zum Hauptinhalt
ICE-Züge der Deutschen Bahn (DB) stehen im Betriebswerk Stellingen auf den Gleisen.

© dpa/Christian Charisius

Update

Kompromissvorschlag soll Streik abwenden: „Höchster und teuerster Tarifabschluss in der Geschichte der Bahn“

Der Vorschlag sieht unter anderem eine Gehaltserhöhung von 410 Euro vor. Deutsche Bahn und EVG wollen das Ergebnis laut ihren Verhandlungsführern annehmen. Außerdem müssen die EVG-Mitglieder zustimmen.

| Update:

Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn zeichnet sich eine Einigung ab. Im Schlichtungsverfahren haben die Vermittler einen Kompromissvorschlag präsentiert. Dieser sieht unter anderem:

  • einen Zuschlag von im Schnitt 14,5 Prozent,
  • eine Laufzeit von 25 Monaten
  • und die Zahlung einer steuerfreien Inflationsprämie von 2850 Euro im Oktober vor.
  • Zudem empfehlen die Schlichter eine stufenweise Erhöhung um insgesamt 410 Euro - die Entgelte sollen im Dezember um 200 und im August 2024 um weitere 210 Euro angehoben werden.

Dazu kommen unterschiedliche Sonderregelungen für einzelne Berufsgruppen:

  • Fahrdienstleiter sollen nach EVG-Angaben monatlich bis zu 900 Euro oder 30 Prozent mehr Geld erhalten.
  • Zugbegleitern bringen die Regelungen monatlich bis zu 840 Euro oder 22 Prozent mehr Geld.
  • Werkstattmitarbeiter können monatlich bis zu 860 Euro oder 24 Prozent Lohnplus erwarten.

Der Verhandlungsführer der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Kristian Loroch, empfahl seinem Vorstand am Mittwoch, den Kompromissvorschlag anzunehmen. Auch die Bahn-Verhandler legten ihren Gremien diesen Schritt nahe. Sollte der Bundesvorstand der Gewerkschaft und nicht zuletzt die EVG-Mitglieder per Urabstimmung dieser Empfehlung folgen, ist der seit Monaten andauernde Tarifkonflikt gelöst. 

Die Schlichter, der frühere Innenminister Thomas de Maiziere und die Arbeitsrechts-Expertin Heide Pfarr, hatten die Details am Mittwoch in Potsdam vorgestellt. „Unsere Gespräche waren intensiv, hart und langwierig“, sagte de Maizière am Mittwochabend in Potsdam mit Blick auf die vergangenen neun Tage.

Bahn wird „erhebliche Anstrengungen“ unternehmen müssen

Sollte die Empfehlung angenommen werden, wäre es der „höchste und teuerste Tarifabschluss in der Geschichte der Deutschen Bahn“, sagte de Maiziere. „Beide Seiten müssen mit der Annahme des Kompromisses Kröten schlucken“, sagte de Maiziere weiter. „Das liegt in der Natur des Kompromisses.“

Die Bahn werde „erhebliche Anstrengungen“ unternehmen müssen, um einen solchen Abschluss zu finanzieren. Alles in allem liege der Vorschlag in etwa auf dem Niveau des öffentlichen Diensts, der bereits vor einigen Monaten einen Abschluss erzielt hatte.

Den rund 180.000 betroffenen Bahn-Beschäftigten muss die EVG nun für die Urabstimmung erklären, was an dem Vorschlag der Schlichter attraktiver ist als an dem Verhandlungsstand, den beide Seiten bereits Ende Juni im Rahmen der dann gescheiterten Tarifverhandlungen erreicht hatten.

Damals waren sie bei 400 Euro mehr pro Monat und einer Laufzeit von 27 Monaten angekommen. Auch die Einmalzahlung, eine steuer- und abgabenfreie Ausgleichsprämie für die hohe Inflation, stand nicht mehr zur Debatte. Doch die Zentrale Tarifkommission der Gewerkschaft lehnte den Vorschlag damals ab und erklärte die Tarifverhandlungen für gescheitert.

Ursprünglich sollte eine Erhöhung um 650 Euro her

Der Vorschlag der Schlichter sei allerdings nur „augenscheinlich nah dran“ an dem damaligen Verhandlungsstand, betonte EVG-Verhandlungsführer Loroch. Er verwies auf die strukturellen Verbesserungen für einzelne Funktionsgruppen am Ende der Laufzeit als neues Element. „Da ist das Volumen erheblich gestiegen. Was wichtig ist, um am Ende des Tages gerade in diesen Bereichen die Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.“ Die strukturellen Verbesserungen beträfen etwa Instandhalter, Zugbegleiter oder Fahrdienstleiter.

Von den Ursprungsforderungen der EVG bleibt allerdings auch der Kompromissvorschlag der Schlichter ein gutes Stück entfernt. Die Gewerkschaft wollte 650 Euro pro Monat mehr bei den Entgelten durchsetzen oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommensgruppen. Zudem forderte sie eine Laufzeit von maximal zwölf Monaten. Laut Bahn-Personalvorstand Seiler belaufen sich die nun vorgeschlagenen Steigerungen im Schnitt auf elf Prozent höhere Entgelte.

Ob die Mitglieder dem Vorschlag zustimmen werden, ist offen. An diesem Freitag wird zunächst der Bundesvorstand der EVG eine Empfehlung abgeben. Dann folgt die Urabstimmung, die bis Ende August angesetzt ist. Um das Votum des Bundesvorstands zu überstimmen, brauchen die Mitglieder eine Drei-Viertel-Mehrheit. Andersherum bedeutet das: Folgen mehr als ein Viertel der Teilnehmer der Empfehlung des Vorstands, gilt dieser. Für die Fahrgäste ändert sich dadurch kurzfristig nichts. Die EVG hat Warnstreiks für die Dauer der Urabstimmung, also bis Ende August, ausgeschlossen. 

Sollte der Kompromissvorschlag bei der Gewerkschaft durchfallen, sind jedoch unbefristete Streiks wahrscheinlich. Bei der Bahn wiederum gilt die Zustimmung als reine Formalie. (Agenturen)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false