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Ein zerkratztes Logo der Silicon Valley Bank (Illustration)

© Reuters/Dado Ruvic

Pleite der Silicon Valley Bank: Was der Bankenkollaps für die USA und Europa bedeutet

Trotz Stützung durch die US-Regierung ist die Unsicherheit weiter groß. Wie kam es zur Pleite der Silicon Valley Bank? Droht eine neue Finanzkrise? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

In der Tech-Branche ist die Erleichterung groß. Die US-Aufsichtsbehörden sicherten am Sonntagabend (Ortszeit) zu, dass die Kunden der angeschlagenen Silicon Valley Bank (SVB) am Montag wieder Zugang zu ihren kompletten Einlagen bekommen sollten.

Die Ankündigung soll die Nervosität an den Finanzmärkten beruhigen und einen Ansturm auf die Einlagen anderer Finanzinstitute verhindern. Wird das funktionieren? Wie kam es überhaupt zur Pleite? Welche Rolle spielt die Bank in Deutschland und Europa? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.


Wie kam es zur Pleite?

Die US-Behörden hatten die Silicon Valley Bank am Freitag geschlossen und unter staatliche Kontrolle gestellt. Das kalifornische Geldinstitut war infolge von Verlusten in Milliardenhöhe in massive Schwierigkeiten geraten: In der Nacht zum Donnerstag meldete die Bank zusätzlichen Eigenkapitalbedarf an, weil sie größere Anleihebestände in der Bilanz abschreiben musste. In der Folge begannen allerdings noch mehr Kunden ihre Einlagen bei der Bank abzuziehen.

Kunden stehen Schlange vor der Zentrale der Silocon Valley Bank in Santa Clara, Kalifornien.

© Reuters/Brittany Hosea-Small

Um den Kapitalbedarf seiner Kunden zu decken, sah sich die Silicon Valley Bank wiederum gezwungen, ihre Bestände an US-Staatsanleihen zu reduzieren. Dabei macht die SVB einen enormen Verlust, da die Kurse der Anleihen durch den Zinsanstieg in den Keller gingen.

Die Entwicklungen sorgten für große Nervosität bei Banken und Investoren. Firmen im ganzen Land begannen ihre Einlagen abzuziehen. Vor allem die Aktien amerikanischer Banken gerieten aus Sorge vor Kreditausfällen unter erheblichen Druck. Die Börsenwertverluste beliefen sich auf rund 80 Milliarden Dollar.


Welche Rolle spielt die Silicon Valley Bank in den USA?

Die Bank war mit einer Bilanzsumme von 209 Milliarden US-Dollar per Ende 2022 die Nummer 16 der USA. Seit den 1980er Jahren spielt sie bei der Finanzierung von Start-ups, vor allem aus dem Technologiesektor, eine wichtige Rolle. Das Institut ist eng mit der Start-up-Landschaft im Silicon Valley verbunden.

Durch die Schließung der Bank sahen sich viele junge Unternehmen gefährdet, offenen Verpflichtungen wie Lohnzahlung nachkommen zu können. In der Branche äußerten zahlreiche Gründer:innen und Investoren die Befürchtung, die Pleite der Silicon Valley Bank werde Start-ups und damit Innovationen um eine Dekade zurückwerfen.


Wie reagierten die US-Behörden?

Eine Reihe einflussreicher Hedgefonds-Manager hatte am Wochenende auf staatliche Maßnahmen gedrängt. US-Finanzministerin Janet Yellen schloss am Sonntag eine staatliche Rettung der Silicon Valley Bank allerdings aus. In einem CBS-Interview sagte sie, man werde nicht noch einmal wie in der Finanzkrise 2008 einschreiten.

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Mit einer gemeinsamen Stellungnahme von Finanzministerin Yellen, Notenbank-Chef Jerome Powell sowie der amerikanischen Einlagensicherung FDIC wirkte man am Sonntagabend der allgemeinen Nervosität der Finanzmärkte sowie der Start-up-Szene entgegen.

Während Einlagen in den USA nur bis zu einer Obergrenze von 250.000 Dollar versichert sind und anfangs die Rede davon war, dass Kunden nur auf bis zu 50 Prozent ihrer Guthaben zugreifen könnten, kündigte Yellen die volle Entschädigung von SVB-Kunden an.

Auch US-Präsident Joe Biden versicherte in einer Stellungnahme am Sonntagabend, die Menschen bräuchten sich nicht um ihre Einlagen sorgen: „Die amerikanische Bevölkerung und amerikanische Unternehmen können darauf vertrauen, dass ihre Bankeinlagen da sind, wenn sie sie brauchen“. Er kündigte außerdem weitere Maßnahmen in den kommenden Tagen an.

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Welche Rolle spielt die SVB in Deutschland?

In Deutschland und Europa spielt die SVB eine vergleichsweise untergeordnetere Rolle. Jüngsten Unternehmensangaben zufolge soll die Bank in Europa rund 3600 Kunden zählen. Dabei sollen rund 10 Prozent aus Deutschland kommen. Die Bank ist hier seit Mai 2018 tätig.

Anders als in den USA beschränkt sich das Geschäft in Deutschland allerdings auf die Kreditvergabe. Trotzdem haben einzelne Start-ups Einlagen in den USA oder dem britischen Ableger der Bank. In welchem Ausmaß deutsche Firmen betroffen sind, ist aktuell noch unklar. Der Geschäftsführer des Start-up-Bundesverbandes sagte, er kenne bisher nur Einzelfälle.


Wie reagierte man in Deutschland auf die Bankenpleite?

