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Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck beraten bei einer Kabinettssitzung in Berlin.

© Michael Kappeler/POOL via REUTERS

Update

Schwächelnde deutsche Wirtschaft: Bundesregierung senkt Wachstumsprognose auf 2,2 Prozent

Das deutsche BIP wird 2022 wohl weniger wachsen als erwartet. Minister Habeck erklärt die Wichtigkeit einer stabilen Wirtschaft mit pathetischen Worten.

Es wirkte, als wolle sich Robert Habeck erklären. Er hat es der grünen Wählerschaft in den vergangenen Monaten nicht immer leicht gemacht. Erst forderte er schon weit vor dem Ausbruch des Krieges Waffenlieferungen an die Ukraine. Nun hält er als Wirtschaftsminister am fossilen Energieträger Gas fest und importiert es sogar aus Staaten, deren Rechtsstaatlichkeit mehr als fraglich ist. Und überhaupt stellt er sich mit Milliardenhilfen schützend vor Konzerne, die in Teilen seiner Parteie eher als Feindbild denn als Förderobjekt taugen.

Doch mit seinem letzten Satz bei der Vorstellung der Frühjahrsprognose der Bundesregierung stellte er klar, warum er das tut. „Ich rede immer von der Wirtschaft“, sagte er. „Da stellt man sich abstrakte Unternehmensbilanzen vor. Aber dahinter stehen ja Menschen und Arbeitnehmer, die damit ihre Familien ernähren.“ Und die Ergebnisse derer Arbeit seien nicht Luxus oder Schickschnack, sondern das, was man zum Leben braucht.

„Die Wirtschaft – das ist das, was unser Land braucht, um unser Land zu sein“, schloss er etwas pathetisch. Auch Selbstverständliches muss man als Wirtschaftsminister manchmal erklären.

Inflation von 6,1 Prozent erwartet

Vor allem in so unsicheren Zeiten, wie er mehrmals betonte. Wie erwartet senkte die Bundesregierung ihre Konjunkturerwartung. Das Wachstum werde 2022 nur noch 2,2 Prozent betragen. Das sind 1,4 Prozentpunkte weniger als im Januar im Jahreswirtschaftsbericht angenommen. Für 2023 rechnet die Regierung nun mit einem Wachstum von 2,5 Prozent. „Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kommt durch den Krieg Russlands eine neue Belastung hinzu“, kommentierte Habeck. „Der Krieg gegen die Ukraine und seine wirtschaftlichen Auswirkungen erinnern uns daran, dass wir verwundbar sind.“

Auch die Teuerungsraten werden im Jahresverlauf nach Einschätzung der Bundesregierung hoch bleiben. Die Bundesregierung rechnet nun für 2022 mit einer Inflationsrate von 6,1 Prozent. „Solche Raten wurden bislang nur zu Zeiten der Öl-Krise oder kurz nach der Wiedervereinigung beobachtet“, so das Wirtschaftsministerium. Für 2023 geht die Regierung von einer Teuerung von 2,8 Prozent aus. Die Schätzung von Ende Januar für 2022 wurde damit um satte 2,8 Prozentpunkte erhöht, die Prognose für 2023 noch um 0,8 Punkte angehoben.

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„Dass wir überhaupt noch Wachstum haben, liegt an drei Dingen“, erklärte Habeck: Erstens an der Erholung nach der Pandemie mit der Öffnung von weiten Teilen des Dienstleistungsbereich. Zweitens am Auftragsüberhang in der Industrie. Und drittens wegen angesparten Privatvermögens.

Doch hier schränkte er ein: „Die Unsicherheit führt dazu, dass Kaufentscheidungen zurückgestellt werden, obwohl Geld da wäre.“ Die Inflation führe wiederum dazu, dass vorhandenes Geld entwertet wird. Am Ende würde das für viele Familien bedeuten, dass man sich die Hose für die Kinder oder den Kinobesuch nicht mehr leisten könne. „Das ist die Konsequenz dieser Zahlen“, so Habeck.

Verbraucher halten sich mit Einkäufen zurück

Dass er mit dieser Einschätzung richtig liegen dürfte, zeigte auch der GfK-Konsumklimaindex, der am Mittwoch vorgestellt wurde. Demnach drücken der Ukraine-Krieg und die hohen Preise die Verbraucherlaune in Deutschland auf ein Rekordtief. Damit droht der private Konsum als wichtige Stütze für die Erholung der Konjunktur vorerst auszufallen. Das Barometer der Nürnberger GfK-Marktforscher signalisiert für Mai einen Einbruch und fällt um 10,8 Zähler auf minus 26,5 Punkte.

Damit wurde das Rekordtief vom Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 noch deutlich unterboten. GfK-Fachmann Rolf Bürkl sprach von einem „schweren Schlag“ für die Verbraucher, deren Kaufkraft durch die hohe Inflation dahinschmelze. „Gestiegene Preise von Alltagsgütern üben einen beständigen Druck auf Portemonnaies aus“, betonte auch Chefökonom Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Für den Konsum sieht es für das laufende Quartal schon jetzt sehr düster aus.“

Industrie hält schlechtere Entwicklung für möglich

Auch in der Industrie hält man es für möglich, dass die Prognose der Bundesregierung noch zu optimistisch ausfällt. „Der russische Angriff auf die Ukraine und seine Folgen haben die Hoffnung auf spürbare Erholung in vielen Teilen der Wirtschaft zunichte gemacht“, sagte Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Mit der aktuellen Regierungsprognose würde Deutschland am Jahresende gerade so die Wirtschaftskraft des Jahres 2019 erreichen. „Gemessen an dem, was man aus heutiger Sicht auch für realistisch halten kann, wäre das ein wirklich gutes Ergebnis.“ Auch die harten Lockdowns in China seien eine ernste Bedrohung für die deutsche Wirtschaft. Die geplanten Hilfen für die Konzerne sollen laut Habeck schon ab der nächsten Woche beantragbar sein. Das beinhalte auch die Hilfskredite der staatlichen Förderbank KfW.

Am Ende wurde der Wirtschaftsminister dann noch einmal ganz der Grüne. Hauptschuldig für die Inflation seien die fossilen Energien, betonte Habeck mehrmals. Die Antwort könne nur der schnelle Umstieg auf Erneuerbare Energien sein. Als ein Weg aus der Krise verwies er in diesem Zusammenhang auf die geplanten Großinvestitionen in Klimaschutz und Digitalisierung. Damit dürfte er dann auch seine grünen Wähler wieder abgeholt haben.

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