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Jürgen Trittin (Grüne) war von 1998 bis 2005 Bundesumweltminister.

© picture alliance /Bernd von Jutrczenka

„Investitionen mit der Schrotflinte“: Grüner Trittin wettert gegen Habecks Pläne für Industriestrompreis

Der ehemalige Bundesumweltminister nennt die Initiative seines grünen Parteikollegen „Unsinn“. Die Bundesländer dagegen machen Druck auf Regierung und EU.

Die Pläne von Robert Habeck für einen Industriestrompreis sind umstritten. Jetzt teilt ein prominenter Grüner gegen den grünen Wirtschaftsminister aus. Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagte dem „Spiegel“: „Es ist Unsinn, Strom blind für manche zu subventionieren.“ Bei diesen Plänen handele es sich um „Investitionen mit der Schrotflinte“.

Er verstehe zwar den Wunsch nach Entlastungen für die Industrie, „ich sehe aber größere Probleme – und teile auch die Sorgen des Bundeskanzlers vor einem teuren Strohfeuer“, sagte der Bundestagsabgeordnete. „Oft ist ja von einer Brückensubvention die Rede. Keiner baut eine Brücke, ohne genau zu wissen wohin“, kritisierte Trittin.

Habeck hatte angesichts der hohen Energiekosten für eine Übergangsphase einen staatlich subventionierten Industriestrompreis vorgeschlagen – das wollen auch die SPD-Fraktion sowie Gewerkschaften und viele Wirtschaftsverbände. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bisher skeptisch gezeigt. Die FDP mit Bundesfinanzminister Christian Lindner ist dagegen.

Trittin warnt: Ausbau der Eneuerbaren Energie würde ausgebremst

Trittin, der von 1998 bis 2005 Bundesumweltminister war, begründet seine Skepsis unter anderem mit Fehlern, die in seiner Amtszeit bei der Einführung der sogenannten EEG-Umlage zur Finanzierung erneuerbarer Energien gemacht worden waren.

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„Wir haben damals mit viel Aufwand ermittelt, welche Unternehmen von der EEG-Umlage befreit gehören – energieintensiv und im internationalen Wettbewerb benachteiligt – und welche nicht. Meine Nachfolger im Amt haben diesen Kreis der Glücklichen immer weiter vergrößert. Bis sogar Schlachthöfe von dieser Umlage befreit wurden, die überhaupt nicht im internationalen Wettbewerb stehen“, sagt Trittin.

Sollte sich Habeck mit seinen Plänen durchsetzen, würde der Ausbau der Erneuerbaren „ausgebremst“, sagt Trittin. „Die Milliardensubvention sind ja nicht an den Ausbau der erneuerbaren Energien geknüpft. Im Gegenteil: Damit schafft man ja auch eine fossile Subvention, statt sie abzubauen. Denn 50 Prozent des Stroms sind ja noch fossil derzeit. Das dürfen wir uns nicht leisten.“

Stattdessen fordert der Grünen-Politiker sogenannte „Power Purchase Agreements“ nach US-amerikanischem Vorbild. Bei derartigen Übereinkünften zwischen Industrieunternehmen und Stromproduzenten würden „die Kosten sinken und sich der Zubau von Windrädern beschleunigen – vielleicht auch im Süden“, so Trittin weiter.

Ministerpräsidenten befürchten Abwanderung von Industrie

Die Bundesländer haben die Bundesregierung und die EU-Kommission dagegen eindringlich aufgefordert, rasch der Einführung eines Industriestrompreises zuzustimmen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet „Im Herbst finden Investitionsrunden in den Unternehmen statt, die für die folgenden Jahre wichtig sind“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Donnerstag in Brüssel. Angesichts der hohen Energiepreise drohe ohne eine Entlastung ein echter Substanzverlust der deutschen Wirtschaft.

Ähnlich scharf äußerten sich neben NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auch andere Länderchefs. Alle 16 führten am Mittwoch und Donnerstag gemeinsam Gespräche mit der EU-Kommission in Brüssel.

Weil warnte auch in Richtung Bundesregierung und Bundeskanzler Scholz, dass man die Folgewirkungen nicht unterschätzen dürfe, wenn man den energieintensiven Sparten jetzt nicht helfe. Wenn die Firmen zu dem Schluss kämen, dass sie in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig sein könnten, würden als Erstes die Investitionen auslaufen, dann die Kapazitäten gekappt und dann sei die Existenz hochgradig gefährdet.

Die Unternehmen in der Chemie-, Stahl-, Kupfer-, Aluminium-, Papier-, Keramik- oder Glassparten seien aber Teile wichtiger Wertschöpfungsketten in Deutschland, die wegbrechen könnten.

Wüst hatte Freitagmorgen deshalb sowohl die Einführung eines Industriestrompreises als auch die Absenkung der Stromsteuer gefordert.

„Wir brauchen eine Mischung aus beiden“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im ZDF. „Sonst gehen Monat für Monat Industriearbeitsplätze verloren.“ Während der abgesenkte Strompreis für die energieintensiven Unternehmen sein sollte, würde eine abgesenkte Stromsteuer andere Firmen entlasten. Es gebe bereits jetzt einen deutlichen Kapitalabfluss, sagte Wüst im Deutschlandfunk. (lem)

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