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Christiane Schönefeld, Vorsitzende der Mindestlohnkommission, zwischen Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA, re.) und Stefan Körzell, Mitglied DGB-Vorstands.

© dpa/Michael Kappeler

Kleiner Schritt folgt großem Schritt: So kam es zur Mini-Erhöhung beim Mindestlohn

Anfang 2024 steigt der Mindestlohn von zwölf Euro auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro. Politisch ist die Empfehlung, die Minister Heil noch entscheiden muss, durchaus heikel.

Christiane Schönefeld hat Courage. Erst seit Februar leitet das ehemalige Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit die Mindestlohnkommission – und bricht schon ein paar Monate später mit einer Tradition: Schönefeld hat ihr Stimmrecht wahrgenommen und gemeinsam mit den Arbeitgebern die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns beschlossen und dabei die Gewerkschaftsseite überstimmt.

Das gab es noch nie seit der Einführung der Lohnuntergrenze 2015; Einvernehmlichkeit war bislang ein hohes Gut der Kommission, die vom Gesetzgeber paritätisch mit drei Vertretern von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften besetzt wird.

Anfang 2024 steigt der Mindestlohn von zwölf Euro auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro. Methodisch ist das erklärbar, indem die bundesweite Tarifentwicklung der vorausgegangenen zwei Jahre als Berechnungsgrundlage dient. Und es entspricht dem gesetzlichen Auftrag der Mindestlohnkommission, die sich an dem sogenannten Tarifindex zu orientieren hat. Politisch ist die Empfehlung der Kommission, über deren Umsetzung nun Arbeitsminister Hubertus Heil entscheiden muss, durchaus heikel.

Realeinkommen sinken

Die hohe Inflationsrate belastet vor allem die unteren Einkommen mit einer hohen Konsumquote, dazu gehören die sechs Millionen Bezieher des Mindestlohns. Sie verlieren in diesen Zeiten erheblich an Kaufkraft. Und dann ist da auch noch die Empfehlung der EU-Kommission, wonach sich die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der nationalen Lohngrenzen am Durchschnittseinkommen orientieren sollten, was in der Bundesrepublik auf einen Mindestlohn 13,50 Euro hinausliefe. Dieses Niveau wird nach dem jüngsten Mehrheitsbeschluss der Mindestlohnkommission frühestens 2026, vermutlich jedoch erst 2027 erreicht.

Die Arbeitgeber haben sich mithilfe der zur Neutralität verpflichteten Kommissionsvorsitzenden durchgesetzt, indem sie auf den gesetzlichen Regularien beharrten und keine Kompromissbereitschaft zeigten. Auch aus Verdruss und Bockigkeit: Der einmalige Schritt des Gesetzgebers, der den Mindestlohn im vergangenen Oktober von 10,45 Euro auf zwölf Euro erhöht hatte, wirkt nach.

Zwar wurde damit ein Geburtsfehler korrigiert, denn das Einführungsniveau von 8,50 Euro im Jahr 2015 war zu gering. Gleichzeitig war die Mindestlohnkommission desavouiert und die Arbeitgeber stinksauer.

Der mickrige Beschluss vom Montag ist deshalb auch ein Reflex auf 2022, als der Mindestlohn aufgrund der politischen Intervention um gut ein Fünftel gestiegen war. Am Ende ist es so, wie in echten Tarifverhandlungen: Wer heute besser abschneidet, der muss morgen Einbußen hinnehmen. Und umgekehrt.

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