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Hunderttausende Menschen betroffen: Im vergangenen September stellte der Reiseveranstalter Thomas Cook Insolvenzantrag.

© imago images/IPON

Pleite von Thomas Cook: Urlauber warten auf ihr Geld

Von den 220.000 Schadensmeldungen hat die Zurich-Versicherung die Hälfte erledigt. Der Staat braucht für seine Hilfe länger.

Der Konzernchef sprach von einem „tief traurigen Tag“, Zehntausende deutsche Urlauber saßen in ihren Ferienhotels fest, und Hunderttausende Kunden fürchteten um ihre Anzahlungen.

Als im vergangenen September der nach der Tui zweitgrößte europäische Reisekonzern Thomas Cook in die Insolvenz schlitterte, waren die Sorgen groß. Reisende, die am Urlaubsort gestrandet waren, wussten nicht, wie sie nach Hause kommen sollten. Hoteliers, die Angst hatten, auf ihren Kosten sitzen zu bleiben, wollten sich an den Feriengästen schadlos halten und drohten, sie erst dann gehen lassen, wenn die Urlauber ihre Hotelrechnung – zum zweiten Mal – bezahlen würden. Diejenigen, die ihre Reise noch nicht angetreten, aber schon ganz oder teilweise bezahlt hatten, befürchteten, Tausende Euro für ihren Sommerurlaub abschreiben zu müssen.
Im Nachhinein zeigt sich: Die Sorgen waren unbegründet. Die Zurich-Versicherung, bei der Thomas Cook versichert war, organisierte den Rücktransport der Feriengäste. Und inzwischen ist von der Versicherung auch das erste Geld geflossen, um Kunden zu entschädigen, die ihre Reise wegen der Insolvenz nicht mehr antreten konnten.

220.000 Schadensmeldungen gibt es bei der Versicherung

Rund 220.000 Schadensanmeldungen hat die Zurich-Versicherung bekommen, sagt Unternehmenssprecher Bernd Engelien. Dahinter verbirgt sich jedoch eine ungleich höhere Zahl an Betroffenen. Denn eine Schadensmeldung steht für eine Reise, und die wollen Menschen ja oft zusammen tun.

Die gute Nachricht: Viele der enttäuschten Reisenden haben inzwischen Geld auf dem Konto. „Die Hälfte ist bereits abgearbeitet“, berichtet Engelien. Mehr als 110.000 Fälle seien erledigt. Das betrifft vor allem die einfachen Vorgänge. Haben die Kunden jedoch Eingabefehler gemacht oder legen sie Hotelrechnungen vor, die die Zurich im vergangenen Herbst im Rahmen der Rückholung auch schon beim Hotelier beglichen hatte, kann die Überweisung noch etwas dauern.

Versicherung zahlt nur 17,5 Prozent

Die schlechte Nachricht: Die Versicherung zahlt nur einen Teil der Summe. Denn Thomas Cook war nur mit insgesamt 110 Millionen Euro versichert. Das reicht bei weitem nicht, um die 280 Millionen Euro zu ersetzen, die Thomas-Cook-Urlauber verloren haben. Rechnet man die Insolvenz der Konzerntochter Tour Vital hinzu, sind es insgesamt 287 Millionen Euro.

Weil die Versicherung die Kosten für die Rückholung der Urlauber von der Versicherungssumme abzieht, ersetzt sie nur 17,5 Prozent des Schadens. Das ist auch die Summe, die die Urlauber bislang von der Zurich bekommen haben. Unterm Strich sollen die Verbraucher aber ihren vollen Schaden erstattet bekommen. Die Differenz, so hat es die Bundesregierung versprochen, übernimmt der Bund.

Gestrandete Urlauber, offene Rechnungen: Thomas Cook war für Schäden bis zu 110 Millionen Euro versichert.
Gestrandete Urlauber, offene Rechnungen: Thomas Cook war für Schäden bis zu 110 Millionen Euro versichert.

© picture alliance/dpa

Auf das Staatsgeld werden die Betroffenen jedoch noch eine Weile warten müssen. Das Bundesjustizministerium, das mit der Abwicklung befasst ist, baut derzeit eine Webseite auf, bei der die Kunden später ihre Ansprüche anmelden müssen. In diesem Monat will man mit dem Probebetrieb starten.

Bis zum Jahresende soll ein Großteil der Auszahlungen abgewickelt sein, heißt es im Bundesjustizministerium. Bis zu 225 Millionen Euro will das Ministerium zahlen, wie hoch die genaue Summe sein wird, hängt davon ab, ob die Zurich-Versicherung die Kosten für die Rückholung der Urlauber von der Versicherungssumme von 110 Millionen Euro abziehen darf oder nicht.

Der Bund bügelt seine eigene Pleite aus

Dass der Bund einspringt, liegt jedoch weniger an der Liebe zum Verbraucher, sondern hat handfeste politische Gründe. Denn eigentlich verlangt die Europäische Reiserichtlinie, dass Pauschalurlauber bei der Insolvenz des Reiseveranstalters keinen finanziellen Schaden haben dürfen. Die hierzulande geltende Deckelung von 110 Millionen Euro für den Ersatz von Insolvenzschäden passt dazu jedoch nicht. Um Klagen zu vermeiden, zahlt der Bund – und arbeitet zugleich an einer Reform des Sicherungssystems.

Es muss ein neues Sicherungssystem her

Und das geschieht auf Hochtouren. Das Bundesjustizministerium hat ein Gutachten bei der Beratungsfirma EY in Auftrag gegeben, zudem gab es mehrere Runden mit Vertretern der Reise- und Versicherungsbranche. Zur Wahl stehen drei Modelle: eine Fondslösung, bei der Reiseveranstalter einen Teil des Reisepreises in einen Sicherungsfonds einzahlen, eine Versicherungslösung, die von einem Pool von Versicherern gemanagt wird und deutlich höhere Haftungssummen als bisher erlauben würde, oder eine Kombination aus beiden Modellen. Die könnte so aussehen, dass der Branchenfonds die Rückholung gestrandeter Urlauber organisiert und bezahlt und die Versicherer Entschädigungen für nicht angetretene, aber bezahlte Reisen bezahlen. Eine Entscheidung soll bald fallen, das Gesetz soll zum 1. November in Kraft treten.

Coronavirus: Die Angst reist mit.
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Wie wird der Sommer?

Bis dahin bleibt es beim Deckel von 110 Millionen Euro und der Zurich-Versicherung als Alleinanbieterin. Bleibt zu hoffen, dass es in der Sommersaison keine neuen Pleiten gibt und das Coronavirus zurückgedrängt werden kann.

„Wir stellen eine zunehmende Verunsicherung bei Kunden fest“, sagte der Präsident des Deutschen Reiseverbands, Norbert Fiebig, in der vergangenen Woche. Das könnte zum Problem werden. Denn bereits Ende Januar lagen die Buchungen für den Sommer um rund drei Prozent unter dem Vorjahr, das Virus war da aber noch in Asien und nicht in Europa.

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