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Plastikbesteck und -becher zum Essen, Plastiktüten beim Einkaufen: In den USA gibt es Plastik auf Schritt und Tritt.

© Getty Images/iStockphoto

Update

Plastiktüten, Plastikbecher, Plastikbesteck: Die USA prassen mit Plastik, Europa spart

Selbst Griechen und Spanier denken um. In den USA dagegen gibt es in Restaurants weiter Plastikbesteck. Rewe und Lidl werfen Einwegprodukte aus dem Regal.

Wer in New York etwas auf sich hält und Pizza mag, isst bei Lombardi’s. Das Traditionslokal in Little Italy hat in den 113 Jahren seines Bestehens zahlreiche Auszeichnungen bekommen und ist stolz darauf. Daher kommt die Pizza auch nicht auf schnöden Holzbrettern oder Tellern daher, sondern wird auf Tortenplatten am Tisch serviert. Gegessen wird sie dann aber nicht von feinem Porzellan, sondern von Einweg-Papptellern. Kunden, die Leitungswasser bestellen, müssen aus Plastikbechern trinken.

Was in Deutschland bestenfalls in Imbissen denkbar wäre, ist in den USA Alltag. In vielen Restaurants gibt es Plastikbesteck und -teller, selbst in Ökoketten werden Salate oder Suppen in Plastikschüsseln gereicht. Getränke gibt es aus Einwegflaschen.

Nicht nur US-Präsident Donald Trump, der bis heute den globalen Klimawandel leugnet, auch viele seiner Landsleute scheren sich wenig um das Klima und den Müll. Nicht nur beim Essen, auch beim Einkaufen. 100 Milliarden Plastiktüten werden jedes Jahr im Land der unbegrenzten Möglichkeiten verbraucht. Bei einem kurzen Einkauf im Supermarkt trägt man locker acht Plastiktüten nach Hause – Kassierer stülpen nämlich sicherheitshalber gleich zwei Tüten ineinander.

Deutsche halten sich zurück

In Deutschland ist das inzwischen undenkbar. Wer im Laden auf einer Plastiktüte besteht, outet sich nicht nur als Umweltsünder – sondern muss auch zahlen. Seitdem sich der Handel vor zwei Jahren verpflichtet hat, die Menge der Kunststofftüten einzudämmen, verlangen die meisten Läden Geld für die Tragetasche. Das zeigt Wirkung. Im vergangenen Jahr verbrauchte jeder Bundesbürger statistisch gesehen nur noch 29 Plastiktüten – nach 45 im Jahr zuvor. 2,4 Milliarden Kunstofftragetaschen wurden 2017 in Umlauf gebracht, 1,3 Milliarden weniger als im Vorjahr.
Dennoch mahnen Umweltschützer, dass noch größere Anstrengungen nötig sind. Am Dienstag protestierte die Deutsche Umwelthilfe mit einem riesigen Wal in Berlin gegen Plastikverpackungen. Das Umweltbundesamt und die Grünen fordern eine Steuer auf Plastik. Die EU-Kommission will Plastikteller, -besteck, -becher und -strohhalme verbieten, um die Umwelt und die Tiere zu schützen.

Rewe und Lidl werfen zahlreiche Einwegprodukte aus dem Regal

Händler in Deutschland wollen nicht so lange warten. So kündigte Rewe am Mittwoch an, künftig auf den Verkauf von Einweg-Trinkhalmen aus Plastik verzichten zu wollen. Dadurch könnten in den rund 6000 Märkten der Marken Rewe, Penny und Toom Baumarkt pro Jahr 42 Millionen Einweg-Trinkhalme eingespart werden. Am selben Tag gab der Discounter Lidl bekannt, bis Ende 2019 Einwegplastikartikel wie Besteck und Trinkhalme aus dem Sortiment zu nehmen. Auch Edeka entwickelt Mehrwegartikel als Alternative für bisherige Einwegartikel. Vor allem Plastikteller, Plastikbesteck und das Wegwerfprodukt Trinkhalm stehen im Fokus der Händler. So werden Plastikhalme als typisches Wegwerfprodukt im Schnitt nur 20 Minuten genutzt, bevor sie auf dem Müll landen. Nach Angaben der Organisation „Seas at Risk“ gelangen aus der EU jährlich rund 100 000 Tonnen Plastik im Meer. Es werden in der EU werden jährlich 36,4 Milliarden Trinkhalme konsumiert, dazu 16 Milliarden Kaffeebecher, 46 Milliarden Einwegflaschen und weiteres Plastik aus Verpackungen und Zigarettenfiltern.

