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Neue Wege. Die StyleNite von Michalsky gab es auch live im Internet zu sehen.

© dpa

Modestadt Berlin: In die erste Reihe

Mode hat sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Stadt entwickelt. Bei der Vermarktung der Branche sei noch Luft nach oben, sagen Modeschaffende.

Das war keine gute Nachricht, mit der die Fashion Week begann: Die Modemesse Bread & Butter zieht für die Winterausgabe nach Barcelona. Doch die Branche lässt sich nicht entmutigen. „Obwohl die Bombe am Anfang der Woche geplatzt ist, war die Stimmung viel positiver als noch im Januar“, sagt der Berliner Designer Michael Michalsky. „Es war ein Strohfeuer.“ Er betrachtet den Weggang der Bread & Butter als Chance: „Die Leute sehen das eher positiv. Früher war die Bread & Butter die Leitmesse und alle mussten sich zeitlich nach ihr richten“, sagt Michalsky. „Jetzt können wir einen Termin finden, der besser auf den internationalen Kalender der Haute-Couture abgestimmt ist. So bekommen wir mehr internationale Journalisten nach Berlin.“ Das sieht auch die Chefin der Modemesse Premium, Anita Tillmann, so.

Mode ist zu einem wichtigem Wirtschaftsfaktor für die Stadt geworden

Die Mode ist längst zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Stadt geworden und die Fashion Week ist ihr Motor. Nach Angaben der Wirtschaftsförderer von Berlin Partner hat sich die Stadt mit mehr als 3500 Unternehmen und rund 19 200 Erwerbstätigen als Modemetropole etabliert. 2011 lagen die Umsätze der Berliner Modebranche demnach bei rund drei Milliarden Euro. Allein die Fashion Week erzeugt nach Berechnungen der Investitionsbank Berlin eine zusätzliche Wirtschaftsleistung von rund 120 Millionen Euro. Eine Show wie zum Beispiel die StyleNite von Michalsky beschäftigt an einem Abend rund 450 Leute – vom Caterer bis zum Visagisten.

Berliner Modeschaffende fordern mehr Raum für Fashion Shows

„Wir hatten so viele Aussteller wie noch nie – auch die Qualität war höher“, lautet Anita Tillmanns Fazit. „Es war die beste Premium bisher.“ Mehr internationale Einkäufer seien gekommen, vor allem aus Südeuropa, Asien und Nordamerika. „Wir brauchen mehr Fläche“, fordert Tillmann. Und auch Michalsky sagt: „Wir waren überbucht und hatten so viel Presse wie noch nie.“ Den Designer freut dabei besonders, dass sein Konzept der StyleNite aufgegangen ist. „Ich will keine klassische Schau, sondern ein populär kulturelles Event“, sagt er. Das passe besser zu ihm, zu seiner Mode und auch besser zu Berlin. Bei der Präsentation geht er auch technisch neue Wege: Die komplette Show ist per Livestream im Netz zu sehen gewesen.

Berlin ist die Stadt der Start-ups - das ist auch ein Vorteil für die Modebranche

„In Berlin wird alle 20 Stunden ein Start-up der digitalen Wirtschaft gegründet. Hier entstehen oft auch innovative Lösungen, die junge kreative Designer nutzen, um ihre Mode zu präsentieren und zu vermarkten“, sagt Berlin-Partner- Chefin Melanie Bähr. In der Kombination aus Mode und neuen Technologien sieht auch Anita Tillmann einen besonderen Vorteil von Berlin. „Wir haben hier eine super Chance, die sonst keine andere Modestadt auf der Welt hat“, sagt die Premium-Chefin. „Wir können ganz neue Inhalte und Formate entwickeln, die von Berlin aus in die Welt gehen“, sagt Tillmann. „Dann sitzen wir nicht mehr in der letzten Reihe, sondern ganz vorne.“

Modemacher sehen ihre Branche nicht ausreichend vertreten

Um solche Dinge besser vorantreiben zu können, wünschen sich Michalsky und Tillmann eine bessere Vertretung der Branche in der Stadt. Der Senat und Berlin Partner bemühten sich zwar sehr, die Modebranche als Teil der Kreativwirtschaft zu unterstützen. „Das reicht aber nicht“, sagt Tillmann. „Es muss jemand nur für Mode da sein!“ In Deutschland fehle so eine Instanz wie etwa das Council of Fashion Designers of America oder das Fashion Council in London, sagt Michalsky, in denen sich die Modeindustrie selbst organisiere und verwalte. Auch in den USA gebe es das noch nicht lange, das Council sei aber sehr erfolgreich.

