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Passanten in einer Einkaufsstraße und Fußgängerzone.

© dpa/Stefan Sauer

Inflation schadet Zusammenhalt: Was die Deutschen in der Preiskrise umtreibt

Zwei Drittel der Menschen in Deutschland bewerten die Gesellschaft als eher gespalten. Was hat das mit der anhaltenden Preiskrise zu tun? Und wobei ist sich die Gesellschaft trotzdem einig?

Von Joshua Sans

Seit dreieinhalb Jahren befindet sich die Deutsche Gesellschaft im anhaltenden Krisenmodus. Während der Corona-Pandemie bewegten Ängste um die Gesundheit, Kontakteinschränkungen und Lieferengpässe die Menschen. Mittlerweile sind es die gestiegenen Verbraucherpreise, die immer größere Teile der Bevölkerung belasten.

Vor diesem Hintergrund hat die Organisation „More in Common“ in einer Studie untersucht, was die Menschen in Deutschland über den Zustand der Gesellschaft und die Handlungsfähigkeit der Politik denken. Seit 2019 erhebt „More in Common“ in regelmäßigen Abständen Daten zur gesellschaftlichen Dynamik in Deutschland. 

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Die Inflation trifft alle – aber nicht gleich hart

99 Prozent der Befragten geben an, dass sie die steigenden Preise persönlich spüren. Dabei trifft die Inflation aber nicht alle gleich hart. 57 Prozent aller Befragten bejahen die Aussage „Ich kann mir wegen der steigenden Preise viele Dinge nicht mehr leisten, die letztes Jahr noch möglich waren“. Bei einem Haushaltsnettoeinkommen (HNE) von über 3500 Euro stimmen dieser Aussage 39 Prozent der Befragten zu, während es bei den Befragten mit einem HNE unter 1500 Euro 87 Prozent sind.

60
Prozent der Befragten schätzen die deutsche Gesellschaft als „eher gespalten“ ein.

Die Hälfte der Befragten befürchtet außerdem, durch die gestiegenen Preise sozial abzurutschen. Bei den Befragten mit einem HNE unter 1500 Euro lag der Anteil derer mit Abstiegsängsten mit 72 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Auch die Anti-Krisen-Politik der Bundesregierung, die seit über einem Jahr durch verschiedene Maßnahmen die Haushalte zu entlasten versucht, konnte diese Abstiegsängste nicht abmildern.

Einigkeit trotz wahrgenommener Spaltung

Obwohl 60 Prozent der Befragten Deutschland als „eher gespalten“ einschätzen, lassen sich einige Gemeinsamkeiten unter den Befragten finden. Der Großteil der Befragten schätzt die Arm-Reich-Schere als stärkstes Spaltungsmotiv ein. Auch in der Frage nach den wichtigsten Themen, denen Deutschland gegenübersteht, zeigt sich eine gewisse Einigkeit.

Die Themen „Inflation bei Energie- und Lebenshaltungskosten begrenzen“, „Bezahlbaren Wohnraum gewährleisten“, „Alterssicherung verbessern“ und „Klimawandel und Umwelt“ wurden vom Großteil der Befragten höher eingestuft als die übrigen dreizehn Themen.

Ein möglicher Grund für die wahrgenommene Spaltung liegt darin, wie die Befragten über sich selbst und andere in der Gesellschaft nachdenken. 62 Prozent geben an, sich regelmäßig Gedanken über den Zusammenhalt im Land zu machen. Allerdings stimmen auch 70 Prozent der Aussage zu, dass sich die meisten Menschen in Deutschland keine Gedanken über den gesellschaftlichen Zusammenhalt machen würden.

Vertrauensverlust in die Politik

Die Studie zeigt, dass der Vertrauensverlust in die Gesellschaft auch mit einem Vertrauensverlust in die Politik einhergeht. Noch zu Beginn Corona-Pandemie wurde das schnelle und umfassende Handeln der Bundesregierung als positiv wahrgenommen. Im Jahr 2020 stimmten 54 Prozent der Befragten der Aussage „Die Politik geht die wichtigen Probleme in Deutschland entschieden an“ zu. Im laufenden Jahr stimmen dieser Aussage nur noch 24 Prozent der Befragten zu, was dem Wert von 2019 entspricht.

Die AfD legt zu, weil sie erfolgreich aus einem wachsenden Reservoir an negativen gesellschaftlichen Energien schöpfen kann.

Aus der Studie von „More in Common“

Bereits vor der Pandemie und den derzeitigen Krisen gab es also ein Problem mit dem allgemeinen Vertrauen in politisch Verantwortliche. Betrachtet man das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit durch politische Teilhabe, wird der Vertrauensverlust in die Politik als Ganzes noch deutlicher. Lediglich 41 Prozent der Befragten stimmen derzeit der Aussage zu, dass „durch ihre Entscheidungen und Handlungen Bürger die Gesellschaft verändern“. 

In der aktuellen Krisenlage sehen die Wissenschaftler:innen von „More in Common“ nicht nur eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch einen Vorteil für die Rechtspopulisten der AfD. „Die AfD legt zu, weil sie erfolgreich aus einem wachsenden Reservoir an negativen gesellschaftlichen Energien schöpfen kann“, heißt es in der Studie. So würden die breit geteilten Empfindungen von Ungerechtigkeit, Nicht-Gehört-Werden und politischem Stillstand Anknüpfungspunkte für rechtspopulistische Politik bieten.

Um diese Entwicklung einzuhegen, bräuchte es laut Autor:innen politische Alternativen aus dem demokratischen Spektrum und eine Zusammenarbeit demokratischer Akteure. Exzessives politisches Taktieren habe merklich das Ansehen von Politik beschädigt. Auch fehle es, so die Forschenden, an einem Angebot von Zukunftsbildern. Nur vier Prozent der Befragten geben an, zu glauben, dass sich die gesellschaftliche Lage in Deutschland in den nächsten vier Jahren verbessern wird. 

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