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DGB-Chef Reiner Hoffmann am 21. Januar in Berlin.

© dpa

Jahresausblick des DGB: Solidarisch sein und Geld ausgeben

DGB-Chef Hoffmann blickt voraus und erhofft sich von der deutschen Ratspräsidentschaft ein Ende der Austeritätspolitik in der EU.

Die Forderungen der deutschen Gewerkschaften an die Politik verändern sich nicht sehr stark über die Jahre. Höhere Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung, eine Rente, von der alte Menschen auch nach 2025 noch leben können, und natürlich anständig bezahlte und der Gesundheit zuträgliche Arbeitsplätze, für die es wiederum einer hohen Tarifbindung bedarf. Was sich jedes Jahr ändert, ist das Motto des 1. Mai: "Europa. Jetzt aber richtig!", hieß es 201 anlässlich der anstehenden Europawahl. In diesem Jahr ruft der DGB mit dem Slogan "Solidarisch ist man nicht allein", die Arbeitnehmer auf die Straßen. Rund 33 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt es hierzulande, davon sind knapp sechs Millionen Mitglied einer der acht DGB-Gewerkschaften; allein die beiden Dickschiffe IG Metall und Verdi organisieren davon mehr als vier Millionen. Seit Jahren sind die Mitgliederzahlen rückläufig, doch der Schwund schwächt sich ab und befindet sich inzwischen "im Nachkommabereich", wie der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann am Dienstag im Rahmen der Jahrespressekonferenz des DGB-Vorstands sagte.

"Die EU spart sich kaputt"

Hoffmann, der viele Berufsjahre in gewerkschaftlichen Funktionen in Brüssel verbrachte, bevor er 2014 DGB-Chef wurde, setzt große Erwartungen in die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands in der zweiten Jahreshälfte. Der im schwarz-roten Koalitionsvertrag versprochene "Neue Aufbruch für Europa" lasse auf sich warten und auch deshalb gebe es eine "große Vertrauenskrise" in der EU, die für Hoffmann eine Ursache ist für den Rechtsruck in vielen Mitgliedsländern. Wie auch für Deutschland so reklamierte Hoffmann mehr öffentliche Investitionen in der EU und eine "klare Abkehr von der Austeritätspolitik vergangener Jahre". Europa spare sich kaputt, und die Verabredung im deutschen Koalitionsvertrag, nämlich höhere Beträge zum EU-Haushalt bereitzustellen, müsse im Rahmen der Ratspräsidentschaft umgesetzt werden, zumal im zweiten Halbjahr der mittelfristige Finanzrahmen der EU für 2021 bis 2027 gezogen werde.

Gegen Gewalt im öffentlichen Dienst

Elke Hannack, im DGB-Vorstand Hoffmanns Stellvertreterin und für den öffentlichen Dienst zuständig, kündigte eine gewerkschaftliche Kampagne an für einen anständigen Umgang mit Beschäftigten in Polizei und Verwaltungen, bei der Feuerwehr oder im Erziehungsbereich. "Die Innenminister machen sich einen schlanken Fuss", kritisierte Hannack, "indem sie sich einer Datenerhebung zur Gewalt gegen ihr Mitarbeiter verweigern". Die Bürger seien auch deshalb oftmals unzufrieden mit öffentlichen Dienstleistungen, weil es zu wenig Personal gebe, vor allem im Erziehungswesen und in der Pflege.

"Verlorenes Jahrzehnt in der Bildung"

Die DGB-Vizechefin erinnerte an den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern, der 2025 kommt. "Das wird scheitern, wenn die Länder nicht massiv die Ausbildungskapazitäten erhöhen", sagte Hannack. Das Bildungssystem insgesamt sei in einem erbärmlichen Zustand. Ein Fünftel der 15-Jährigen könne nicht lesen, alles in allem "haben wir in der Bildungspolitik ein verlorenes Jahrzehnt hinter uns". Es gebe keine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Sozialpartnern, "und dann beerdigen Bayern und Baden-Württemberg auch noch den nationalen Bildungsrat", ärgerte sich Hannack.

Mindestlohn soll Richtung 12 Euro steigen

Stefan Körzell, der für den DGB in der Mindestlohnkommission sitzt, kündigte eine neue Initiative an zur Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 9,35 Euro auf bis zu zwölf Euro. Anlass sei die EU-Kommission mit Plänen für einen europaweiten Mindestlohn, der 60 Prozent des jeweiligen nationalen Medianlohns betragen sollte; übertragen In Deutschland wären das dann zwölf Euro. Die Briten unter dem konservativen Premier Boris Johnson hätten gerade eine Erhöhung für das Jahr 2024 beschlossen, die, übertragen auf deutsche Verhältnisse, hierzulande 12,20 Euro ausmache. In der Mindestlohnkommission selbst, die hierzulande alle zwei Jahre über die Erhöhung des Mindestlohns anhand des Tarifindex des Statistischen Bundesamtes befindet, und paritätisch mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzt ist, sei eine Mehrheit für zwölf Euro "sehr schwierig", sagte Körzell.

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