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Die Unternehmen suchen dringend Auszubildende - tun sich aber immer schwerer, guten Nachwuchs zu finden.

© picture-alliance/ dpa

Lehrstellen: Den Berliner Firmen fehlen Azubis

Viele Ausbildungsplätze sind in Berlin noch immer unbesetzt. Während deutlich mehr Firmen ausbilden wollen, streben weniger Jugendliche eine Lehre an.

Es gibt noch Ausbildungsplätze. Und zwar jede Menge. Aktuell sind in Berlin-Brandenburg zum 1. September fast 13 000 Lehrstellen unbesetzt. Wie der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände in Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck, am Montag erläuterte, hängt das nicht allein mit der schwachen Nachfrage zusammen. Vielmehr sei im Vergleich zum Vorjahr das Angebot der betrieblichen Ausbildungsplätze in der Region um 5,2 Prozent gestiegen. Der Verbandschef wertete das als ein Zeichen dafür, dass sich die Wirtschaft ihrer Verantwortung für die Ausbildung von Fachkräften bewusst sei.

Doch allein mit der Bereitstellung von Ausbildungsplätzen sei es nicht getan. Das international hoch angesehene deutsche Ausbildungssystem hat offensichtlich im eigenen Land an Strahlkraft eingebüßt: Die Zahl der Studienanfänger hat im Vorjahr erstmals die Zahl der neuen Auszubildenden übertroffen, sagte Amsinck. Die Unternehmen müssten angesichts dieser Entwicklung verstärkt für die Attraktivität der betrieblichen Ausbildung werben. Andernfalls drohe ein eklatanter Fachkräftemangel, da viele Facharbeiter in Industrie und Handwerk in den kommenden Jahren in Rente gingen. Die Rente mit 63 verschärfe dieses Problem zusätzlich.

Die Auszubildenden werden älter

Um die Attraktivität einer Ausbildung zu erhöhen, setzen die Betriebe zum einen auf die Ausbildungsvergütung. 2014 gab es zum dritten Mal in Folge ein Plus von mehr als vier Prozent. Dabei spielt auch das Durchschnittsalter der Auszubildenden eine Rolle, das in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. Mit dem höheren Alter geht oft eine veränderte Lebenssituation der Lehrlinge einher, die beispielsweise nicht mehr bei ihren Eltern wohnen und deswegen höhere Kosten tragen müssen.

Darüber hinaus hoffen die Unternehmen, dass die Jugendlichen zukünftig schon in der Schule eine bessere „Berufswahl-Kompetenz“ erwerben. Die Unternehmen wollen dazu beitragen, indem sie zum Beispiel die Qualität der Praktika während der Schulzeit verbessern. Julia Gustavus, die Geschäftsführerin der Maler- und Lackiererinnung Berlin, sagte am Montag, Praktikanten müssten in Zukunft Gelegenheit haben, Einblicke in alle Unternehmensbereiche zu gewinnen. Auf diese Weise könnten den Jugendlichen auch die Entwicklungsmöglichkeiten in einem Betrieb vor Augen geführt werden. „Eine Ausbildung ist da ja erst der Anfang“, sagte sie.

Viele Jugendliche brechen die Ausbildung wieder ab

Wenn überhaupt. Denn tatsächlich stellt auch die hohe Abbrecherquote in den Ausbildungen die Betriebe vor Probleme. Gustavus sagte, dass die Betriebe sich oft erst mit den Auszubildenden über die Gepflogenheiten der Ausbildung und die gegenseitigen Erwartungen verständigen müssten. Manch ein Auszubildender empfinde es zum Beispiel als angemessen, sich per SMS krank zu melden. „Hier müssen wir unsere Erwartungen klar kommunizieren, ohne die Jugendlichen gleich zu verurteilen“, sagte Gustavus. Die Unternehmen müssten mehr Sensibilität für die Lebenswirklichkeit der Jugendlichen entwickeln, die sich an vielen Stellen deutlich von der der älteren Gesellen und Meister in den Betrieben unterscheide.

Angesichts des drohenden Facharbeitermangels bemühen sich die Unternehmen auch zunehmend um die Jugendlichen, die vor wenigen Jahren noch kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz gehabt hätten. Einige Betriebe gehen schon in der Schule auf „Jugendliche mit Startschwierigkeiten“ zu und begleiten sie. Ein Beispiel hierfür ist das „Berliner Netzwerk für Ausbildung. In dieser Initiative arbeiten rund 300 Unternehmen der Berliner Wirtschaft mit Schulen zusammen, um die Jugendlichen an eine Ausbildung in den Betrieben heranzuführen. Schon ab der 10. Klasse werden die Schüler individuell betreut und sie erhalten Bewerbungstrainings. Schließlich werden sie bei „Speed Datings“ mit Vertretern der Betriebe zusammengeführt. In den letzten elf Jahren seien über 6400 Schüler auf diese Weise begleitet worden.

Auf Unterstützung sind viele dieser Jugendlichen aber auch dann noch angewiesen, wenn sie bereits einen Ausbildungsplatz haben. Sie stammen häufig aus einem Umfeld, in dem es nicht üblich sei, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen. „Von den Gleichaltrigen ernten sie oft Unverständnis oder Spott, wenn sie morgens um sieben Uhr auf der Baustelle sein sollen“, meint Gustavus.

Nicht zuletzt richten die Verbände ihr Augenmerk auch auf die Flüchtlinge und Asylbewerber in Berlin. Deren Asylverfahren müssten deutlich beschleunigt werden, forderte Amsinck. Ein Ausbildungsplatz könne ein wichtiger Baustein für gelungene Integration sein.

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