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Das Hauptquartier der China Evergrande Group in Shenzhen.

© Aly Song, REUTERS

Zum möglichen Bankrott des Immobilienriesen Evergrande: Peking warnt die Welt - aber die Welt hört nicht hin

Der Fall Evergrande ist mehr als das lokale Ereignis, zu dem er gemacht wird. Er ist die Mahnung, das die nächste Globalkrise gefährlich nah ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Nach der Finanzkrise fragte die britische Queen die Wirtschaftswissenschaftler ihres Landes einmal, warum niemand vor dem Zusammenbruch des Finanzsystems gewarnt habe. Die Ökonomen dachten nach, und schickten (Monate später) einen Brief: Es habe viele Gründe gegeben. Besonders fatal aber sei gewesen, dass sich niemand getraut habe, die Schüssel mit der Bowle vom Tisch zu nehmen, als die Party gerade am schönsten war.

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In diesen Tagen kann man – um im Bild zu bleiben – beobachten, wie die chinesische Regierung zumindest versucht, die Gläser aus dem Festsaal zu schaffen, wenn sie durchblicken lässt, dass sie nicht beabsichtigt, in die Bankrott-Krise des chinesischen Immobilienriesen Evergrande einzugreifen. Die Gäste dürften also erste Warnzeichen sehen, sie tun es aber nicht. Die ganze Welt scheint fest entschlossen zu sein, den Fall Evergrande zu einem lokalen Ereignis herabzustufen. Damit täuscht sie sich aber.

Denn auch wenn die Firma, die mit atemberaubenden 300 Milliarden Dollar verschuldet ist, am Ende doch noch irgendwie stabilisiert würde, wird deutlich: Die nächste globale Krise ist nicht nur nicht weit entfernt. Sie lauert sogar schon hinter der nächsten Ecke.

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Der Staat förderte das Wachstum - mit Krediten

China ist in den vergangenen zehn Jahren so etwas wie die Lebensversicherung der Weltwirtschaft. Nach der Finanzkrise war es der Staatskapitalismus Chinas, der zuerst wieder Maschinen orderte, Öl und Gas einkaufte, ausländische Staatsanleihen bunkerte, und die Container der Ozeanriesen mit Waren belud. Auch nach dem Corona-Schock erholte sich die chinesische Wirtschaft am schnellsten von allen, und zog damit auch die schwer gebeutelten Volkswirtschaften des Westens nach oben. Der Staat förderte das Wachstum, indem er Firmen, Städte und Provinzen großzügig mit Liquidität versorgte. In diesem Herbst aber werden die Schattenseiten überdeutlich: Chinas Wirtschaft ist überschuldet.

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Der Bau neuer Wohnungen machte im vergangenen Jahr zehn Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus, Evergrande allein steht für etwa zwei Prozent des BIP. Seit dem vergangenen Jahr versucht Peking, den überhitzten Markt abzukühlen: Privatpersonen wurde der Zugang zu Immobilienkrediten erschwert, die Unternehmen müssen ihre Verschuldung reduzieren, und sie müssen ihre Liquidität verbessern. Evergrande ist das nicht gelungen – und die meisten anderen großen Immobilienkonzerne des Landes haben ähnliche Probleme.

Selbst wenn es gelingen sollte, die Schuldenkrise der Unternehmen noch einmal abzuwenden: Auch die Städte und Provinzen des Landes leben von Krediten, seine Banken sind nicht solide finanziert. In den kommenden Wochen und Monaten werden weitere Firmen in Schwierigkeiten geraten. Die chinesische Regierung hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sie vorerst nicht daran denkt, sie zu retten. Natürlich kann man die Sache zu einem lokalen Problem herunterreden. Doch dadurch wird es nicht kleiner. Wenn die chinesische Wirtschaft aufgrund der Schuldenkrise nicht mehr oder nur noch langsamer wächst, ist die Weltwirtschaft schneller infiziert, als es viele wahrhaben wollen. Auch das Wachstum in den Volkswirtschaften des Westens wird leiden. Und die exportorientierte deutsche Wirtschaft wird besonders betroffen sein.

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