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Der Riese kämpft um seine Zukunft: Wird die Übernahme von Monsanto am Ende ein Erfolg sein?

© AFP

US-Anwälte suchen nach Glyphosat-Opfern: Schon 42.700 Menschen klagen gegen Bayer

Bayer-Chef Werner Baumann will „wirtschaftlich sinnvollen“ Vergleich und bekräftigt seine Geschäftsziele. Der Stellenabbau läuft.

Für US-Schadensersatzanwälte ist Bayer derzeit eines der beliebtesten Ziele. Der deutsche Konzern, der im vergangenen Jahr den US-Saatgut- und -Pestizidhersteller Monsanto übernommen hatte, sieht sich einer wahren Prozesslawine wegen des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat gegenüber. Bis Mitte Oktober ist die Zahl der Schadensersatzklagen auf 42.700 angestiegen, teilte Bayer-Chef Werner Baumann am Mittwoch bei Vorstellung der Quartalszahlen mit. Im Juli waren es noch rund 18.400 Fälle gewesen.

Anwälte suchen im Fernsehen nach Glyphosat-Opfern

Bayer macht die aggressive Werbung von Anwälten für die Klagewelle verantwortlich. Sie suchen nach Menschen, die glauben, dass sie durch das von Monsanto hergestellte Glyphosat Krebs bekommen haben. Die Suche nach Opfern läuft vor allem über das Fernsehen. Glaubt man Bayer, hat die Klägerseite ihre Ausgaben für Fernsehwerbung im dritten Quartal schätzungsweise verdoppelt – im Vergleich zur gesamten ersten Hälfte dieses Jahres.

Die Prozesslawine erhöht den Druck auf Bayer, eine außergerichtliche Einigung zu finden. Seit Monaten laufen entsprechende Gespräche, die von dem US-Staranwalt Ken Feinberg moderiert werden. Alle neuen Prozesse, die in diesem Jahr beginnen sollten, sind mit Blick auf die Verhandlungen auf das nächste Jahr verschoben. Auch ein erstes Berufungsurteil wird es wohl erst im nächsten Jahr geben, sagte Baumann.

Umstrittener Unkrautkiller: Verursacht Glyphosat Krebs? Die ersten US-Urteile gehen in diese Richtung, Bayer sagt nein.
Umstrittener Unkrautkiller: Verursacht Glyphosat Krebs? Die ersten US-Urteile gehen in diese Richtung, Bayer sagt nein.

© REUTERS

Erste Prozesse wurden verloren

Bayer hatte die ersten drei Prozesse in den USA verloren und war von den Geschworenenjurys zu hohen Schadensersatzsummen verurteilt worden, die von den Richtern allerdings anschließend deutlich reduziert worden sind. Die Klägeranwälte berufen sich auf die Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation IARC, wonach Glyphosat „wahrscheinlich“ krebserregend ist.

Bayer geht in allen Fällen in die Berufung und hofft auf Freisprüche. Die Deutschen stützen sich dabei auf die wissenschaftliche Bewertung der Zulassungsbehörden in aller Welt, die der WHO widersprechen und davon ausgehen, dass Glyphosat bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keinen Krebs erzeugt.

Unter Druck: Konzernchef Werner Baumann steht unter der Beobachtung der Aktionäre.
Unter Druck: Konzernchef Werner Baumann steht unter der Beobachtung der Aktionäre.

© REUTERS

Der Streit um Glyphosat setzt die Bayer-Führung unter Druck. Nach heftigen Kursverlusten hatten die Aktionäre Bayer-Chef Baumann auf der Hauptversammlung im April die Entlastung verweigert. Zu den Inhalten der Vergleichsverhandlungen wollte sich Baumann am Mittwoch nicht äußern, und zwar weder zur zeitlichen Planung noch zu inhaltlichen Überlegungen.

Es sei aber klar, dass Bayer nur einem Mediationsergebnis zustimmen werde, „das wirtschaftlich sinnvoll und so strukturiert ist, dass es den Verfahrenskomplex zu einem vernünftigen Abschluss bringt“, betonte der Konzernchef. Das dürfte heißen: Zumindest alle bislang eingereichten Klagen müssten per Vergleich erledigt werden, besser noch auch alle zukünftigen Fälle. Analysten rechnen mit einem Vergleichsrahmen von fünf bis 20 Milliarden Euro.

Die teuerste Übernahme aller Zeiten

Mit 63 Milliarden Dollar war der Kauf von Monsanto die teuerste Übernahme, die je ein deutsches Unternehmen gemacht hat. Hinter dem Deal steht ein Strategiewechsel der Leverkusener. Bayer will sich künftig auf das Agrar- und das Pharmageschäft konzentrieren und trennt sich von anderen Geschäftsbereichen.

Die Tiergesundheitssparte verkauft der Konzern für 7,6 Milliarden Dollar an Elanco Animal Health, die Beteiligung am Standortdienstleister Currenta wird abgestoßen, die Fußpflegemarke Dr. Scholl's geht an Yellow Wood Partners und die Sonnenschutzmarke Coppertone ist bereits von Beiersdorf übernommen worden. Die Einnahmen sollen dazu dienen, die Schulden des Konzerns zu senken. Derzeit liegt die Nettofinanzverschuldung bei 37,8 Milliarden Euro.

12.000 Stellen werden gestrichen

Den Umbau des Konzerns bekommen auch die Beschäftigten zu spüren. Bis Ende 2021 will Bayer weltweit 12.000 Stellen streichen, davon 4500 in Deutschland. In diesem Jahr sind bereits weltweit 3200 Arbeitsplätze abgebaut worden, in Deutschland 450. Derzeit arbeiten noch 25.000 Menschen für Bayer im Inland, davon 5200 in Berlin.

Viele Berliner sind in der Pharmaforschung tätig. Auch in diesem Bereich soll es Stellenkürzungen geben. Weltweit sollen in der Pharmaforschung in den nächsten Jahren 900 Stellen verschwinden, davon 750 in Deutschland. Betroffen wäre neben Berlin der Standort Wuppertal.

Einst Schering, jetzt Bayer: In Berlin arbeiten 5200 Menschen für Bayer.
Einst Schering, jetzt Bayer: In Berlin arbeiten 5200 Menschen für Bayer.

© Kai-Uwe Heinrich

Für 2019 bekräftigte Bayer seine Jahresziele. Baumann rechnet weiter mit einem währungsbereinigten Umsatzplus von etwa vier Prozent auf rund 43,5 Milliarden Euro, das bereinigte Ergebnis soll sich auf etwa 11,5 Milliarden belaufen. Darin hat Bayer nun den Verkauf seines Tiergesundheitsgeschäfts und seiner Anteile am Chemieparkbetreiber Currenta berücksichtigt. Im dritten Quartal ging das Konzernergebnis zwar um 63,9 Prozent auf 1,036 Milliarden Euro zurück, allerdings liegt das an Sondereffekten.

In das Vorjahresquartal waren Einnahmen von 3,9 Milliarden Euro aus den Portfolio-Verkäufen an BASF geflossen. Der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) erhöhte sich im dritten Quartal dagegen um 7,5 Prozent auf 2,29 Milliarden Euro. Dabei profitierte der Konzern vor allem von Zuwächsen im Agrarbereich und der Erholung im Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten. Der Umsatz stieg um rund sechs Prozent auf 9,83 Milliarden, währungsbereinigt war das ein Plus von gut fünf Prozent. Die Zahlen sorgten für gute Laune an der Börse. Die Bayer-Aktie gehörte am Mittwoch zu den Tagesgewinnern im Dax.

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