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In der Spargelsaison kommt man daran nicht vorbei: Spargel mit Schnitzel steht auf jeder Restaurantkarte.

© Tanja - stock.adobe.com

Spargelsaison endet: Nachruf auf ein überschätztes Gemüse

Spargel ist in der Regel teuer, sieht nach nichts aus und schmeckt überhaupt nur, wenn er in Butter oder Soße schwimmt. Jetzt geht seine Zeit zu Ende. Macht gar nichts. Eine Glosse

Eine Glosse von Ariane Bemmer

Jedes Jahr das Spargel-Theater: Die Saison beginnt, die Leute rennen los, jammern über die hohen Preise, kaufen trotzdem – und dann liegen sie wieder auf den Tellern: blassgelbe Gemüsestangen, schlecht zu schneiden, aber auch als Ganzes nicht in Würde zu verzehren. Erklären kann man das nicht. Oder? Weißes Gold, Edelgemüse, Königsgemüsen, die Spargelumschreibungen klingen samt und sonders nach Schmuckschatulle, mithin wertvoll und erstrebenswert, was aber an sich noch keine Erklärung für den alljährlichen Frühsommerhype ist.

Zum Edlen am Spargel wird auch seine begrenzte Verfügbarkeit gerechnet, weil auch für Gemüse gilt: Mach dich rar, sei ein Star. Ist der Zeitpunkt dann allerdings erreicht, gibt es plötzlich kein Entkommen mehr. Gastronomen in Stadt und Land streichen ihre sonstigen Menüangebote durch, erklären die Spargelsaison für eröffnet und bieten nichts Anderes mehr an. Spargel mit Schinken, Spargel mit Schnitzel, Spargel mit Pasta, Spargel im Salat, Spargel als Suppe, Spargel als Vorspeise, als Hauptgericht, gibt es eigentlich auch Spargeleis?

Und nach was schmeckt Spargel überhaupt? "Wässrig mit einem Hauch von Süße. Erfrischend! So wie eine leichte Brise an einem schwülen Sommertag“, bietet organiccottage.blogspot als Antwort an. Andere sagen: leicht bitter. Leicht und wässrig, das sind schon Hinweise: Allzu viel Nährwert wird nicht daran sein. Und in der Tat werden von Gesundheitsbewussten gern die Kalorien- und Fettlosigkeit des Spargels gerühmt. Aber was nützen die, wenn das Gemüse regelmäßig in reichlich Butter oder fetter Soße schwimmend serviert wird? Oder gar ohne die fetttriefenden Beigaben kaum genießbar ist?

Spargel unter Folie: Ganze Landstriche werden zu Mondlandschaften

Und dann dieser stechende Urin! Weil Spargel sich im Menscheninnern auswirkt: harntreibend und entschlackend. Angeblich soll, das wird gern zitiert, Marcel Proust das spezielle Odeur zur Parfümnote verklärt haben. Aber das könnte ja auch ein Übersetzungsfehler gewesen sein.

Umweltbewusste sind übrigens grundsätzlich skeptisch dem Spargel gegenüber: Weil die Sitte, ihn unter gigantischen Plastikplanen heranreifen zu lassen, eine Müllfrage provoziert. Abgesehen von der Verwandlung ganzer Landstriche in silbern glänzende Mondlandschaften.

Für dieses Jahr ist nun also Schluss. Die Spargelbauern klagen, denn es war erst zu kalt und dann zu heiß, so gab es erst zu wenig und dann viel zu viel, die Discounter verramschten das sonst kostspielige Stangenzeug. Und umständlich zu bergen ist es auch, was zu der Frage führt, wer das künftig tun soll. Die Erntehelfer aus Rumänien und Polen werden immer knapper, weil die sich lieber im besser zahlenden Baugewerbe verdingen. Und Flüchtlinge dürften nur nach Einzelfallprüfungen auf den Feldern arbeiten, was – wie einer der Bauern sagte - keinen Sinn mache, wenn solche Prüfungen sich länger hinziehen als die Saison dauert.

Was also ist Spargel wirklich? Eine Erinnerung an eine Ordnung und Vorhersehbarkeit – und sei es nur im Supermarktsortiment? Die Sehnsucht nach Ritualen in einer individualistischen Gesellschaft? Oder einfach nur ein überschätztes Gemüse?

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