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Bereit für den Start. Die Lufthansa-Aktionäre wollten genau wissen, wie es beim Unternehmen weitergeht. Auf der Hauptversammlung im Internet musste der Vorstand am Donnerstag insgesamt 639 Fragen der Gesellschafter beantworten.

© dpa

Lufthansa-Aktionäre billigen das für Hilfspaket: Deutliche Mehrheit für staatliche Unterstützung

Auch die EU-Kommission stimmt zu: Der Staat übernimmt 20 Prozent des Unternehmens. Gewerkschaften verhandeln noch über Sparmaßnahmen.

Die Nachricht aus Brüssel kam wie bestellt: Gerade rechtzeitig zum Beginn der außerordentlichen, virtuellen Hauptversammlung am Donnerstagmittag genehmigte die EU-Kommission das Stabilisierungspaket für die Lufthansa. „Heute ist ein entscheidender Tag für die Lufthansa“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). „Es liegt ein gutes Angebot auf dem Tisch, die Lufthansa-Aktionäre sollten es annehmen.“ Das taten sie dann auch: Am frühen Abend stimmten gut 98 Prozent dem Hilfspaket zu inklusive einer 20-prozentigen Beteiligung des Staates. Das war deutlich mehr als die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Damit ist ein Insolvenz vermieden worden, und die Lufthansa kann sich nun auf das Hochfahren des Flugverkehrs konzentrieren. Der Wettbewerber Ryanair will sich indes nicht abfinden mit der staatlichen Überlebenshilfe und kündigte den Gang vor den Europäischen Gerichtshof an. „Dies ist ein spektakulärer Fall, in dem ein reicher EU-Mitgliedstaat die EU-Verträge zum Nutzen seiner nationalen Industrie und zum Nachteil ärmerer Länder ignoriert“, schimpfte Ryanair-Chef Michael O’Leary.

Neun Milliarden können nun fließen

Nach wochenlangen Verhandlungen hatten sich Bundesregierung und Unternehmen am 25. Mai auf ein Hilfspaket im Volumen von neun Milliarden Euro verständigt. Die EU stimmte zu, nachdem sich die Lufthansa bereiterklärt hatte, auf ihren großen Umsteigeflughäfen Frankfurt und München Start- und Landerechte abzugeben.

Das Paket hat folgenden Inhalt: Der Bund gibt auf dem Wege einer Stillen Beteiligung 4,7 Milliarden Euro als zusätzliches Eigenkapital ins Unternehmen, das anfänglich mit vier Prozent verzinst wird. Dazu kommt eine weitere Stille Beteiligung von einer Milliarde Euro, die unter bestimmten Umständen (Abwehr einer Übernahme oder Ausbleibende Zinszahlungen) in mindestens fünf Prozent Aktien gewandelt werden können. Für die Beteiligungen über insgesamt 5,7 Milliarden Euro ist eine ansteigende Verzinsung von anfangs vier Prozent bis auf 9,5 Prozent vorgesehen. Weil das Geld also immer teurer wird, möchte Vorstandschef Carsten Spohr gerne die Hilfe bis 2023 zurückzahlen. „Für den Staat ist das ein lukratives Geschäft“, sagte Lufthansa-Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley bei der außerordentlichen Hauptversammlung. „Das freut uns für den Steuerzahler.“ Nur durch die staatlichen Hilfen sei das Überleben der Airline möglich. „Wir packen das“, rief Kley den Aktionären zu.

Für die Aktie zahlt der Bund nur ein Viertel

Neben den Stillen Beteiligungen gibt es einen Kredit über drei Milliarden Euro von der bundeseigenen KfW; an dieser Summe beteiligen sich private Banken mit 600 Millionen Euro. Und schließlich bekommt der Bund für 300 Millionen Euro einen Aktienanteil von 20 Prozent an der Lufthansa, je Aktie müssen nur 2,56 Euro gezahlt werden. Das ist ungefähr ein Viertel des Kurses, zu dem die Aktie zuletzt an der Börse notiert wurde.