Kenia: Vier Jahre Haft für Plastiktütennutzer

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind bislang nur neun Prozent des weltweit hergestellten Plastiks recycelt worden, viele Shampoo- oder Getränkeflaschen landen auf Müllhalden und im Meer. Umweltschützer sehen sich bestätigt durch Meldungen wie die vom Tod einer Grünen Meeresschildkröte Mitte Juni in Thailand, deren Magen so voller Plastik, Gummibänder und Ballonfetzen war, dass sie keine Nahrung mehr aufnehmen konnte. Kenia, dessen Küsten ebenfalls mit Plastikmüll überschüttet worden sind, hat inzwischen reagiert. Seit vergangenem Jahr dürfen dort Plastiktüten weder verkauft noch benutzt werden. Verstöße können mit Haftstrafen von bis zu vier Jahren oder Geldstrafen von bis zu 40.000 Dollar gehandelt werden.

Auch Europa handelt

So weit geht Europa nicht. Doch zumindest bei der Plastiktüte tut sich etwas. Während Kunden in Großbritannien und Österreich für Plastiktüten schon seit Längerem zur Kasse gebeten werden, ziehen jetzt auch südliche Länder nach. In Spanien spielt Mallorca den Vorreiter beim Kampf gegen die Plastikflut. Die Regionalregierung der Balearischen Inseln, zu denen Mallorca und Ibiza gehören, brachte unlängst ein Gesetz auf den Weg, mit dem Plastikprodukte im Urlaubsparadies reduziert oder ganz verboten werden sollen. Sogar der Vertrieb der beliebten Einweg-Kaffeekapseln aus Aluminium oder Plastik wird untersagt. Das Plastikverbot, das 2020 in Kraft treten soll, wird auch die Partytouristen im „Ballermann“-Viertel betreffen: Strohhalme, Trinkgefäße und Partygeschirr dürfen dann nur noch aus kompostierbaren Materialien bestehen. In ganz Spanien gilt seit Anfang dieses Monats: Plastiktüten kosten Geld. Laut Statistik verbrauchte bisher jeder Spanier mehr als 100 Tüten pro Jahr, aber nur zehn Prozent wurden recycelt.

Griechenland: Vom Saulus zum Paulus

In Griechenland muss man für eine dünne Mini-Plastiktüte bereits seit Jahresbeginn an den Supermarktkassen vier Cent inklusive Mehrwertsteuer zahlen. Die Umweltabgabe war zuerst belächelt oder als weitere Abzocke der linksgeführten Regierung von Alexis Tsipras kritisiert worden. Doch dann trat das Wunder ein: Die als wenig umweltbewusst geltenden Griechen änderten sehr schnell ihre Einstellung und gehen seither mit großen eigenen Taschen zum Einkauf. Der Verbrauch an Plastiktüten soll um 80 Prozent zurückgegangen sein. Zuvor hatte er bei 250 bis 300 Tüten im Jahr und pro Kopf gelegen. Nicht gelöst aber ist das mindestens ebenso gravierende Problem der Pet-Wasserflaschen und der Trinkbecher für den „freddo“, den kalten Kaffee, den die Griechen täglich in großen Mengen trinken. Dieses Plastik endet auf Deponien und in der Ägäis.

Australier kämpfen für die Einwegtüte - auch mit Fäusten

Doch Griechenland zeigt: Ein Umdenken ist möglich. Auch in den USA gibt es erste Tendenzen. Plastiktüten kann man inzwischen in den Läden zurückgeben, wo sie recycelt werden. Doch im Alltag wird davon eher zögerlich Gebrauch gemacht. Einwegflaschen und Getränkedosen kann man in New York an Rückgabestationen einwerfen und die Quittungen anschließend in Läden einlösen. Für die meisten Bürger ist das aber nichts. Sie stellen Flaschen und Dosen lieber bei der wöchentlichen Müllabfuhr an den Straßenrand und überlassen ihr Leergut Flaschensammlern. Geld für Plastiktüten würde in den USA aber wohl niemand zahlen. Genauso wenig wie in Australien. Hier hat der Versuch der Supermarktketten Woolworths und Coles, keine Einwegtüten mehr auszugeben, Anfang der Woche für Randale gesorgt: Kunden schimpften, fluchten und warfen Waren auf den Boden, eine Verkäuferin wurde gewürgt. mit dpa

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