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Bislang ist der Anteil der Frauen in Vorständen noch immer gering.

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Schwer einnehmbare Männerbastionen: Wie bringt man mehr Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte?

Trotz Quote sind Aufsichtsräte und Vorstände noch immer überwiegend mit Männern besetzt. Die Politik will das ändern. Nur wie – das ist umstritten.

Von Carla Neuhaus

Ein Mann hätte die Nachricht vermutlich herausposaunt. Elisabeth Winkelmeier-Becker erzählt es ganz nebenbei: Die Deutsche Bahn wird mit ihr bald wohl eine weitere Frau im Aufsichtsrat haben. Dabei ist das ein großer Erfolg für Winkelmeier-Becker, die seit November parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium ist. Mit Ursula von der Leyen war sie schließlich vor Jahren eine der ersten in der CDU, die sich für eine Frauenquote in Aufsichtsräten stark gemacht hat.

Heute sind 105 der größten Unternehmen in Deutschland verpflichtet, frei werdende Posten im Kontrollgremium mit Frauen zu besetzen, bis sie mindestens einen Anteil von 30 Prozent erreicht haben.

Die Deutsche Bahn fällt zwar nicht unter diese Quote, steht als Staatskonzern aber im Fokus. „Bundesunternehmen haben ebenso eine Vorbildfunktion wie der öffentliche Dienst“, sagt Winkelmeier-Becker.

Vorgeschlagen für den Posten im Bahn-Aufsichtsrat hat sie ihr Chef, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). In seinem Haus ist man optimistisch, dass man auf diese Weise unter den Bundesvertretern im Kontrollgremium auf eine paritätische Besetzung kommt – also hälftig Männer und Frauen.

Ein solch ausgeglichenes Verhältnis erreichen bislang noch die wenigsten Unternehmen im Aufsichtsrat. Auch wenn der Anteil der Frauen in den letzten Jahren zugenommen hat, machen sie in den Kontrollgremien der 200 größten Firmen noch immer weniger als 30 Prozent aus.

Elisabeth Winkelmeier-Becker ist seit November parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Elisabeth Winkelmeier-Becker ist seit November parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.

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Winkelmeier-Becker ist überzeugt, dass sich das ändern lässt. „Unternehmen haben keine Schwierigkeiten Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen“, meint sie. Tatsächlich ist es seit Einführung der Frauenquote bislang nur einmal vorgekommen, dass ein Aufsichtsratsposten unbesetzt geblieben ist, weil das Unternehmen keine Frau gefunden hat: Beim Porzellanhersteller Villeroy und Boch blieb 2018 ein Stuhl im Kontrollgremium für drei Monate leer – bis vom Gericht eine Frau bestellt worden ist. Denn in einem solchen Fall einen Mann auf den Posten zu setzen, untersagt das Gesetz.

Wirkt die Quote?

Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Frauenquote für Aufsichtsräte deshalb für wirksam. Schließlich falle es negativ auf ein Unternehmen zurück, wenn es zugeben muss, keine Frau für sein Kontrollgremium zu finden.

Inzwischen haben womöglich auch deshalb fast 88 Prozent der Unternehmen, die unter die Quote fallen, ein Drittel ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt. Dass noch nicht alle Firmen die Vorgaben erfüllen, liegt schlicht daran, dass bisherige Mitglieder erst nach und nach ausscheiden. „Aus Sicht der Gleichstellungspolitik wäre es deshalb sinnvoll die Quote auszuweiten“, meint Wrohlich.

Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Frauenquote für Aufsichtsräte für wirksam.
Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Frauenquote für Aufsichtsräte für wirksam.

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Winkelmeier-Becker stimmt ihr zu. Sie sagt: „Ich kann der Idee durchaus etwas abgewinnen, die Frauenquote für Aufsichtsräte auf mehr Unternehmen auszuweiten.“ Die CDU-Politikerin stärkt damit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) den Rücken, die eben das vorgeschlagen hat: Sie will die Quote für Aufsichtsräte auch für Firmen einführen, die paritätisch bestimmt, aber nicht börsennotiert sind.

Sollte es auch für Vorstände eine Quote geben?

Sehr viel umstrittener ist derweil ein anderer Vorschlag von Giffey. Denn die Familienministerin will auch an die Vorstände ran. In denen fällt der Anteil von Frauen noch immer sehr viel geringer aus als in Aufsichtsräten. Laut DIW sind von 907 Vorstandsposten in Deutschland derzeit nur 94 mit Frauen besetzt. Giffey will deshalb Unternehmen zwingen, mindestens eine Frau in den Vorstand zu berufen, sobald in dem obersten Führungsgremium mehr als drei Personen sitzen.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will mehr Frauen in Vorstände bringen.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) will mehr Frauen in Vorstände bringen.

