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Alles bestens für die Rinder, zumindest laut dem Präsidenten des Bauernverbands.

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Update

Start der Grünen Woche: Minister Friedrich erwartet höhere Lebensmittelpreise

Vor der Grünen Woche versichert Bauernpräsident Rukwied, es gebe in Deutschland keine Massentierhaltung. Die Landwirtschaft schätzt ihre Lage 2014 „verhalten optimistisch“ ein. Die Preise könnten dennoch steigen.

Von Maris Hubschmid

Gute Nachrichten vor der Grünen Woche: Den Kühen geht es prima. „Kühe werden in Deutschland besser ernährt als Menschen“, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbandes, zwei Tage vor Eröffnung der Messe am Freitag. „Es gibt Relaxzonen in den Ställen, wir haben keine Massentierhaltung.“ Rukwied muss es wissen. „Wir sind es, die sich 350 Tage im Jahr um die Tiere kümmern.“ Er sei deshalb nicht bereit, unsachliche Diskussionen mit Organisationen zu führen, die die Branche „diffamieren“ wollten, sagte der Verbandschef. Natürlich sei der Bauernhof 2014 nicht mehr der gleiche wie in den 50er Jahren. Die Zahl gehaltener Tiere stünde aber nicht in Korrelation zu der Artgerechtigkeit.

Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich stimmte die Verbraucher auf steigende Lebensmittelpreise ein. „Es ist zu erwarten, dass die weltweit steigende Nachfrage, insbesondere aus den aufstrebenden Regionen Asiens, sich auf die Lebensmittelpreise auswirkt“, sagte der CSU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa.

Die größte Agrarmesse der Welt wird in diesem Jahr größer als je zuvor: Mit 124 000 Quadratmetern Ausstellfläche und Teilnehmern aus 70 Nationen knackt sie gleich zwei Rekorde. Die Veranstaltung, die erstmals 1926 stattfand, befinde sich im Allzeithoch, erklärte Messechef Christian Göke am Mittwoch. „Wir kommen, was die Auslastung betrifft, schon an unsere Grenzen.“ „Einen wahren Genusstempel“ versprach Bauernverbandschef Joachim Rukwied den Verbrauchern, aber auch politisch gewinne die Messe zunehmend an Bedeutung. „Die Internationale Grüne Woche hat sich zur agrarpolitischen Leitmesse schlechthin entwickelt.“ Allein 70 Landwirtschaftsminister würden erwartet.

Die Landwirtschaft selber schätzt ihre Lage 2014 derweil „verhalten optimistisch“ ein. Zwar habe man im Inland zuletzt lediglich 0,4 Prozent mehr Erzeugnisse absetzen können. Der Export lege aber zu und sei unverzichtbar. Jeden dritten Euro verdient die Branche mittlerweile im Ausland. Der Ruf deutscher Erzeugnisse sei ausgezeichnet, sagte Rukwied: „Wir produzieren hochwertige, sichere Lebensmittel, die zudem noch schmecken.“ Mit 550 000 Beschäftigten stellt die Ernährungsindustrie Deutschlands viertgrößten Industriezweig dar.

„Es gibt eine Skepsis gegenüber manchen Verfahren“, sagte Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, auch mit Blick auf den Einsatz von Antibiotika. „Wir haben eine Verantwortung gegenüber Natur, Wasser und Tier. Aber wir sind eine der Schlüsselwirtschaften des 21. Jahrhunderts, und Einiges ist alternativlos.“ Um den Forderungen nach mehr Transparenz gerecht zu werden, biete die Messe diesmal besonders viele Hintergrundinformationen: So soll im Bereich „ErlebnisBauernhof“ realistisch gezeigt werden, wie Schweine gehalten und Kühe maschinell gemolken werden.

Bauernverbandschef Joachim Rukwied stellt seiner Branche ein gutes Zeugnis aus.

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Verbraucherschützer, Umweltbundesamt (UBA) und Ökobauern kritisierten derweil den schwachen Einsatz für den Ausbau des Ökolandbaus. Ginge die Entwicklung voran wie bisher, würde das Ziel der Bundesregierung, 20 Prozent der Landwirtschaftsfläche von Bio-Bauern bestellen zu lassen, erst 2078 erreicht, sagte UBA-Chef Thomas Holzmann. 2013 stieg der Flächenanteil demnach von sechs auf 6,3 Prozent, obwohl die Nachfrage nach Biolebensmitteln höher ist und stetig zunimmt. Sie werden deshalb aus anderen Ländern importiert. „Die Bauern können rechnen“, sagte Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Ökolandbau lohne nicht, und das sei „ein absolutes Versagen der Politik“. Statt Subventionserhöhungen schlägt der Verband „indirekte Vorteile“ vor und nannte eine Steuer auf Pestizide.

Im Vorfeld der Agrarmesse wiesen der Bundesverband der Verbraucherzentralen und das Umweltbundesamt (UBA) am Mittwoch auch auf die Eigenverantwortung der Verbraucher hin. Der hohe Fleischkonsum in Deutschland führe zu einer schlechten Ökobilanz und trage Mitschuld an einer Verschlechterung der Grundwasserqualität in vielen Gebieten, erklärte UBA-Chef Thomas Holzmann. Überschüssiger Stickstoff aus der Landwirtschaft belaste speziell dort, wo viel Vieh gehalten werde, Luft und Boden. Konsumenten sollten deshalb ihre Verzehrgewohnheiten überdenken. Im Durchschnitt aßen die Deutschen im Jahr 2012 60 Kilogramm Fleisch. Holger Krawinkel, Leiter Verbraucherpolitik beim VZBV, kritisierte den hohen Anteil an Lebensmitteln, die ungenutzt im Müll landen. Weltweit würden bei der Nahrungsproduktion jedes Jahr so 1,3 Milliarden Tonnen Treibhausgasemissionen völlig unnötig ausgestoßen.

Die Internationale Grüne Woche (IGW) findet zum79. Mal in Berlin statt. Sie beginnt am Freitag und dauert vom 17. bis 26. Januar. Rund 1650 Aussteller präsentieren sich auf dem Messegelände. Partnerland ist Estland, das in etwa so viele Einwohner hat wie Ostberlin. Zum ersten Mal seit 21 Jahren ist der Iran dabei, auch die Philippinen haben einen Stand. „Ihre Teilnahme haben wir nach dem verheerenden Taifun besonders unterstützt“, sagt Messechef Christian Göke. Aus Deutschland sind 500 Unternehmen und Organisationen vertreten. Neben zahlreichen interessierten Verbrauchern werden auch rund 100 000 Fachbesucher erwartet. 300 Konferenzen gibt es im Rahmen der Agrarmesse, im Mittelpunkt steht das „Global Forum for Food and Agriculture“ am Wochenende, zu dem 70 Landwirtschaftsminister angekündigt sind. Eröffnet wird die IGW am Donnerstagabend von Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich.

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