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Wirtschaft: Mendelssohn-Preis für gute Taten

Wirtschaft erinnert mit Medaille an Berliner Bankier.

Die erste Geige als Wirtschaftsführer hat Franz von Mendelssohn, den Berlins Industrie- und Handelskammer gemeinsam mit der Handwerkskammer zum Patron ihrer Medaille bestimmt hat, auf unterschiedliche Weise gespielt. Der Ururenkel des Philosophen Moses Mendelssohn war 1901 zum Ältesten der Kaufmannschaft gewählt worden; Präsident der Berliner Handelskammer ist er ab 1914. Als Seniorchef seiner Bank zieht er sich aus dem operativen Geschäft zurück, rückt 1921 an die Spitze des Deutschen Industrie- und Handelstages. Hier gibt er Politikern der jungen Republik Auftrittschancen. 1931 leitet er die Konferenz der Internationalen Handelskammer. Nach seinem gesundheitsbedingten Abtreten ernennen ihn alle drei Organisationen zum Ehrenpräsidenten.

Außerdem beherrscht Franz von Mendelssohn so gut die Violine, dass Virtuosen mit ihm privat musizieren. In seiner Grunewaldvilla finden grandiose Konzerte statt; Tochter Lilli, eine für Kulturprojekte in Arbeitervierteln engagierte Geigerin, heiratet den Komponisten Emil Bohnke. Das Ehepaar verunglückt 1928, seine drei Kinder wachsen nun bei den Großeltern auf. Wenn am Donnerstag zum neunten Mal Berliner Betriebe für ihren sozialen Einsatz die Franz von Mendelssohn-Medaille erhalten, soll auch Bohnkes Klaviertrio von 1920 erklingen. Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz und IHK-Chef Eric Schweitzer stiften aus privaten Mitteln das Preisgeld von 10 000 Euro .

Seinem jüdischen Urgroßvater, dem Bankgründer und Stifter Joseph Mendelssohn, hatte der als Kind getaufte Franz später auf dem Feld bürgerlicher Verantwortung nachgeeifert. Er gehört zu den Gründern der Kaiser-Wilhelm-(heute: Max-Planck) Gesellschaft, finanziert die Moses Mendelsohn Stiftung zur Förderung der Geisteswissenschaften. 1913 war er als loyaler Monarchist Mitglied des Herrenhauses geworden; zu Weimarer Zeiten wirbt er um Vertrauen für die Demokratie. Als er 1935 mit 70 Jahren stirbt, schreibt Leo Baeck, Präsident der Reichsvereinigung deutscher Juden, in seiner Persönlichkeit hätten „ein Stück Geschichte vererbten reinsten Menschentums und edelster deutscher Kultur“ sowie Vornehmheit und Güte ihren Ausdruck gefunden.

Der hohe Ton verweist auch auf den Abschied von einer bürgerlichen Epoche. Vorausgegangen war dem Tod des „Bankherrn" (so stand es auf seinen Briefbögen) die beginnende „Arisierung“ der Wirtschaft. Vor einer Feier in der Internationalen Handelskammer erhielt er 1933 einen Anruf, dass es ihm sicher angenehm sei, nicht zu erscheinen, der Führer komme. Drei Jahre nach seinem Tod gehen Mendelssohn & Co . in Liquidation. Seine Villa wird konfisziert, die Witwe Marie entkommt gegen Lösegeld an die SS nach Schweden, Schwägerin Liz Westphal wählt vor der Deportation den Freitod.

Bis 1933 hatte von Mendelssohn im Generalrat der Reichsbank gesessen, deren Vizepräsident ihm 1935 nachrief: Der Verstorbene habe als „würdiger Erbe“ von Generationen deutscher Wirtschaftsführer „erfolgreichsten Anteil" am Wiederaufbau des Vaterlandes genommen und „ die gesamte Welt umspannenden Kaufmannsgeist“ repräsentiert. Liebenswerteste Eigenschaft des Bankiers sei eine „durch nichts zu trübende anima candida“ gewesen: seine reine Seele. Thomas Lackmann

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