Im Gegenzug zu den Hilfen müssen die Aktionäre in den kommenden Jahren auf die Dividende und das Management auf Einkommen verzichten. „Die Lufthansa verpflichtet sich zudem zur Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen einschließlich einer Erneuerung ihrer Flotte“, teilten die Bundesministerien für Finanzen und Wirtschaft mit. Altmaier betonte den guten Zustand der Lufthansa vor der Coronakrise und begründete die Staatshilfen neben der Absicherung von Hunderttausend Arbeitsplätzen auch mit „Deutschlands Position auf dem Weltmärkten“.

"Wir haben kein Geld mehr"

Der Aufsichtsratsvorsitzende Karl-Ludwig Kley warb am Donnerstag ebenso wie Spohr bei den Aktionären um Zustimmung. Ohne die staatliche Hilfe drohe der Lufthansa in den nächsten Tagen die Insolvenz. „Wir haben kein Geld mehr“, sagte Kley und betonte wie Spohr die historische Dimension des Geschehens und die Verantwortung der Aktionäre. Obwohl mit einer Anwesenheitsquote von 38 Prozent des Kapitals nicht allzu viele Aktionäre an der Internet-Versammlung teilnahmen, musste der Vorstand 639 Fragen beantworten. Darunter einige von dem Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele, der 15,52 Prozent der Anteile besitzt und der erst am Mittwochabend seine Zustimmung zu dem Hilfspaket angekündigt hatte.

Thiele wollte unter anderem wissen, ob die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Pandemie von der Konzernführung als verhältnismäßig eingestuft würden. Ferner interessierten ihn Details zu den wochenlangen Verhandlungen mit der Regierung – zum Beispiel, welches Ministerium federführend gewesen sei. Andere Aktionäre erkundigten sich nach Alternativen zu den Staatshilfen und wollten wissen, wie der niedrige Aktienkurs von 2,56 Euro zustande gekommen sei. Ein höherer Preis sei nicht möglich gewesen in den Verhandlungen, erklärte dazu der Vorstand.

Dauerhaft 100 Flugzeuge zu viel

Die Rückkehr zum Vorkrisenniveau ist in der Luftfahrt, die durch die Pandemie weitgehend zum Erliegen kam, noch immer nicht absehbar. Von den 760 Flugzeugen will die Lufthansa-Gruppe, zu der neben der Kernmarke auch Eurowings, Austrian Airlines, Brussels Airlines und Swiss gehören, dauerhaft 100 am Boden lassen. Die Lufthansa müsse effizienter und agiler werden, erklärte Vorstandschef Spohr „Auch schmerzhafte Personalmaßnahmen werden wir umsetzen müssen.“

Von den weltweit 138 000 Mitarbeitern werden 22 000 nach Berechnungen des Vorstands nicht mehr gebraucht, ungefähr die Hälfte davon in Deutschland. Um Kündigungen zu vermeiden, möchte die Lufthansa flächendeckend Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich durchsetzen. Für die von der Gewerkschaft Ufo vertretenen gut 20 000 Flugbegleiter hierzulande scheint das gelungen zu sein. Noch vor der Hauptversammlung vereinbarten beide Seiten ein Paket, das bis 2023 zu Einsparungen bei den Flugbegleitern in Höhe von gut 500 Millionen Euro führen soll. „Das Maßnahmenpaket umfasst unter anderem das Aussetzen von Vergütungsanhebungen, eine Flugstundenabsenkung bei entsprechender Reduzierung der Vergütung sowie temporär reduzierte Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung“, teilte Lufthansa mit. Ferner gibt es auf freiwilliger Basis Abfindungen, unbezahlten Urlaub und den geförderten vorzeitigen Wechsel in die Altersversorgung.

Schwierige Verhandlungen über das Bodenpersonal

Mit den vergleichsweise sehr gut verdienenden Piloten ist eine Umsetzung der Formel „Zeit für Geld“ eher möglich als bei den Stewardessen. Ein Sparbetrag von rund 300 Millionen Euro ist für das Cockpit im Gespräch. Deutlich schwieriger sind indes die Verhandlungen für das gesamte Bodenpersonal, die mehrere Dutzend Gesellschaften unter dem Lufthansa-Dach betreffen und eine Bandbreite an Beschäftigten vom Ingenieur in der Lufthansa-Technik bis zum angelernten Check-in-Personal umfassen. Mit Verdi laufen die Verhandlungen seit Wochen und sollen an diesem Freitag fortgesetzt werden.

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