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Stauraum: „Jedes Ding braucht sein Zuhause“

Von Planern werden sie immer noch gern vernachlässigt: Plätze, an denen sich Bügelbrett oder Sportausrüstung verstecken lassen. Ordnungsexpertin Sophie Babendererde erklärt im Interview, wie man mit Organisation dem Chaos zu Leibe rücken kann.

Sie sind das Stiefkind der Planer: Abstellkammern, Keller, Dachböden, Hauswirtschaftsräume. Aber was nützt das durchgestylte Dachgeschoss mit Wellnessbereich, das großzügige Einfamilienhaus oder das flippige Loft, wenn Skier, Haushaltsgerätekartons, alte Fotobände und Sporttaschen in Ecken herumstehen oder ständig von A nach B geräumt werden müssen, weil Nebenräume fehlen.

An der Universität Stuttgart beschäftigt sich sogar ein eigener Lehrstuhl mit dem Thema, finanziert von der Wüstenrot-Stiftung. „Im Architekturstudium kommt das Wohnen viel zu kurz“, sagt Geschäftsführer Georg Adlbert. „Da geht es immer nur um die große Geste, den tollen Entwurf. Viel zu wenig um die sozialen Bedürfnisse der Nutzer.“

Ohnehin würden kaum zehn bis zwanzig Prozent der Wohngebäude von Architekten geplant. Stattdessen agieren auf diesem Terrain Projektentwickler und Bauträger. Seit den Sechziger Jahren mit den Mini-Einheitsgrundrissen der Satellitenstädte hat sich zwar viel auf dem Markt entwickelt – von Townhouses bis zu Maisonettewohnungen. Aber trotzdem: Die Forschung hinkt neuen Entwicklungen und Bedürfnissen wie Single- und Seniorenwohnen oder gemeinschaftlichen Lebensformen hinterher. „Welche Räume wollen die Menschen wieder zusammen nutzen, etwa zum Wäschewaschen oder zum Arbeiten am PC? Wo können Fahrräder, Kinderwagen oder Rollstühle bequem abgestellt werden?“ Um die kleinen Dinge mache sich die Wissenschaft zu wenig Gedanken, findet Adlbert. Das betreffe auch das Thema Ordnen und Aufbewahren. „In den meisten Haushalten gibt es mehr Sportgeräte, Hausrat und Technik als je zuvor. Das muss man unterbringen.“

Unter anderem diesem Umstand hat Sophie Babendererde ihren Job zu verdanken. Sie nennt sich Personal Coach und bringt Struktur ins Chaos. Allerdings tritt sie nicht mit Blaumann und Müllsack zur Aufräumaktion an, sondern sie hilft den Bewohnern, ihre Bedürfnisse zu erkennen und danach den Haushalt neu zu ordnen. Ursprünglich unterstützte sie mit ihrem Organisationstalent nur Familie und Freunde. Aber schnell wurde klar, dass die gelernte Verlagskauffrau und vierfache Mutter in eine Marktlücke getapst war. Ob überbeschäftigter Manager oder Großfamilie nach dem Umzug – für viele scheint Sophie Babendererde die letzte Rettung, um dem Gewirr auf dem Schreibtisch, in Schränken und Zimmern zu entkommen. Noch viel besser sind jene dran, die die Ordnungsexpertin zu Rate ziehen, bevor sie bauen. Dann grübelt Babendererde gemeinsam mit den Bauherren, welcher Grundriss die besten Strukturen für eine reibungslose Familienorganisation bietet. Tipps dazu gibt sie im Interview.

Frau Babendererde, wer ist eigentlich ordentlicher - Mieter oder Eigentümer?

Pauschal kann man es nicht sagen. Mieter haben meist weniger Platz zur Verfügung als Haus- oder Wohnungseigentümer. Das kann problematisch sein, wenn Abstell- oder Hauswirtschaftsräume fehlen. Andererseits: Viel Platz im Haus verleitet zum Anhäufen und Aufheben.

Haben die meisten Häuser und Wohnungen überhaupt genügend Stauraum?

Leider nein. Gerade bei Neubauten verzichten Bauträger oft darauf – zu Gunsten von mehr Wohnfläche, für die man einen höheren Preis verlangen kann.

Sie beraten auch Bauträger. Welche Erfahrungen machen Sie dabei?

Es wird viel zu wenig über Abstellraum nachgedacht. Vielleicht liegt es auch daran, dass bei der Planung oft nur Männer zusammensitzen, die nicht an Platz für ein Bügelbrett und den Staubsauger denken. Besonders Architekten tun sich damit schwer. Das ist manchmal ein zähes Ringen. Die frage ich dann: Wo soll denn das Golfgepäck hin? Dabei ist ein ausreichender Abstellraum ein gutes Verkaufsargument. Wer will schon eine schöne offene Küche, in der dann Besen oder Wischmopp herumstehen?

Wer neu baut, kann selbst über Keller, Dachboden und Hauswirtschaftsraum entscheiden. Wie geht man das Thema Ordnung und Struktur bei der Planung eines Hauses oder einer Wohnung an?

Ein Hauswirtschaftsraum gehört immer auf die ebene Erde, wo sich der Großteil des täglichen Lebens abspielt. Ich würde ihn immer zentral positionieren. Während ich in der Küche arbeite, will ich hören, wenn die Wäsche fertig ist. Ich möchte nicht in den Keller rennen, um die Wäsche herauszunehmen oder mir dort Reinigungsmaterial holen müssen.

