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Auf der Suche nach Empfang. In Deutschland gibt es mehr Funklöcher als in Albanien, zeigt eine aktuelle Studie des Aachener Beratungsunternehmens P3. Eine staatliche Netzinfrastrukturgesellschaft soll nach CSU-Plänen nun den Ausbau voranbringen.

© imago/Westend61

Mobilfunkausbau: Neue Behörde soll Funklöcher stopfen

Der Ausbau des Mobilfunknetzes in Deutschland geht nicht schnell genug voran. Nun setzt die CSU auf eine staatliche Lösung.

Joachim Tessenow lebt jetzt in einer neuen Welt. Er könne mit seinem Smartphone telefonieren, E-Mails verschicken, sogar Onlinebanking sei möglich, erzählt er: „Endlich sind wir erreichbar.“ Tessenow ist ehrenamtlicher Bürgermeister von Kleßen-Görne, ein Dorf im brandenburgischen Havelland, in dem es bis Juli je nach Windrichtung kaum bis gar keinen Mobilfunkempfang gab. Dann stellte die Telekom unter prominenter Begleitung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zwei Mobilfunkmasten auf. Doch in zahlreichen weiteren Regionen Deutschlands stecken die Menschen weiter im Funkloch. Das soll sich nun ändern: Mitglieder der schwarz-roten Koalition setzen dabei auf eine staatliche Lösung, weil ihnen die Mobilfunkbetreiber nicht schnell genug und ausreichend handeln.

Gegründet werden soll eine staatliche Infrastrukturgesellschaft, heißt es in einem Beschlusspapier der CSU, das jetzt bei der Klausurtagung in Seeon diskutiert wird. Konkret soll der Staat demnach dort Mobilfunkmasten bauen, wo der Netzausbau nicht funktioniert oder für private Anbieter nicht wirtschaftlich ist.

Anbieter sollen Netze lokal öffnen

„Funklöcher passen nicht zu unserem Anspruch als eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt“, sagte Digitalstaatsministerin und CSU-Vizechefin Dorothee Bär dem Tagesspiegel. Ziel sei ein „flächendeckender Mobilfunk für Deutschland“. Deshalb sollten die Mobilfunkbetreiber mit einer Anschlussverpflichtung belegt werden und Gebühren entrichten, um die staatlichen Investitionen zu refinanzieren. Wenn die Mobilfunknetzbetreiber „nicht freiwillig beim Netzausbau kooperieren, muss die Bundesnetzagentur die Möglichkeit haben, in Ausnahmefällen zum lokal begrenzen Roaming zu verpflichten“, betonte Bär.

Beim lokalen Roaming sollen die Anbieter von Mobilfunk ihre Netze für Kunden der Wettbewerber öffnen, um dadurch die Netzabdeckung für alle Nutzer zu sichern. In Kleßen-Görne beispielsweise haben nun Telekom-Kunden Empfang, die Kunden von O2-Mutter Telefonica und Vodafone stecken nach Aussage von Tessenow dagegen weiter im Funkloch.

Die Netzbetreiber lehnen nationales wie lokales Roaming jedoch ab. Sie beklagen eine erhebliche Rechtsunsicherheit und sehen im Roaming-Zwang eine Entwertung ihrer teuren Investitionen. Eine solche Auflage würde den Ausbau deshalb eher ausbremsen als befeuern.

Telekom, Vodafone und Telefonica halten sich bedeckt

Der stellvertretende Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) kündigte jedoch an, „kurzfristig“ die gesetzlichen Regelungen dafür schaffen zu wollen, „dass die Netzbetreiber in Ausnahmenfällen zum lokalen Roaming verpflichtet werden können“. „Damit erhalten alle am Markt tätigen Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit und wir setzen europäische Vorgaben schnell um“, sagte er dem Tagesspiegel. Bis Mitte des Jahres müsse „ein vollständiges und bundesweites Mobilfunkkonzept erarbeitet“ werden. Eine Infrastrukturgesellschaft könne ein sinnvolles Instrument sein.

Aus Sicht von Bundesnetzagentur-Chef Jochen Homann bestätigen die CSU-Pläne, dass „es ganz ohne öffentliches Geld keine vollständige Flächenabdeckung geben wird“. Allerdings führten mehrere Wege zum Ziel: „Die Netzinfrastrukturgesellschaft steht neben klassischen Fördermodellen und dem innovativen Vorschlag einer Negativauktion der sogenannten weißen Flecken.“

Die drei Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefonica wollen sich nicht zu den Plänen für eine staatliche Netzinfrakstrukturgesellschaft äußern. Derzeit gibt es heftigen Streit um die staatlichen Auflagen für die im Frühjahr anstehende Versteigerung der Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G. Die großen Netzbetreiber klagen gegen die Vorgabe, weil diese aus ihrer Sicht zu weitgehend und unrealistisch sind.

"Ein neues Manöver des Bundes"

Während Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, für eine „unabhängige Prüfung“ des Vorschlags für eine Netzinfrastrukturgesellschaft plädiert, lehnt Martin Gorholt (SPD), Chef der Staatskanzlei des Landes Brandenburg, die Pläne ab. Er sieht darin „ein neues Manöver des Bundes, sich aus seiner Verantwortung zu stehlen und so dringend benötigte Entscheidungen weiter zu verschieben und an Dritte zu delegieren“. „Was wir jetzt aber brauchen, sind mutige Entscheidungen und keine neuen Behörden“, sagte er dem Tagesspiegel. Brandenburg setze sich dagegen dafür ein, die Mobilfunkversorgung als Universaldienstleistung im Telekommunikationsgesetz zu verankern.

Kleßen-Görnes Bürgermeister Tessenow sagt, ihm sei egal, auf welchem Weg die Funklöcher geschlossen werden, „Hauptsache, es passiert endlich was“: „Es kann doch nicht sein, dass wir immer Weltmeister sein wollen und dann gehören wir bei der Mobilfunkversorgung zu den Letzten in Europa.“ Mitarbeit: Viola Heeger

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