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Die Euro-Skultpur vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen).

© Arne Dedert/dpa

Update

Kampf gegen Inflation: EZB erhöht Leitzinsen im Euroraum um 0,75 Prozentpunkte

Mit einer kräftigen Zinserhöhung stemmt sich die Europäische Zentralbank gegen die Rekordinflation. Anders als in den USA macht die Konjunktur weiterhin große Sorgen.

Als die US-Zentralbank Fed im Frühsommer einen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten wagte, schien das für viele Experten ein unvorstellbares Tempo. Dass die Zinswende her muss, war auch in Europa klar, doch die Europäische Zentralbank wartete noch ab. Inzwischen sind ebensolche Zinserhöhungen auch in der Euro-Zone fast schon erwartbar.

Zum zweiten Mal in Folge beschlossen die Währungshüter am Donnerstag, den Leitzins um 0,75 Punkte anzuheben – auf nunmehr 2,0 Prozent. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Es dürfte so weitergehen. Der EZB-Rat "geht davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird", erklärte die Notenbank.

Die Inflation im Euro-Raum war im September auf die neue Rekordmarke von 9,9 Prozent geklettert. Damit liegt die Teuerung im Währungsraum inzwischen fast fünf Mal so hoch wie das Ziel der EZB von zwei Prozent. Es sei noch eine weitere Wegstrecke zurückzulegen, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss.

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Wirtschaft begrüßt den Zinsschritt

Sie betonte weiter, der EZB-Rat werde den künftigen Leitzinspfad an der Entwicklung der Inflations- und Wirtschaftsaussichten ausrichten. Es sei mehr „in der Pipeline“. Womöglich müsse man auf mehreren Sitzungen an der Zinsschraube drehen. Mit „höherer Wahrscheinlichkeit“ habe man es künftig aber mit einer Rezession zu tun, fügte sie an. "Und wir erwarten eine weitere Abschwächung im weiteren Jahresverlauf und zu Beginn des nächsten Jahres."

Obwohl höhere Zinsen üblicherweise als schlecht für das Wachstum gelten, begrüßten weite Teile der Wirtschaft den Schritt der EZB am Donnerstag. Denn als größtes Risiko für die Konjunktur wird inzwischen die Inflation gesehen – gerade im Verhältnis zu den USA und wegen der hohen Energiepreise.

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„Die EZB kann mit ihrem Handeln zwar nicht die importierten Inflationstreiber in Form der dramatisch gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise komplett einfangen“, sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, am Donnerstag. "Jedoch würde ohne Zinsanhebung der Euro gegenüber dem Dollar noch schwächer werden." Dann würde importierte Energie sogar noch teurer werden als ohnehin schon. Für Unternehmen seien nicht nur hohe Zinsen, sondern auch unsichere Rahmenbedingungen wie hohe Inflationsraten Gift. "Daher sollte die Geldpolitik den neuen Kurs beibehalten", sagte Treier.

Keine gute Konjunktur ohne schwächere Inflation

Der Zinsschritt sei nötig, „denn die Inflation im Euroraum erweist sich als immer hartnäckiger", sagte auch die Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers des Bankenverbandes, Henriette Peucker. "Zudem werden sich auch die wirtschaftlichen Perspektiven im Euroraum ohne eine Trendwende bei der Inflation nicht aufhellen."

Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, meinte, der Euroraum brauche einen EZB-Einlagensatz in der Größenordnung von vier Prozent. „Andernfalls legen die zuletzt massiv gestiegenen Inflationserwartungen der Bürger weiter zu, und die hohe Inflation setzt sich dauerhaft fest."

Sorgenvolle Blicke: EZB-Chefin Lagarde hat die Inflation lange Zeit unterschätzt.

© dpa/Arne Dedert

Noch in diesem Jahr wird die EZB laut Lagarde über erste Weichenstellungen für einen künftigen Bilanzabbau beraten. Inhaltliche Fragen dazu seien auf der Zinssitzung zwar wegen der Fülle der Themen nun bewusst ausgeklammert worden, sagte sie am Donnerstag auf der Pressekonferenz. Doch solle im Dezember über die wichtigsten Grundsätze der Reduzierung von Bondbeständen aus dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) entschieden werden.

Der EZB-Rat beabsichtigt zurzeit noch, die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere weiterhin bei Fälligkeit für längere Zeit nach der vollzogenen Zinswende vollumfänglich wieder anzulegen. Die Bilanz der Euro-Notenbank ist im Zuge der jahrelangen massiven Anleihenkäufe auf inzwischen rund neun Billionen Euro angeschwollen.

Der Blick in die USA - wo die Wirtschaft trotz Inflation wächst

Was das Verhältnis von Wachstum und Inflation angeht, lohnte am Donnerstag ebenfalls wieder ein Blick in die USA. Nach zwei Quartalen mit rückläufiger Wirtschaftsleistung – der Definition nach eine technische Rezession – wuchs die US-Wirtschaft im dritten Quartal wieder leicht, wie das US-Handelsministerium am Donnerstag mitteilte. Um 0,6 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt zu.

Auch in den USA macht die anhaltend hohe Inflation von zuletzt 8,2 Prozent vielen Bürgern zu schaffen und sorgt für großen Unmut. Die Fed hatte bereits unumwunden zugegeben, dass sie die Dynamik unterschätzt hatte. Dass die US-Wirtschaft trotz der hohen Teuerungsraten und den schnellen Zinswende wächst, führen Experten vor allem auf den stabilen Arbeitsmarkt zurück.

Die Arbeitslosenquote in den USA liegt bei nur 3,5 Prozent, dem niedrigsten Stand seit rund 50 Jahren. Die US-Regierung und viele Ökonomen hielten den Begriff der Rezession deshalb auch nicht für angebracht. Ein Urteil, dass man in Europa aufgrund des Krieges und der Energiekrise wohl nicht übernehmen kann.

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