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Gustav Horn hat das Institut für Makroökonomie der Hans-Böckler-Stiftung mehr als 14 Jahre geleitet. Jetzt geht er in Rente.

© DPA

Ökonomie: Der Wind hat sich gedreht

Der "linke" Makroökonom Gustav Horn stellte seine letzte Konjunkturprognose vor. Und spricht von einer Renaissance des Keynesianismus.

Als einsamer Rufer in der neoliberalen Wüste sieht sich Gustav Horn nicht mehr. Vor zehn oder 15 Jahren, so blickte der Chef des vom DGB finanzierten Instituts für Makroökonomie (IMK) am Mittwoch zurück, seien er und Peter Bofinger weit und breit die einzigen Keynesianer gewesen. Das sind Ökonomen, die vor allem die Nachfrageseite im Blick haben und deshalb staatlichen Ausgaben, einer expansiven Geldpolitik der Zentralbanken und hohen Löhnen eine besondere Bedeutung für die Konjunktur zuschreiben. Die "erstaunliche Entwicklung" der deutschen Wirtschaft seit der Finanzkrise 2008/09 verdanke sich eben diesem Ansatz: Mit zwei fetten Konjunkturprogrammen hatte die Bundesregierung 2008 auf den Zusammenbruch der Finanzmärkte reagiert. Und der Mindestlohn sowie die ordentlichen Tarifabschlüssen haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass die robuste Konjunktur hierzulande vor allem von der Binnennachfrage getragen wurde. Und das wird auch so bleiben, obgleich die exportlastige deutsche Wirtschaft unter Brexit und Handelskonflikten leidet. Das Wachstum schwächt sich zwar ab, doch "gestützt auf höhere Löhne und mehr Jobs verhindert unsere Binnennachfrage bislang recht effektiv, dass aus dem Infekt eine Lungenentzündung wird", sagte Horn am Mittwoch in Berlin.

Nur noch ein Prozent Wachstum

Gemeinsam mit seinem Nachfolger Sebastian Dullien, der seit 2007 an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft lehrt und Horn am 1. April an der Spitze des in Düsseldorf ansässigen IMK ablöst, blickte Horn in die nahe Zukunft. In diesem Jahr erwartet das Institut nur noch eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,1 Prozent, 2020 sollen es dann 1,6 Prozent werden. Die leichte Verbesserung verdankt sich dann aber nicht einer höheren Dynamik, sondern vor allem dem Umstand, dass es 2020 mehr Arbeitstage gibt als in diesem Jahr. Allein das trägt mit 0,4 Prozent zur Wachstumsrate bei. Die Risiken für die Wirtschaft stammen nach wie vor aus dem Ausland: Sollte es zu einem harten Brexit kommen, würde das deutsche Wachstum 2019 um 0,3 Prozent und 2020 um 0,6 Prozent geringer ausfallen.

Mehr öffentliche Investitionen gefordert

In dieser Situation tue die EZB gut daran, den Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik zu verschieben. Die Niedrigzinsphase bleibe "in dem Maße unerlässlich, in dem die Fiskalpolitiken der Euroländer die Lücke nicht füllen". Horn, linke Politiker und Gewerkschafter fordern seit langem höhere öffentliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Auch Horn-Nachfolger Dullien will das Thema öffentliche Investitionen und Effekte der Schuldenbremse schwerpunktmäßig behandeln. Dazu komme die Eurokrise, die noch nicht gelöst sei, der internationale Handel sowie die Situation auf den Wohnungsmärkten. Schließlich will Dullien das IMK noch stärker in Berlin auftreten lassen, um den Anspruch der Politikberatung zu untermauern.

Gegengewicht zum Neoliberalismus

Das IMK war vom DGB gegründet worden, um ein Gegengewicht zum neoliberalen Mainstream in der Wirtschaftswissenschaft zu bekommen. Horn, der viele Jahre beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gearbeitet hatte, konnte und wollte den "Rechtsruck" des Berliner Instituts und dem damaligen DIW-Präsidenten Klaus Zimmermann nicht mitmachen und übernahm die Leitung des IMK. Als einen "Höhepunkt meiner Tätigkeit" bezeichnet Horn die Krisenbewältigung 2008, als Ökonomen, Wirtschaftsvertreter und Gewerkschafter gemeinsam mit Politikern der damaligen großen Koalition die Konjunkturprogramme entwickelt. Die hätten gemeinsam mit einer "klugen Arbeitsmarktpolitik" zu der gelungenen Krisenbewältigung beigetragen und gewissermaßen den Nachweis geliefert, wie wirksam Impulse auf der Nachfrageseite seien.

Zunehmende Ungleichheit

Wie es sich für einen linken Ökonomen gehört, hält Horn nichts von einer Senkung der Unternehmenssteuern und der Abschaffung des Solidarzuschlags. Die makroökonomischen Effekte seien vernachlässigbar, die Verteilungseffekt negativ, da vor allem die Bezieher höherer Einkommen profitierten. Seit den nuller Jahren sei die Ungleichheit hierzulande "viel größer geworden", und auch für die Unternehmen sei eine funktionierende Infrastruktur wichtiger als geringfügig sinkende Steuern. Würden sich die Regierung aber auch Steuersenkungen einlassen, hätte das wiederum negative Effekte auf die öffentlichen Investitionen - und damit auf die Konjunktur.

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