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BMW i8. Ab Juni steht der 362-PS-starke Plug-in-Hybrid bei den Händlern - zum Basispreis von rund 130.000 Euro.

© BMW

BMW und seine i-Klasse: Revolution mit Flügeltüren

BMW präsentiert in Kalifornien seinen neuen Elektrosportwagen i8 – eine Investition mit hohem Risiko.

Wer auf der Ocean Avenue in Santa Monica auffallen will, muss sich etwas einfallen lassen. Auf der sechsspurigen Straße direkt am Pazifik, über die man Los Angeles nach Norden verlässt, drängen sich die Sportwagen aller Hersteller. In der teuersten Ecke Kaliforniens zeigt man, was man in der Garage hat. In einer halben Stunde begegnen einem hier zum Beispiel mehr als ein Dutzend Teslas. Doch ein Auto stiehlt in diesen Tagen nicht nur dem kalifornischen Elektro-Shootingstar die Show: der i8 von BMW, der neue Hybrid-Sportler mit Flügeltüren und Laserlicht aus Deutschland.

BMW präsentiert seinen ersten an der Steckdose aufladbaren Plug-in-Hybrid der Öffentlichkeit in einer Weltgegend, in der die Sonne immer zu scheinen scheint – und wo eine Menge Menschen leben, die die nötigen 130 000 Euro (Basisausstattung) für den sportlichen i8 locker bezahlen können. Kalifornien ist aber auch der US-Bundesstaat, in dem weltweit Standards gesetzt werden für die Elektromobilität – obwohl der Liter Benzin hier nur gut 70 Euro-Cent kostet. 70 000 Elektroautos sind im Golden State auf der Straße unterwegs, zehnmal mehr als in Deutschland. Und jeden Monat kommen 3000 hinzu – nicht zuletzt dank üppiger staatlicher Kaufprämien. „Wir befinden uns in dem Land, in dem die Revolution in den Köpfen schon stattgefunden hat“, sagt Klaus Draeger, der im BMW-Vorstand für den Einkauf und das Lieferantennetzwerk verantwortlich ist.

BMW will Teil dieser Revolution sein und überlässt nichts dem Zufall, um diesen Anspruch zu unterstreichen. Vor wenigen Tagen hat der Verkauf des elektrischen Kompaktwagens i3 in den USA begonnen, der i8 kommt ab August in den US-Handel. „Wir gehen davon aus, dass die USA der größte i8-Markt sein werden“, sagt Klaus Draeger. Ab Juni wird der Sportwagen in Europa verkauft. Eine Absatzprognose gibt es für beide Modelle nicht, zu unsicher ist noch, wie die Autos bei den Kunden ankommen. Immerhin: Von den 5000 seit Jahresanfang in Leipzig produzierten i3 – täglich 100 – hat BMW bis Ende April gut 3000 verkauft. Der Rest ist noch auf dem Transportweg in alle Welt oder dient als Vorführwagen.

BMW sieht einen "strategischen Vorteil" vor den Wettbewerbern

So leicht den BMW-Leuten das R-Wort auch über die Lippen geht, so bewusst ist man sich in der Konzernspitze, dass Revolution Risiko bedeutet. Großes Risiko. „Es ist alles eine Wette auf die Zukunft“, sagt ein BMW-Mitarbeiter am Rande der i8-Präsentation in den USA, zu der auch der Tagesspiegel eingeladen war. BMW hat einige Milliarden in die Entwicklung der komplett neu konzipierten i3 und i8 investiert, in den Leichtbau, den Elektroantrieb, die Dienstleistungen. Für ein weiteres Modell zwischen den beiden sei „grundsätzlich noch Platz“, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer in der vergangenen Woche. Entschieden habe man aber noch nichts. Markteinführung und „Optimierungsschleifen“ in der Produktion der ersten i-Modelle fordern alle Konzentration.

Lässt sich mit der i-Klasse Geld verdienen? „Mit beiden, dem i3 und dem i8, werden wir gute Deckungsbeiträge verdienen“, versichert BMW-Vorstand Draeger in Los Angeles. Ob man auch die hohen Investitionen und Entwicklungskosten wieder hereinhole? „Ich glaube nicht.“ Das ist der Preis, wenn man ein „Gamechanger“ sein will, ein Unternehmen, das die Spielregeln ändern will. Draeger zufolge hat sich die Investition dennoch gelohnt. BMW habe einen „strategischen Vorteil“ gegenüber den direkten Wettbewerbern, die beim Thema Elektromobilität ebenfalls nicht mehr schlafen.

Kein Engelshaar. Der Grundstoff für die Carbonfaserproduktion in Moses Lake kommt aus Japan.
Kein Engelshaar. Der Grundstoff für die Carbonfaserproduktion in Moses Lake kommt aus Japan.

© BMW

Knapp 2000 Kilometer nördlich von Los Angeles, im Provinzstädtchen Moses Lake im US-Bundesstaat Washington, demonstriert BMW, wie sehr der Konzern an die Sinnhaftigkeit seiner Strategie glaubt. Zusammen mit SGL Carbon produziert der Autobauer hier seit 2011 Carbonfasern, exklusiv für die BMW-i-Modelle. Die Grundstoffe kommen aus Japan, weiterverarbeitet werden die Fasern in Wackersdorf, bevor in Leipzig daraus Karosserieteile für i3 und i8 werden. 100 Millionen Dollar hat das Joint Venture bereits investiert, nun sollen weitere 200 in den Ausbau der Fertigung fließen.

Am vergangenen Freitag gaben Klaus Draeger und SGL-Chef Jürgen Köhler mit dem Spatenstich für zwei weitere Fertigungslinien das Signal zur Expansion. Mittelfristig sollen 200 Mitarbeiter (aktuell 80) bis zu 9000 Tonnen Carbonfasern pro Jahr herstellen. Moses Lake wäre dann das weltweit größte Werk seiner Art. „Wir setzen neue Maßstäbe in der Industrie“, sagte SGL-Chef Köhler. Warum dies ausgerechnet in einem schmucklosen Nest am Rande eines entlegenen ehemaligen Militärflughafens geschieht, machte die Anwesenheit des Gouverneurs Washingtons, Jay Inslee, beim Spatenstich deutlich. „Wir sind stolz darauf, ein Partner von BMW zu sein“, sagte er. Die Region freut sich über Arbeitsplätze und BMW über die Ansiedlungsförderung und Kosten für die aus Wasserkraft gewonnene Energie, die bei einem Zehntel der Kosten in Deutschland liegen. Dafür nimmt man lange Transportwege um den halben Globus in Kauf – mit einer zweifelhaften Umweltbilanz. Die Revolution der sauberen, CO2-neutralen Autos hat ihr Ziel noch nicht erreicht.

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