© dpa

Das lehnen jedoch selbst Vorkämpferinnen wie Winkelmeier-Becker ab. „Da bewegen wir uns auf dünnem Eis“, sagt sie. „Wenn Politik in den operativen Bereich eingreifen will, sind die Hürden höher. Wir sollten schauen, was verfassungsrechtlich möglich ist.“

Als die Bundesregierung die Quote eingeführt hat, setzte sie darauf, dass stärker weiblich besetzte Aufsichtsräte automatisch auch mehr Frauen in die Vorstände berufen. Das passiert bislang jedoch nur auf einem sehr niedrigen Niveau.

Bei Konzernen, die die Quote im Aufsichtsrat erfüllen müssen, ist seit ihrer Einführung der Anteil der Frauen in Vorständen von acht auf 12,3 Prozent gestiegen. Bei anderen Unternehmen liegt der Frauenanteil hingegen weiterhin bei neun Prozent. DIW-Expertin Wrohlich meint jedoch, womöglich müsste man den Unternehmen schlicht noch etwas Zeit geben.

Manche Firmen haben noch immer das Ziel: null Prozent Frauen

Dabei zeigt die Erfahrung, dass Unternehmen von sich aus nur sehr zögerlich handeln. Gut 1700 Firmen sind seit Einführung der Frauenquote verpflichtet, sich eine Zielgröße für den Anteil von Vorständinnen zu geben – viele legen diese jedoch einfach bei null Prozent fest: Von 160 Unternehmen, die die Albright Stiftung im vergangenen Jahr untersucht hat, gaben 56 das Ziel aus, keine Frauen in ihr oberstes Führungsgremium holen zu wollen.

„Das ist ein sehr enttäuschendes Ergebnis“, sagt Winkelmeier-Becker. „Dafür habe ich kein Verständnis.“ Die Staatssekretärin setzt darauf, dass der öffentliche Druck wirkt. „Die Unternehmen müssen sich mit einer Quote von null Prozent der Öffentlichkeit stellen. Das sollte sie motivieren, sich zu verbessern.“

Perspektive von Zalando: Null Prozent Frauen

Ein Fall, in dem das bereits Wirkung gezeigt hat, ist Zalando. Das Unternehmen ist im vergangenen Jahr in die Kritik geraten – nicht nur, weil der Vorstand aus fünf Männern besteht, sondern auch weil es sich auch perspektivisch das Ziel „null Prozent Frauen im Vorstand“ gegeben haben.

Noch ist der Zalando-Vorstand rein mit Männern besetzt - doch das soll sich ändern.
Noch ist der Zalando-Vorstand rein mit Männern besetzt - doch das soll sich ändern.

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Inzwischen hat Zalando dem Druck nachgegeben. Bis Ende 2023 will der Onlinemodehändler nun auf den obersten sechs Führungsebenen – inklusive Vorstand und Aufsichtsrat – ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern erreichen.

Wie das gelingen kann? Winkelmeier-Becker meint: „Unternehmen sollten stärker darauf achten, ob das Ergebnis der Arbeit stimmt, statt rein auf Anwesenheit in der Firma zu schauen.“

„Viele Frauen haben ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft“

Eine ungenutzte Reserve sieht sie zudem bei Frauen, die ihre Ausbildung für die Kindererziehung unterbrochen haben. „Hier brauchen wir noch sehr viel mehr Möglichkeiten, damit Frauen sich im Laufe der Karriere weiterbilden können, sei es durch eine zusätzliche Ausbildung oder ein aufstockendes Studium.“ Bislang konzentriere sich Deutschland zu stark rein auf die Erstausbildung. „Viele Frauen haben ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft“, sagt Winkelmeier-Becker.

In ihrem eigenen Haus, dem Bundeswirtschaftsministerium, sind derzeit unter sechs Staatssekretären zwei Frauen, unter den Abteilungsleitern sind drei von zehn weiblich.

Der Druck zur Veränderung kommt dabei durchaus auch von innen. Vor zwei Jahren haben 180 Mitarbeiterinnen einen Protestbrief an Altmaier geschrieben, weil sie unzufrieden waren mit dem geringen Anteil an weiblicher Führungskräften im Haus. Winkelmeier-Becker will das ändern. Sie sagt: „Es ist realistisch, dass im Haus spätestens in fünf Jahren die Hälfte der Führungspositionen mit Frauen besetzt ist.“

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