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Ein Containerschiff von Hapag-Lloyd. (Archivbild 2017)

© Christina Sabrowsky/dpa

Mysteriöser Fall auf hoher See: Ist die Crew der „CMA CGM Ural” mit dem Coronavirus infiziert?

Waren werden primär mit Schiffen transportiert. Eine Schließung der Häfen könnte weltweit die Versorgung gefährden. Droht eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus?

Die „CMA CGM Ural” ist in diesen Tagen auf dem Weg von China nach Europa. Drei Häfen steuerte das Containerschiff in der Volksrepublik an, bevor es via Singapur Kurs auf den Suez-Kanal und damit das Mittelmeer nahm. An Bord sind bis zu 10.600 Container – und laut Medienberichten sechs erkrankte Seeleute aus Sri Lanka, die alle hohes Fieber bekommen haben sollen.

Spekulationen über einen Ausbruch des Coronavirus an Bord wollte die Pariser Konzernzentrale von CMA CGM am Mittwoch nicht bestätigen oder dementieren. „Wir sind im ständigen Kontakt mit der ‚Ural‘. Alle notwendigen Maßnahmen für medizinische Untersuchungen wurden getroffen”, sagte eine Sprecherin Tagesspiegel Background. Laut dem eingeschalteten International Radio Medical Center (CIRM Roma) sei die Besatzung aber „wieder in guter Verfassung“. 

Der mysteriöse Fall wirft ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten, die Ausbreitung des Coronavirus auf dem Seeweg effektiv zu verhindern. Während Fluglinien wie LufthansaAmerican Airlines und British Airways ihre Flugverbindungen nach China am Mittwoch kappten, soll der Betrieb in den für die Weltwirtschaft besonders wichtigen Häfen des Landes weitergehen. Fast der gesamte globale Handel läuft über die Meere und von den zehn größten Häfen der Welt liegen sieben in China. Einschränkungen könnten die Konjunktur abwürgen, wenn Lieferketten plötzlich unterbrochen sind.

Hapag-Lloyd lässt in China keine Seeleute mehr an Bord

Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd, die stark auf das China-Geschäft setzt, reagiert bereits. „Unsere Seeleute gehen in chinesischen Häfen nicht mehr vom Schiff und müssen an Bord Atemschutzmasken tragen, während das Schiff be- und entladen wird“, sagte ein Unternehmenssprecher Tagesspiegel Background. „Außerdem nehmen wir aktuell keine Crew-Wechsel in China vor.“ Das heißt: Es kommen in China gar keine Seeleute mehr neu an Bord.

Die größere Sorge gilt zurzeit eher den vielen Mitarbeitern an Land. Ein Hapag-Lloyd-Servicezentrum mit mehr als hundert Mitarbeitern sowie weiteren Büros in China bleiben zunächst bis zum 9. Februar geschlossen. So verfahren – oft auch auf Anweisung der örtlichen Behörden – viele deutsche Unternehmen zurzeit. Auch Autobauer Daimler empfahl am Mittwoch seinen 4400 Beschäftigten in China, vorerst im Home Office zu bleiben. Hapag-Lloyd will die Situation nun „von Tag zu Tag neu bewerten“ und gegebenenfalls einen Krisenstab einrichten, so der Sprecher.

Die weltgrößte Reederei Maersk und ihre deutsche Tochter Hamburg Süd lassen ebenfalls ihre Büros auch über das eigentliche Ende der Ferien rund ums chinesische Neujahrsfest hinaus verwaist, etwa in Shanghai, Zhejiang, Fujian, Jiangsu und Guangdong. Und in Europa „werden alle Mitarbeiter, die aus China anreisen, gebeten, sicherheitshalber zwei Wochen von zu Hause aus zu arbeiten“, sagte eine Hamburg-Süd-Sprecherin Tagesspiegel Background. 

Singapur kontrolliert Hafen so streng wie Airport

Je weiter weg Häfen von China liegen, desto mehr Zeit haben sie, sich vorzubereiten. Anders als auf dem Luftweg dauert es nicht Stunden, sondern Wochen bis die Ozeanriesen mit ihrer Fracht aus Fernost in Europa eintreffen. Sind bereits mit dem Virus infizierte Seeleute, die noch keine Symptome zeigten, in China an Bord gegangen, würden sie bei längeren Strecken noch während der Reise erkranken – und müssten notfalls bei einem Zwischenstopp von Bord gebracht werden.

Während in europäischen Häfen wie Hamburg deshalb bislang wenig Anlass zur Sorge besteht, herrscht in Asien höchste Alarmstufe. Singapur hat bereits die besonderen Schutzmaßnahmen aus dem Luftverkehr wie Fieber-Screenings auf seinen Megahafen ausgeweitet, einem der weltgrößten Container-Drehkreuze. Andernorts entlang der viel befahrenen Route reagieren die Behörden aber langsamer. Die Internationale Schifffahrtskammer ICS, die fast alle Reedereien vertritt, hat auch deshalb am Dienstag eine ausführliche Warnung herausgegeben.

Warnung vor Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten 

„Wir sind uns der Verantwortung und unserer Rolle beim Stoppen der Ausbreitung des Virus voll bewusst“, sagte ICS-Generalsekretär Guy Platten in London. Er rief alle Reedereien auf, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO angemahnten Hygiene- und Schutz-Maßnahmen schnell umzusetzen. Wenn sich die Schifffahrt geschlossen daran halte, „können wir die Schließung von Häfen abwenden“, so Platten. Sollte das nötig werden, würde der zuverlässige Nachschub von Medikamenten, Lebensmitteln und Kraftstoffen auf dem Spiel stehen, warnt der ICS. 

In Hamburg ist der Ton weniger aufgeregt. „Unser Eindruck ist, dass die Reedereien wachsam sind und die sich verändernde Lage aufmerksam verfolgen, aber der Betrieb bislang jedenfalls weitgehend normal läuft“, sagte Christian Denso, Sprecher des Verbands Deutscher Reeder (VDR). „Wir haben bislang keine Rückmeldungen von Mitgliedsunternehmen über Verdachtsfälle erhalten.“ Man rate aber dazu, die Crews zu sensibilisieren für Schutzmaßnahmen und die Erkennung von Virus-Symptomen.

Felix Wadewitz

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