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Beim anderen abzugucken, ist Alltag in der Unternehmenswelt.

© Getty Images

Schamlos kopiert: Das Geschäft mit dem Ideenklau

Lassen Gründer ihre Idee nicht schützen, können sie viel verlieren. Der Schaden durch Produktpiraterie geht hierzulande in die Milliarden.

Von Laurin Meyer

Die Idee von Sebastian Marcu ist etwas abgehoben: Der Gründer von „Bake in Space“ hat einen neuartigen Ofen entwickelt, mit dem sich Astronauten und Weltraumtouristen schon bald ihr eigenes Brot im Weltraum backen sollen – und zwar krümelfrei. So verrückt es auch klingen mag: In der Branche kam die Idee an. Und zwar so gut, dass sich ein ausländischer Investor interessiert zeigte, mit „Bake in Space“ zusammenzuarbeiten. Marcu schickte seine Skizzen an das US-Raumfahrtunternehmen und zeigte der Firma ein detailliertes 3D-Modell seines Ofens samt Ausstattung.

Ein Geschäft kam jedoch nie zustande. Der Grund: Das Unternehmen hat die Idee kurzerhand selbst umgesetzt, also kopiert. Aus dem deutschen Brot wurden amerikanische Kekse. „Cookies in Space“ nennt die Firma ihr Projekt, mit dem sie Gebäck im Weltraum herstellen will – und zwar mithilfe des krümelfreien Ofens. „Es ist eins zu eins die gleiche Form“, klagt Marcu. Und auch einige Funktionen hätten die Amerikaner übernommen. Das Geld, das sich der Gründer eigentlich von der US-Spacefirma erhofft hatte, fließt jetzt von der Hotelgruppe Hilton zu der US-Firma.

Ein Fall von illegaler Produktpiraterie dürfte das zwar nicht sein. Schließlich hat sich Marcu die Idee nicht schützen lassen. Dennoch fühle es sich an wie ein dreister Diebstahl. „Man kriegt das Gefühl, einen reingewürgt zu bekommen“, sagt Marcu.

Start-up-Berater sehen in den Erfahrungen des „Bake in Space“-Gründers einen Extremfall. Es komme aber durchaus vor, dass Unternehmen einen Kooperationswillen vortäuschen und dann abkupfern, erklärt Stefan Schreiber, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei der Berliner Kanzlei CMS. „Ein Start-up hält sich oft für klein und guckt zum potenziellen Investor auf.“ Es sollte dabei aber nicht den Stolz auf die eigene Idee verlieren, mahnt der Rechtsanwalt. Für Gründer gebe es immerhin verschiedene Möglichkeiten, sich vor Ideenklau zu schützen. Marken und Produktdesigns lassen sich in den Registern verschiedener Ämter eintragen, technische Innovationen können sich Firmen patentieren lassen.

Doch das scheint keinesfalls die Regel zu sein. Wie eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, besitzt nur etwa jedes zehnte deutsche Unternehmen ein eigenes Patent. Eine eigene Marke hat sich gerade einmal ein Drittel schützen lassen. „Bei allen Schutzrechten gilt es, sich so früh wie möglich zu kümmern“, sagt Schreiber. Denn bei den Behörden heißt es: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Gründer sollten ihr Konzept also schützen, bevor sie ihre Idee öffentlich machen – etwa auf Veranstaltungen oder auf Crowdfunding-Plattformen. Was einfach klingt, kann für Anfänger zur Crux werden. Schließlich fehlt ihnen gerade am Anfang des Geschäfts oft Geld – eben auch für Schutzmaßnahmen. Wie also bei Investoren werben, ohne die Idee zu verraten?

Wer beharrlich ist, kann überzeugen

Die Lösung könnte ein sogenanntes „Non-Disclosure-Agreement“, kurz NDA, sein, erklärt Schreiber. Damit verpflichten sich potenzielle Partner, die Idee nicht zu verraten oder selbst gewerblich zu nutzen. Drei Seiten Papier können da schon reichen. „Ein NDA ist nichts, was den potenziellen Investor abschreckt“, sagt Schreiber. Im Gegenteil: Es könnte dem Partner sogar signalisieren, dass die eigene Idee wirklich innovativ ist. Der Rechtsanwalt weiß aber auch: „Der Kostenfaktor für Start-ups ist ein gewichtiger Punkt.“

Für den Schutz einer Marke oder eines Designs müssen Gründer in der Regel mit einem dreistelligen Betrag rechnen – inklusive Eintragungsgebühr und Beratung. Wer ein Patent beantragen will, muss tiefer in die Tasche greifen. So kann der Schutz einer technischen Neuerung in gleich mehreren Ländern schnell im fünfstelligen Bereich enden. „Ein Start- up würde sich das jedenfalls in der frühen Phase ohne Investor nicht leisten können“, sagt Schreiber. „Das ist etwas für Weltkonzerne.“ Gründer könnten aber in Deutschland beginnen, um sich dann mit dem Geld eines Investors die Rechte in anderen Märkten zu sichern, so sein Rat.

Branche beklagt zu wenig Geld

Dass deutsche Start-ups aber von Beginn an jenseits von Europa nach Investoren suchen müssen, führen Gründer wie Marcu auf das schwierige Umfeld zurück. Es gebe zu wenig Fördermittel, und Investoren scheuten hierzulande zu oft das Risiko. Das gelte vor allem für kapitalintensive Branchen wie die Luft- und Raumfahrt. Um seinen Backofen zum Fliegen zu bringen, hätte Marcu knapp eine Million Euro benötigt.

Auch der Bundesverband Deutsche Startups wäre hierzulande gern weiter. „In Deutschland gibt es diese guten Ideen“, sagt der stellvertretende Verbandsvorsitzende Sascha Schubert. „Im Bereich Kapital sind wir, trotz einiger Fortschritte aber immer noch nicht wettbewerbsfähig.“ Zwar gehöre das Aufgreifen fremder Ideen zum Alltag. „Wirklich kritisch wird es jedoch, wenn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geschäftssensible Informationen erlangt werden“, sagt Schubert.

Produktpiraterie kostet Milliarden

Wie viele deutsche Start-ups auf diesem Wege ihre Idee an einen schamlosen Nachahmer aus dem Ausland verloren haben, lässt sich kaum beziffern. Nicht immer ist ein ähnliches Produkt eine Kopie, zwei Unternehmen könnten auch zeitgleich an derselben Idee gearbeitet haben. Zufall also. Der Klau von bereits geschützten Ideen lässt sich jedoch belegen – und scheint ein großes Geschäft zu sein. Allein der deutschen Wirtschaft kostet sogenannte Produkt- und Markenpiraterie im Jahr rund 55 Milliarden Euro. Das geht aus einem aktuellen Kurzgutachten des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervor. Fast jedes zehnte deutsche Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern war in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal betroffen.

Wie es für sein Start-up weitergeht, weiß Sebastian Marcu noch nicht. Der Gründer von „Bake in Space“ will zunächst abwarten, wie sich der neue US- Konkurrent am Markt entwickelt. Und vor allem will er schauen, ob er sich doch noch juristisch gegen die Kopie seines Ofens wehren kann. Erste Lehren hat Marcu aber bereits gezogen: „Ich würde mir genau überlegen, nochmal etwas in Europa zu starten“, sagt der Gründer. Die Hürden seien einfach zu groß. Was ihm sicher bleibt, ist die Gewissheit: Die Idee war gut.

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