Designer Michael Michalsky wünscht sich eine Partnerschaft aus Industrie und öffentlicher Hand

Zwar gebe es bereits Industrieverbände für die Branche. „Da sind aber die Hersteller von Gardinen und Unterwäsche genauso vertreten wie die Designer“, sagt Tillmann. „Die Strukturen sind veraltet. Wir sprechen nicht die gleiche Sprache. Wir brauchen aber jemanden, der für die Designer in Berlin spricht.“ So sieht das auch Michalsky, bisher habe es aber noch niemanden gegeben, der sich darum gekümmert habe. Die Aufgabe müsse sein, die Designkultur hierzulande zu fördern und sie auch international zu kommunizieren. Er stellt sich dafür eine Partnerschaft aus Industrie und der öffentlichen Hand vor, ähnlich wie das Fashion Council in London. Bei Melanie Bähr kommt die Idee gut an. Sie will das prüfen. „Die Modewirtschaft ist nicht nur ein wichtiger Image- sondern auch Wirtschaftsfaktor“, sagt die Berlin-Partner-Chefin. „Politik und Wirtschaft sollten sich noch intensiver vernetzen und gemeinsam die Modemetropole Berlin international positionieren.“

Berlin ist ein idealer Standort für Nachwuchsdesigner

Michalsky und Tillmann haben noch ein weiteres Anliegen an die Wirtschaftsförderer: „Ich würde mir wünschen, dass die Stadt ein Budget bereitstellt, um relevante Einkäufer und Journalisten zur Fashion Week einzufliegen“, sagt Tillmann. „Das ist total wichtig.“ London zum Beispiel übernehme die Reise- und Hotelkosten für die wichtigen Kommunikatoren. „Die stehen einfach vor der Wahl, sich die Jungdesigner in London anzugucken oder in Berlin. Wenn die Kosten erstattet werden, ist die Entscheidung schon gefallen“, erklärt Tillmann. Für die Einkäufer sorgten die Messeveranstalter schon selber. Es gehe aber darum, den jungen Designern Starthilfe zu geben.

Berlin sei der ideale Ort für junge Designer. „Kreativ zu sein, muss man sich leisten können“, sagt Tillmann. „In Berlin kann man es sich leisten, sich auszuprobieren. Das kann man sicher nicht in London, Paris oder New York.“ Berlin sei es gelungen, sich zu einer Modestadt zu entwickeln, die Deutschland so nie zuvor hatte. „Berlin ist der internationale Hotspot.“

Italien und Frankreich sind stolz auf ihre Modeschöpfer

Dennoch habe Berlin noch ein gutes Stück Weg vor sich, meint Michalsky. „In unserer Kultur ist Mode nicht so hoch angesehen wie in anderen Ländern. In Frankreich und Italien ist man sehr stolz auf seine Modeschöpfer“, sagt der Designer. „Und Mode wird in Deutschland auch nicht als die bedeutende Industrie anerkannt, die sie tatsächlich ist.“ Tillmann und Michalsky wollen an der Weiterentwicklung der Fashion Week arbeiten. Dabei gehe es nicht nur darum, sie zeitlich besser auf den internationalen Kalender abzustimmen, sondern sie auch inhaltlich voranzubringen. „Es ist schade, dass die Bread & Butter einmal im Jahr wegfällt“, sagt Michalsky. „Aber wir können uns von den Fesseln befreien, und größere internationale Relevanz bekommen.“ Keiner müsse fürchten, dass die Fashion Week ohne Bread & Butter weniger Aussteller haben werde, sagt Tillmann. „Keiner der in Berlin ausstellen möchte, wird nach Hause gehen müssen. Wir arbeiten schon daran. Ich bin sicher, es werden neue Formate entstehen. Veränderung ist gut für Berlin.“ Und sie hofft, dass die Mode bald auch eine bessere Lobby bekommt und Angela Merkel nicht nur die Grüne Woche, sondern auch die Fashion Week besucht. „Ich finde schon, dass Frau Merkel auch mal zu uns kommen kann“, sagt Tillmann.

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