. Allein, es fehlt der Glaube. Denn es ist viel kaputtgegangen in den letzten Monaten, vor allem Vertrauen. Vertrauen ist aber die Grundlage des Tarifgeschäfts. Vertrauen entsteht, wenn die Beteiligten nicht vergessen, dass sie alle im gleichen Unternehmen arbeiten und von diesem Unternehmen beziehungsweise den Kunden des Unternehmens leben. Verteilungskonflikte gehören dazu. Aber wer den Konflikt vom Zaun bricht, der sollte auch wissen, wie er ihn gelöst bekommt. Weselsky und Weber waren dazu nicht in der Lage. Und in der Zukunft? Die Bahn ist gut beraten, die GDL als eigenständigen Tarifpartner zu akzeptieren. Trotz des neuen Gesetzes über die Tarifeinheit, das Berufsgewerkschaften künftig an die Kette legt.

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