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Die neuen Richtlinien sollen börsennotierte Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen.

© imago/Ikon Images Marcus Butt

Neue EU-Vorgaben: Immer mehr Unternehmen müssen eigene Nachhaltigkeitsberichte ablegen

Transparenz statt Greenwashing lautet das Motto. Die Finanzmärkte begrüßen die strengeren Regeln, denn dort steigt das Interesse an nachhaltigen Investments.

Wenn es um Unternehmensberichte geht, stehen meist Gewinne und Verluste im Vordergrund. Immer mehr rückt aber auch in den Fokus, dass Firmen über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen Auskunft erteilen. Ein neuer Entwurf der EU-Kommission – unter dem sperrigen Titel Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD – aus dieser Woche soll nun mehr Unternehmen als bisher verpflichten, ihre Nachhaltigkeitsrisiken und diesbezüglichen Leistungen offenzulegen. Statt bisher 11.600 wären künftig fast 50.000 Unternehmen berichtspflichtig, damit Banken, Investoren und Öffentlichkeit besser und zuverlässiger informiert sind.

„Eine Ausweitung der CSR-Berichtspflicht auf einen Großteil der Unternehmen des EU-Binnenmarkts ist ein längst überfälliger Schritt für fairere Wettbewerbsbedingungen“, sagte Werner Schnappauf, Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrats (RNE) der Bundesregierung, dem Tagesspiegel. Verpflichtende Standards sollen den Prozess für Unternehmen vereinheitlichen. Bisher unterscheiden sich die Regeln in den EU-Staaten sehr, was die Orientierung und Bewertung erschwert. Der neue Beschluss soll nun auch dafür sorgen, dass mehr Kapital in eine nachhaltigere Wirtschaft fließt.

Die neue Richtlinie soll die „Non-Financial Reporting Directive“ von 2014 ablösen. Die Namensänderung ist Programm: Bisher ist von „nicht-finanzieller“ Berichterstattung die Rede. Das ist insofern irreführend, weil Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken (kurz ESG) beträchtliche finanzielle Konsequenzen haben können: Wer die Umwelt stark schädigt oder Menschenrechte systematisch verletzt, dem laufen Aktionäre und Kunden davon, was Börsenkurse einbrechen lassen kann. Zudem bestehen Haftungsrisiken.

Mehr Unternehmen werden verpflichtet

„Man sieht, wes Geistes Kind jemand ist, der ‚non financial’ sagt und damit die Herausforderung zu verniedlichen sucht“, sagte ein Vermögensverwalter, der nicht namentlich zitiert sein will. Viele internationale Investoren und Kapitaleigner sprechen darum seit Jahren von „extra-finanziellen“ Faktoren. Durch die Aufwertung von Nachhaltigkeitsberichten „wird deutlich, dass diese Informationen für die finanzielle Performance relevant sind“, sagte Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbandes BVI.

Auch börsennotierte Klein- und Mittelständler sowie Firmen aus Drittstaaten, die an einer EU-Börse notiert sind, sind künftig verpflichtet, transparent über ihre ESG-Lage Auskunft zu geben. Gefordert wird, die Nachhaltigkeitsberichte extern prüfen zu lassen. „Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts, damit Nachhaltigkeit belastbar in Entscheidungen einfließen kann“, sagte Yvonne Zwick, Vorstandsvorsitzende des Unternehmensnetzwerks B.A.U.M., im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Eine Prüfung erhöht die Glaubwürdigkeit, was relevant sein kann für Analysen, Kredite und Anreizsysteme. Darum lassen erste Firmen ihre Nachhaltigkeitsberichte auditieren.

Vorbildlich. Das deutsche Unternehmen Osram gehört zu den nachhaltigsten Konzernen der Welt, weil es bei der Produktion Abfälle so gut es geht vermeidet, auf umweltverträgliche Inhaltsstoffe setzt und auf Produkte mit langer Lebensdauer.

© REUTERS

Der Fondsverband BVI bewertet die Vorlage „sehr positiv“ und appelliert an die Gesetzgeber, die Vorgaben zügig umzusetzen. Richter begrüßt, „dass die EU-Kommission deutlich mehr Unternehmen als bisher verpflichten will, standardisierte Nachhaltigkeitsdaten zu veröffentlichen“. Wichtig sei der Vorschlag, per einheitlichem digitalem Format berichten und den Nachhaltigkeitsbericht in den Lagebericht aufnehmen zu müssen.

Freiwillige Standards für alle anderen

Für nicht-börsennotierte KMU will die Kommission freiwillige Standards entwickeln. Das ist einer von mehreren Punkten, die Nichtregierungsorganisationen kritisieren. Auch der RNE sieht kritische Aspekte: „Der Kommissionsvorschlag fokussiert aus unserer Sicht zu stark auf quantifizierbare Daten und damit auf Kapitalmarktakteure“, sagte Schnappauf. „Daten müssen jedoch auch von der breiten Öffentlichkeit genutzt und nachvollzogen werden können, denn Nachhaltigkeit in Unternehmen sollte nicht zur Debatte unter Spezialistinnen und Spezialisten werden.“

Tatsächlich sehen das auch Anleger und Investoren immer mehr so. Einer Studie der Ratingagentur Fitch zufolge ist das Interesse von Investoren in ESR-Investments kontinuierlich gestiegen und hat 2020 einen neuen Höchststand erreicht. Auch im Verhältnis zum erwirtschafteten Gewinn bewerten Anleger den Kurs von Firmen, die sich Klimaneutralität zum Ziel gesetzt haben, besser.

Susanne Bergius

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