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Die Datenknotenpunkte in Deutschland sind für eine höhere Internetnutzung gerüstet, die IT-Systeme vieler Firmen wohl nicht.

© Felix Kästle/dp

Internetnutzung wegen Corona: Schafft das deutsche Breitband-Netz den Homeoffice-Boom?

Angestellte arbeiten von zuhause aus, Schüler haben mehr Zeit für Videospiele. Nicht jede IT-Struktur ist auf diesen Datenverkehr vorbereitet.

Im Kalender von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) standen für diese Woche schon seit einiger Zeit Treffen mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic und dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Xavier Bettel. Wegen der Corona-Krise wurden diese nun in Videokonferenzen umgewandelt.

Zahlreiche Unternehmen hatten schon vergangene Woche ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Nun zieht auch die Politik nach: Die EU-Kommission stellt auf Heimarbeit und Videokonferenzen um. Ende vergangener Woche arbeitete laut Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits ein Drittel der 32.000 Mitarbeiter von zu Hause aus.

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Seit Montag soll nur noch in Büro kommen, wer eine „kritische Funktion“ innehat. Und prominente Politiker vom kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau bis zu Innenminister Horst Seehofer oder Arbeitsminister Hubertus Heil sitzen derzeit vorsorglich ebenfalls im Homeoffice.

Und auch in vielen deutschen Behörden und Firmen wird ab dieser Woche geschaut, wie ein großer Teil der Arbeit umorganisiert werden kann. Da nun vielerorts auch Schulen oder Kindertagesstätten schließen, müssen Eltern Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut bringen. Einerseits ist Homeoffice dafür zwar keine ideale Lösung, andererseits wären viele Betroffene ohne klassischen Bürojob froh über diese Option.

Datenverkehr schon um zehn Prozent gestiegen

Doch halten die vielerorts ohnehin verbesserungsfähigen Breitbandnetze dem Boom von Videokonferenzen überhaupt stand? „Derzeit sehen wir an allen Standorten weltweit einen deutlichen Anstieg des Datenverkehrs“, sagt Carsten Titt, Sprecher der Deutsche Commercial Internet Exchange (De-Cix), die von Dallas bis Delhi weltweit Internetknoten betreibt.

So gab es in Frankfurt in den vergangenen Tagen einen Traffic-Anstieg von 800 Gbit/s, das entspricht etwa zehn Prozent des üblichen Datenverkehrs. „Wir erwarten, dass sich dieser Trend in die nächsten Wochen – abhängig von der jeweiligen Situation – fortsetzen wird.“

Vergangenen Dienstag hatte es am Frankfurter De-Cix-Knoten, über den ein großer Teil des deutschen Datenverkehrs läuft, sogar einen neuen Weltrekord gegeben: 9,1 Terabit pro Sekunde wurden gemessen. Allerdings gab es dafür neben des Coronavirus noch einen Grund. Das lang erwartete Computerspiel „Call of Duty Warzone“ erschien und Nutzer mussten damit bis zu 101 Gigabyte herunterladen. Das habe ebenfalls einen Einfluss auf den Rekord gehabt, sagt Titt.

Firmen-IT als Flaschenhals

Ein Problem sei der Anstieg zumindest an den Netzknoten nicht. Die Kapazitäten werden ohnehin schrittweise ausgebaut, im Schnitt im 20 Prozent pro Jahr. „Selbst wenn alle Firmen Europas ausschließlich Homeoffice betreiben würden und nebenher noch die Fußball-EM übertragen wird, kann der DE-CIX die notwendige Bandbreiten für reibungslose Interconnection bereitstellen“, sagt Titt. Denn man habe immer ein Puffer, um die Kapazitäten um mindestens 25 Prozent erhöhen zu können. 

Doch wie sieht es bei den einzelnen Internetanschlüssen vor Ort aus? „Ich bin da optimistisch, denn die Bandbreiten für die meisten Homeoffice-Anwendungen sind vergleichsweise gering“, sagt Nick Kriegeskotte, Leiter Infrastruktur & Regulierung beim Digitalverband Bitkom. Solange der Internetanschluss zu Hause für das abendliche Schauen von Serien reiche, könnten tagsüber damit auch Videokonferenzen durchgeführt werden.

Ein Flaschenhals könnte eher die jeweilige Firmen-IT sein. So müssten womöglich die Uploadraten der Firmenanschlüsse angepasst werden, wenn es mehr Zugriffe von außen gibt und auch bei Zugriffen über VPN (Virtual Private Network) auf die Firmennetze könne es zu Engpässen kommen. Teilweise gibt es nicht genug Zugänge für alle Mitarbeiter oder die Kapazitäten reichen nicht aus, wenn sich zu viele gleichzeitig darüber einloggen.

Fortnite belastet italienische Netze

Ein wichtiger Faktor dürften auch die Schulschließungen sein. Normalerweise fallen die größten Datenmengen am Abend an, wenn in großem Umfang Video- und Spielestreams abgerufen werden. Der Datenverkehr ist dann zwei bis drei Mal so groß. Doch wenn nun die meisten Kinder zu Hause bleiben müssen, verlagert sich das. Die Folgen lassen sich in Italien schon beobachten.

Laut dem Dienstleister Cloudfare sei in vom Coronoavirus besonders betroffenen Regionen der Internetverkehr unter anderem durch Homeoffice um durchschnittlich zehn Prozent gestiegen. In Italien um etwa 30 Prozent. Zudem hätten sich die Datennutzungsmuster geändert und die Spitzen würden früher am Tag erreicht.

Der CEO von Telecom Italia, Luigi Gubitosi, berichtete während eines Gesprächs mit Analysten vergangene Woche sogar, dass das Festnetz von Telecom Italia einen Anstieg des Datenverkehrs um mehr als 70 Prozent verzeichnete. Dadurch sei es auch zu zahlreichen Verbindungsproblemen gekommen. Gubitosi führte den Anstieg auf eine gestiegen Nutzung von Onlinespielen wie Fortnite zurück, die mehr Bandbreite benötigen als die meisten Dienste für Fernarbeit.

Für Deutschland sieht der Bitkom trotzdem auch in dieser Woche keine grundsätzlichen Probleme. „Ich gehe davon aus, dass die Netze das aushalten“, sagt Kriegeskotte. Wenn die Bandbreiten im Haushalt nicht ausreichen, müsse man sich über die Nutzung verständigen, zudem könne man am Router einstellen, welche Geräte priorisiert werden.

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