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Zuwanderung: Mehr als Gastarbeiter

Ausländische Arbeitnehmer tun der deutschen Wirtschaft gut. In den vergangenen zehn Jahren kamen immer mehr Fachleute und Akademiker. Ökonomen fordern jetzt noch mehr Zuwanderung.

Berlin - Gleich mehrere Bundesregierungen dürfte Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, glücklich gemacht haben. „Die ökonomisch gesteuerte Zuwanderungspolitik im vergangenen Jahrzehnt hat sich als richtig erwiesen“, sagte er am Donnerstag bei der Vorstellung einer Studie in Berlin. Zwischen 1999 und 2009 sind demnach 185 000 Akademiker aus mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern sowie 42 000 Mediziner nach Deutschland eingewandert. Mit einer geschätzten Wertschöpfung von mindestens 13 Milliarden Euro jährlich, trügen sie erheblich zum Erhalt des Wohlstands in Deutschland bei. „Die gesamte Wertschöpfung aller 1,3 Millionen erwerbstätigen Zuwanderer dürfte um ein Vielfaches höher liegen“, sagte Hüther weiter.

Vor allem der Anteil an hoch spezialisierten Fach- und Führungskräften – Ärzten, Juristen, Geschäftsführern oder wissenschaftlichen Lehrkräften – unter den Zuwanderern nahm in den vergangenen zehn Jahren deutlich zu. Lag er im Jahr 2000 noch bei zwölf Prozent, waren es 2009 schon 21 Prozent. Das entspricht dem bundesdeutschen Durchschnitt. Insgesamt hat gut jeder vierte der Neuzuwanderer im erwerbsfähigen Alter einen Hochschulabschluss, 41 Prozent haben hingegen gar keinen berufsqualifizierenden Abschluss. Im Vergleichszeitraum stieg jedoch der Akademikeranteil der Neuankömmlinge um elf Prozentpunkte, während der ohne Abschluss um neun Punkte sank.

Vor allem, wer aus west- und südeuropäischen Staaten nach Deutschland kommt, ist gebildet: Hier verfügt fast jeder Zweite über einen Hochschulabschluss. Auch Zuwanderer aus den ehemaligen Sowjetrepubliken und Asien haben mit rund 25 Prozent wesentlich häufiger ein Studium abgeschlossen als die deutsche Durchschnittsbevölkerung.

Seit dem Jahr 2000 versuchten alle Bundesregierungen, den Fachkräftemangel durch gezielte Zuwanderung zu bekämpfen. Angefangen bei der von Rot-Grün eingeführten sogenannten Greencard, die auf dem Höhepunkt der Dotcomblase eingeführt wurde, über das Zuwanderungsgesetz von 2004, bei dem die Höhe des Mindestverdienstes als Eintrittshürde inzwischen gesenkt wurde. Zum 1. August tritt die EU-weit gültige Bluecard in Kraft, durch die die Einkommensschwellen nochmals sinken. Hoch qualifizierte Zuwanderer aus Drittstaaten müssen dann ein künftiges Jahreseinkommen von mindestens 44 800 Euro nachweisen. Für medizinische Berufe oder solche mit mathematisch-technischem Hintergrund und Informatik (MINT) liegt die Eintrittsgrenze sogar knapp unter 35 000 Euro.

Arbeitnehmervertreter sehen die Entwicklung angesichts der aktuellen Situation auf dem Arbeitsmarkt kritisch (siehe Kasten). Noch entstehen hierzulande zwar neue Arbeitsplätze, die Zahl der Arbeitslosen sinkt jedoch seit Monaten nur noch wenig. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg erklärt das Phänomen unter anderem mit der wachsenden Zuwanderung aus Ost- und Südeuropa.

Deutsche Unternehmen hätten viele neu entstandene Jobs mit Fachleuten aus Polen, Bulgarien, Rumänien und anderen EU-Ländern besetzt, die seit Mai 2011 ohne Beschränkungen in Deutschland arbeiten dürfen, sagte BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker kürzlich. Hinzu kommen Ingenieure und Facharbeiter aus den Euro-Krisenländern Spanien und Griechenland. Für IW-Chef Hüther ist das langfristig zu wenig. „Wir brauchen in Deutschland eine bessere Willkommenskultur. Die Zuwanderung nur aus Europa reicht nicht.“

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