Vor Beratungen der Euro-Länder in Brüssel sagte Finanzminister Christian Lindner FDP), er sehe keine größeren Risiken für die Finanzstabilität in Deutschland und Europa. Die US-Regierung und die Finanzinstitutionen hätten „entschlossen gehandelt“.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

© AFP/Kenzo Tribouillard

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) teilte am Montag mit, die Notlage der Silicon Valley Bank habe keine Bedrohung für das deutsche Finanzsystem. Da die Bilanzsumme der deutschen Tochter zum Ende 2022 nur 789 Millionen Euro betrage, habe sie „keine systemische Relevanz“.

Trotzdem verhängte die Bafin ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot aufgrund der „bestehenden Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber Gläubigern“. Die Bafin ordnete außerdem an, den Kundenverkehr der Bank zu schließen. 


Wie reagieren andere Länder in Europa?

In Großbritannien sagte Finanzminister Jeremy Hunt am Sonntag bereits Liquiditätshilfen zu, nachdem ihn mehr als zweihundert Gründer:innen in einem öffentlichen Brief zum Eingreifen aufgefordert hatten.

Wir waren mit einer Situation konfrontiert, in der einige unserer strategisch wichtigsten Unternehmen hätten vernichtet werden können, und das wäre extrem gefährlich gewesen.

Der britische Finanzminister Jeremy Hunt zum Eingreifen nach der SVB-Pleite

Am Montag verkündete er die Übernahme der britischen Tochter der SVB durch die britische Großbank HSBC. Für einen symbolischen Preis von einem Pfund sicherte sich die HSBC die rund 650 Mitarbeitenden sowie tausenden Geschäftskunden. „Wir waren mit einer Situation konfrontiert, in der einige unserer strategisch wichtigsten Unternehmen hätten vernichtet werden können, und das wäre extrem gefährlich gewesen“, so Hunt.

Der britische Finanzminister Jeremy Hunt

© Reuters/Henry Nicholls

In Frankreich sieht man dagegen keine Risiken für das französische Bankensystem. Dem Radiosender Franceinfo gegenüber teilte Finanzminister Bruno Le Maire mit: „Wir beobachten die Situation in den USA, aber es gibt keinen spezifischen Alarm für das französische Bankensystem.“


Droht nach 2008 eine neue Finanzkrise?

Experten zufolge ist es unwahrscheinlich, dass der Fall der Silicon Valley Bank eine Finanzkrise wie 2008 auslösen könnte. Der starke Fokus auf den Technologiesektor sowie das nicht ausreichend abgesicherte Portfolio an Staatsanleihen machte die SVB besonders anfällig für plötzliche Abhebungen. Außerdem ist die Silicon Valley Bank bei Weitem nicht so groß, wie es die Investmentbank Lehman Brothers 2008 gewesen ist.

Nach Ansicht von Gerhard Schick, dem Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, verhinderte die schnelle Reaktion der amerikanischen Behörden wohl das Schlimmste. „Dennoch wird die Zinswende noch das eine oder andere Institut in massive Bedrängnis bringen“, sagte er dem Tagesspiegel. „Auch manche Bank oder Sparkasse in Deutschland hat wie die SVB Einlageüberhänge genutzt, um Finanzanlagen zu tätigen, die sich jetzt schlechter entwickeln als gedacht“, fügte er hinzu.

Der Fall der SVB zeigt einmal mehr, wie krisenanfällig die Finanzmärkte sind und dass es offenbar immer wieder Akteure gibt, die bei der Aufsicht durchrutschen.

Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende

Der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sieht für Europa keine „reale Gefahr einer Ansteckung“. Die Situation müsse aber weiter beobachtet werden, sagte der Italiener in Brüssel vor dem monatlichen Treffen der Euro-Gruppe.


Wie geht es jetzt weiter?

Die Suche nach Käufern für die Bank aus Santa Clara läuft auf Hochtouren. Es könne jedoch dauern, bis ein oder mehrere Käufer gefunden werden, hieß es aus dem Finanzministerium am Sonntagabend (Ortszeit).  US-Präsident Biden kündigte derweil an, er werde die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen und versicherte, die Steuerzahler des Landes müssten nicht für Verluste rund um die Bankenpleite einstehen. Den Kongress rief er außerdem zu einer stärkeren Regulierung des Sektors auf.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) sagte, man beobachte möglichen Auswirkungen der Pleite der Silicon Valley Bank auf die Finanzstabilität. Bislang gäbe es keine Anzeichen, dass sich die Krise ausweiten könnte.

Die Federal Reserve, die US-Notenbank, will mit Zustimmung des US-Finanzministeriums ein neues Programm auflegen, um Banken eine Notfinanzierung zu geben und sie so zu stützen. In Bezug auf ihre Zinspolitik könnte die Fed ihr Tempo nun reduzieren. Geplant war eine Anhebung der Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte in der kommenden Sitzung am 22. März. Expertinnen und Experten zufolge könnten die aktuellen Entwicklungen die Notenbank veranlassen, die Zinsen nur um 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen.

Der Finanzexperte Gerhard Schick sprach sich am Montag für eine bessere Abwicklung von Banken aus. Es helfe nicht, in solchen Momenten nur die Fragilität der Finanzmärkte anzuerkennen, um dann zur Tagesordnung überzugehen. Dem Tagesspiegel sagte er „Wir brauchen größere Kapitalpuffer und einen Abwicklungsmechanismus in Europa, der dafür sorgt, dass die Steuerzahlenden bei Bankenrettungen wirklich außen vor sind“.

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