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Schon vor der Coronakrise thematisierte der Pharmakonzern Sanofi die weltweit ungleiche Förderungspolitik.

© REUTERS

Impfstoff zuerst für die USA?: Sanofi spricht von Missverständnis

Wollte der Pharmakonzern Sanofi einen Impfstoff zuerst für die USA herstellen? Die Drohung des Pharmakonzerns zeigte Wirkung.

Wie verführbar ist die Pharmaindustrie? Diese Frage stellte sich zuletzt, nachdem es hieß, der französische Pharmakonzern Sanofi wolle einen potentiellen SARS-CoV-2-Impfstoff zuerst den USA zur Verfügung stellen. Schließlich hätten die Amerikaner als erstes in die Forschung investiert.

Miriam Henn, Sprecherin von Sanofi Deutschland, sprach am Donnerstag von „einem Missverständnis“. Sanofi werde einen potentiellen Covid-19-Impfstoff allen Bürgern zur Verfügung stellen, teilte sie dem Tagesspiegel mit. Der CEO habe lediglich über die unterschiedlichen Förderpolitiken gesprochen, die gewisse Standortvorteile nach sich ziehen würden, sagte sie. Dazu zähle offenbar der zeitliche Vorsprung der Amerikaner bei der Belieferung auf „Tage oder Wochen“, wie Sanofi-Chef Paul Hudson erklärte.

Am Mittwoch zitierte die US-Finanznachrichtenagentur Bloomberg Hudson, dass die US-Regierung „das Recht für die größte Vorausbestellung“ habe und verwies auf Subventionen durch die amerikanische Behörde für biomedizinische Forschung und Entwicklung (Barda).

Sanofi soll innerhalb der jüngsten Vereinbarung 30 Millionen Dollar erhalten haben. „Die Zusammenarbeit, die wir mit Barda in den USA haben, ermöglicht es uns, die Produktion zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt aufzunehmen, schon während Entwicklung und Registrierung des Impfstoffs laufen“, so das Unternehmen. Förderungen durch Barda sind an gewisse Bedingungen gekoppelt – Entwicklung, Produktion und zumindest Teile des Verkaufs müssen in den USA stattfinden.

Schon vor der Coronakrise thematisierte Sanofi die weltweit ungleiche Förderungspolitik und verwies auf mögliche negative Folgen für Europa. Dessen Vizepräsident David Loew sagte dem Tagesspiegel im November, dass es in China und den USA deutliche Standortvorteile gebe.

Weit oben auf der Agenda

„Europa muss sich die Frage stellen, wie man Ressourcen auf strategisch wichtigen Gebieten sichert“, so Loew. „Eine Fabrik für einen Grippeimpfstoff kostet 300 Millionen Euro und dauert sechs Jahre“, so Loew. „Das investiert man nur, wenn man sicher sein kann, dass Geld später wieder reinzubekommen.“

Ende letzten Jahres war es für das Bundesgesundheitsministerium noch schwer vorstellbar, Ansiedlungen von Pharmaunternehmen finanziell zu fördern. „Dass wir die Produktion zurück nach Europa holen müssen, ist klar. Und das wollen wir auch anreizen“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der vergangenen Woche.

Das Thema gehöre weit nach oben auf die politische Agenda während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahres. „Wir müssen neue Wege gehen, wenn es darum geht, einerseits einen Impfstoff zu entwickeln, andererseits aber auch schon die Produktion dieses Impfstoffs vorzubereiten“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der letzten Videokonferenz der Weltgesundheitsorganisation.

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Anfang Mai fand die Covid-19-Finanzierungskonferenz statt, die von der Europäischen Kommission ausgerichtet und von Deutschland mitveranstaltet wurde. Die Bundesrepublik versprach insgesamt 525 Millionen Euro und sicherte zusätzlich 100 Millionen Euro für die Impfallianz Gavi im Kampf gegen Corona zu.

759 Millionen für Sonderprogramm

Am Montag verkündete das Forschungsministerium (BMBF), die Suche nach einem Impfstoff gegen SARS-CoV-2 noch intensiver zu unterstützen. 750 Millionen Euro werden dazu in das Sonderprogramm zur Impfstoffentwicklung und -herstellung fließen. Zwei Drittel der Fördersumme stehe für Studien bereit, ein Drittel solle in den Aufbau der Produktionskapazitäten fließen.

Sanofi erkenne all diese Bemühungen an, so dessen Deutschland-Sprecherin Henn. Es ermutige, „dass die EU-Kommission in den letzten Wochen zu ähnlichen Maßnahmen mobilisiert, die sowohl die Entwicklung von Impfstoffen als auch deren Zugang für die Bevölkerung in Europa beschleunigen könnten.“

Derzeit führe man sehr konstruktive Gespräche mit den EU-Institutionen sowie der französischen und deutschen Regierung. „Die Sicherstellung einer weltweiten Verteilung von Impfstoffen zu fairen Preisen und die Gewährleistung der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger des eigenen Landes sind keine Gegensätze“, sagte BMBF-Sprecherin Svenja Jambo am Mittwoch. Beide Ansätze müssten jedoch gleichermaßen verfolgt werden, denn die Pandemie lasse sich nur in einem internationalen Zusammenwirken unter Kontrolle bringen.

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