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Eine Reinigungskraft bei der Arbeit.

© imago images/Shotshop

Kündigungen wegen Bürgergeld?: „Menschen mit niedrigem Einkommen sollen gegeneinander ausgespielt werden“

Eine Umfrage unter Gebäudereinigern, wonach das Bürgergeld die Personallage von Firmen verschärfe, erfährt von Forschenden massive Kritik. Die Vorständin der IG Bau sagt, das Gegenteil sei der Fall.

Kündigen Arbeitnehmende ihre Jobs, um Bürgergeld zu beziehen? Bei Gebäudereinigern sollen mehr als zwei Drittel der Unternehmen schon derartige Erfahrungen gemacht haben. Das ergab zumindest die in dieser Woche veröffentlichte Herbstumfrage eines Branchenverbandes. Zuerst berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, danach griff die „Bild“ das Thema auf. Aus der Forschung hagelte es unmittelbar massive Kritik. Am Freitag äußerte sich erstmals auch die zuständige Gewerkschaft.

„Diese Umfrage ist höchst unseriös, die Grundlage sind Annahmen statt Fakten“, wird Ulrike Laux, Vorständin der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) und zuständig für die Gebäudereiniger, in einer Mitteilung zitiert. „Wieder einmal sollen Menschen mit niedrigem Einkommen gegeneinander ausgespielt werden“.

Laut der Befragung des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks unter 2500 Firmen gaben 28,4 Prozent der befragten Unternehmen an, dass bereits mehrere Beschäftigte mit konkretem Verweis auf das Bürgergeld gekündigt oder eine Kündigung in Aussicht gestellt haben. Bei weiteren 40 Prozent soll dies in Einzelfällen vorgekommen sein.

Wenn genug Lohn bezahlt wird, dann wollen die Menschen auch arbeiten.

Ulrike Laux, Vorständin IG Bau

Gewerkschafterin Laux widerspricht und verweist dabei auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Über alle Berufsgruppen hinweg stieg demnach die Zahl der Arbeitslosen von September 2022 bis 2023 um 5,6 Prozent – in den Reinigungsberufen jedoch nur um 2,5 Prozent. „Das sind die Fakten, alles andere sind weit hergeholte Behauptungen“, so Laux.

Auch Arbeitsmarktexperte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kann keine Flucht aus der Beschäftigung in die Sozialhilfe erkennen. Über die letzten zehn Jahre gesehen würden immer weniger Menschen aus der Branche der Gebäudereiniger in die Sozialhilfe (SGB-II-Arbeitslosigkeit) abwandern, schrieb er auf der Social-Media-Plattform LinkedIn. Dieser Trend setze sich auch mit der Bürgergeldeinführung fort.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, nannte die Umfrage gar „populistischen Unsinn“. „Es werden einzelne Fälle, bei denen Menschen wegen der Erhöhung des Bürgergeldes ihre reguläre Arbeit kündigen (die es sicherlich gibt!), dafür missbraucht, um alle Bezieher von Bürgergeld in Kollektivhaftung zu nehmen“, schrieb der Ökonom ebenfalls auf LinkedIn.

Um Beschäftigte in der Reininungsbranche zu halten, sprach sich IG-Bau-Vorständin Laux für bessere Arbeitsbedingungen aus. Es brauche mehr Vollzeitstellen und eine bessere Bezahlung. „Warum geht es eigentlich immer nur um einen Unterbietungswettbewerb?“, kritisierte die Gewerkschafterin. Wenn genug Lohn gezahlt werde, dann würden auch mehr Menschen arbeiten.

Der Mindestlohn müsste laut Laux derzeit bei etwa 14,57 Euro liegen, um ein einigermaßen gutes Auskommen zu haben. Im Gebäudereinigungs-Handwerk mit seinen rund 700.000 Beschäftigten wird derzeit ein Branchenmindestlohn in Höhe von 13 Euro gezahlt, ab Januar 2024 sind es 13,50 Euro.

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