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Bio-Mini-Romanasalat wird am 29.05.2013 auf einem Feld der BioBehr GmbH in der Nähe von Gallin (Mecklenburg-Vorpommern) geerntet. Im Ökolandbau deutet sich ein Rückgang an. Der Zuwachs an Flächen verlangsamt sich. In Mecklenburg-Vorpommern wurde im Vorjahr erstmals sogar weniger ökologisch gewirtschaftet. Foto: Jens Büttner/dpa (zu dpa „Minister will Rückgang im Ökolandbau Mecklenburg-Vorpommerns stoppen“ vom 04.05.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++

© Bearbeitung: Tagesspiegel/Jens Büttner/dpa

Özdemirs Bio-Strategie: Sind 30 Prozent Ökolandbau erreichbar?

Ob die ökologische Landwirtschaft nachhaltiger ist als die konventionelle, ist umstritten. Drei Experten debattieren über die Bio-Strategie der Bundesregierung.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium unter Leitung von Cem Özdemir hat eine Bio-Strategie vorgestellt, die darauf abzielt, den Ökolandbau in Deutschland bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche auszuweiten. Die Strategie beinhaltet verschiedene Maßnahmen, um den ökologischen Landbau zu fördern, unter anderem durch finanzielle Anreize für Landwirte, Vereinfachung der Bio-Zertifizierung und die Stärkung des Bio-Konsums, etwa in öffentlichen Kantinen. Forschung im Bereich Ökolandbau soll ebenfalls gefördert werden.

Die Strategie entspricht den EU-Vorgaben, die den Einsatz von synthetischen Pestiziden und Stickstoffdüngemitteln untersagen, wobei organische Düngemittel erlaubt sind. In der ökologischen Tierhaltung müssen Futtermittel überwiegend ökologisch sein, und der Einsatz von Hormonen oder Antibiotika zur Krankheitsprävention ist verboten. Es gibt verschiedene Bio-Verbände mit eigenen Siegeln, die teilweise strengere Anforderungen als die EU stellen.

In Deutschland ist die ökologisch bewirtschaftete Fläche zwischen 2010 und 2020 jährlich um etwa 5 Prozent gewachsen, mit der Prognose, bis 2030 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche zu erreichen. Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln ist seit über 20 Jahren gestiegen, mit einem erheblichen Anstieg im Jahr 2020. Allerdings sank die Nachfrage 2022 infolge der Inflation nach dem Ukrainekrieg leicht.

In unserer Serie „3 auf 1“ nehmen zwei Experten und eine Expertin Stellung, ob die Ausweitung auf 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 erreichbar ist. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Landwirtschafts- und Ernährungspolitik zusammen denken

Landwirtschaft kann nicht nachhaltig sein, wenn dadurch in Deutschland Kosten in Höhe von rund 90 Milliarden Euro pro Jahr entstehen. Folge der Produktionsintensität ist Verlust der Vielfalt in der Agrarlandschaft, die mitunter schlechte Gewässerqualität oder der Verlust der Bodenfruchtbarkeit.

Die Landwirtschaft muss Ressourcen so nutzen, dass die planetaren ökologischen Belastungsgrenzen nicht überschritten werden. Eine Möglichkeit dafür ist der ökologische Landbau. Deshalb ist eine Ausdehnung positiv zu bewerten. Richtig ist aber auch, dass die Erträge im ökologischen Landbau standortabhängig zehn bis 40 Prozent niedriger sind und der Lebensmittelbedarf global weiter steigt. In Europa nutzen wir 30 Prozent der Nahrungsmittel als Abfälle nicht, bauen auf 40 Prozent der Ackerfläche Tierfutter an und verfüttern 50 Prozent des Getreides an die Tiere.

Man sieht, dass die starre Fixierung auf die in der konventionellen Landwirtschaft unzureichend ist und, dass es ein riesiges Potenzial gibt, bei tieferen Erträgen genügend Kalorien zu produzieren. Nachhaltige Landwirtschaftspolitik muss gleichzeitig umfassende Ernährungspolitik sein.


Erträge im Ökolandbau sind zu niedrig

Das politische Ziel, den Ökolandbau auszuweiten, mag populär sein, ist aber für global nachhaltige Entwicklung nicht förderlich. Die Erträge im Ökolandbau sind deutlich niedriger. Durch eine großflächige Umstellung wird in Deutschland und Europa weniger produziert, sodass mehr von anderswo importiert werden muss.

Land ist aber weltweit knapp, und die landwirtschaftliche Nutzung konkurriert mit dem Umweltschutz. Wenn anderswo immer mehr Wälder gerodet und Sümpfe trockengelegt werden, weil die Weltnachfrage steigt und wir die Produktionsmenge zurückfahren, ist das schlecht fürs Klima und die Artenvielfalt.

Immer mehr Ökolandbau ist bei knappen Landressourcen kein geeignetes Rezept. Wir wissen, dass eine Landschaft, mit kleineren Feldern, vielfältigeren Fruchtfolgen und mehr naturnahen Landschaftselementen der Biodiversität dienlich ist. Außerdem können digitale Innovationen und neue Züchtungstechniken die Erträge steigern. Gerade die genomischen Züchtungstechniken sind im Ökolandbau aber verboten. Wir müssen jedoch innovationsoffen sein.


Geringere Erträge sind gut für die Biodiversität

Den Ökolandbau auszuweiten, ist aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes sinnvoll, da vor allem mit organischen Mitteln gedüngt wird, keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel angewendet und vielfältigere Kulturen angebaut werden. Viele Studien belegen die positiven Effekte des Ökolandbaus. Verschiedene Untersuchungen belegen auch, dass bei Umstellung auf Ökolandbau Ertragsrückgänge bei bestimmten Ackerkulturen zu verzeichnen sind.

Geringere Erträge müssen aber im Kontext der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft bewertet werden. Aus Sicht der Förderung von Biodiversitätsleistungen können zum Beispiel geringere Erträge ein Teil der Lösung sein. Es geht nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität und wie die Produkte weiterverwertet werden. Betrachtet man das Konsumverhalten, so käme es durch Reduktion der Lebensmittelabfälle und des Fleischkonsums selbst bei flächendeckender Umstellung auf Ökolandbau zu keinen Engpässen in der Nahrungsmittelversorgung. Negative Umwelteffekte werden nicht verlagert, wenn sich die gesamte Wertschöpfungskette und das Ernährungssystem anpassen.

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