Was soll alles in einem solchen Hauswirtschaftsraum untergebracht werden?

In einen Hauswirtschaftsraum gehören Waschmaschine und Wäschetrockner. Darüber hinaus Regale, die gut strukturiert sind, mit festen Plätzen für Werkzeug oder Kochgeschirr, das man nur selten benutzt. Und Reinigungsmittel, die man häufig braucht.

Kann man dafür nicht besser eine kleine separate Kammer einplanen?

Kleine Abstellkammern sind erfahrungsgemäß schnell vollgestopft und man kann sie nicht mehr betreten. Ich plädiere bei der Planung nicht für zu viel Stauraum wie etwa zu große Keller. Dort sammelt man schnell Dinge an, die man nicht braucht: alte Kleidung, Bücher, Akten, Zeitschriften, Sportgeräte, defekte Haushaltsgeräte oder Verpackungen.

Muss man die nicht aufheben?

Nicht immer. Sinnvoll ist es, das Kaufdatum darauf zu schreiben. Dann kann man regelmäßig alte Kartons entsorgen.

Was kann in den Keller? Fahrräder und Sportgeräte?

Niemand hat Lust, das Rad regelmäßig in den Keller zu schleppen. Davon würde ich abraten. Sinnvoll ist es, im Keller Lebensmittel- und Getränkevorräte zu lagern. Viele nutzen ihn als Fitness- oder Tischtennisraum, als Werkstatt oder zum Lagern von Sammlungen – wenn man die nicht lieber im Wohnbereich ausstellt. Auch Koffer und Farbeimer gehören in den Keller. Es sei denn, jemand ist viel auf Reisen, dann sollte das Reisegepäck in der Nähe des Kleiderschrankes untergebracht sein.

Was würden Sie beim Hausbau außerdem noch einplanen?

Ich empfehle an zentraler Stelle – ruhig in der Küche – einen Büroplatz.

Warum das? Viele, die kein separates Arbeitszimmer haben, bringen den Schreibtisch ja lieber versteckt unter, etwa unter dem Dach oder im Schlafzimmer?

Ein Arbeitsplatz, der zu abgelegen ist, lädt zum Stapeln ein. Sie brauchen einen Platz, wo sich die Familie trifft. Ich nenne es das Familienmanagementcenter. Da liegt alles Aktuelle; die Post, Zettel mit Arztterminen, die Stundenpläne der Schulkinder, Telefonnummern, Rechnungen, Einkaufslisten.

Woran soll man noch denken?

Der Schuhschrank und die Garderobe gehören in die Nähe des Eingangs. Grundsätzlich gilt: Alles soll dort sein, wo es gebraucht wird. Jedes Ding braucht sein Zuhause! Am besten ist es, vor dem Umzug durch die alte Wohnung zu gehen und sich zu fragen: Was waren die „wunden Punkte“? Was würde ich gern anders haben? Was war praktisch und hat gut funktioniert? Das kann man als Familie gemeinsam machen; alle Ideen sammeln und in ein Büchlein schreiben. Die wenigsten Bauherren tun das rechtzeitig und verschieben es auf die Bauphase. Aber während des Bauens sind viele andere Entscheidungen zu treffen, Fliesen, Türklinken und Fenster auszuwählen.

Wie ist es, wenn Paare zusammenziehen, beraten Sie die auch?

Allerdings. Ich habe schon erlebt, dass zwei Menschen monatelang aus Kisten lebten, weil sie sich nicht einigen konnten, wie sie ihren Haushalt strukturieren. Da muss man nach sinnvollen Kompromissen suchen. Ich frage: Wann haben Sie diesen Gegenstand zuletzt benutzt? Grundsätzlich: man sollte regelmäßig – mindestens einmal jährlich – ausmisten! Wenn Sie ein neues Kleidungsstück kaufen, werfen Sie ein altes dafür weg.

Und wenn zum Beispiel der elegante Wollmantel so teuer war, und ich ihn nur zweimal anhatte?

Dann bringen Sie ihn in den Secondhand-Laden. Wenn man Ihnen dort keine Riesensumme bietet, wissen Sie, dass der Wert nur noch ein ideeller ist.

Aber wenn ich mich partout nicht trennen kann von alten Dingen?

Dann tun Sie's in eine Kiste, beschriften die und legen Sie es für den Aufräumtermin im nächsten Jahr auf Wiedervorlage. Wenn Sie es in der Zwischenzeit nicht vermisst haben – weg damit.

Wie schaffe ich am besten eine Struktur, wenn ich in eine gebrauchte Immobilie einziehe?

Überlegen Sie, wie Sie ihre Sachen und Gewohnheiten dort integrieren können. Sie müssen sich erst klar werden über ihre Bedürfnisse. Was tun Sie jeden Tag? Und dann legen Sie Prioritäten fest.

Und wenn die neue Immobilie nicht über optimale Räume verfügt?

Man kann vor dem Einzug Alternativen überdenken. Vielleicht gibt es ein halbes Zimmer, das man zum Gästezimmer machen wollte. Aber wie oft haben Sie Übernachtungsbesuch? Manches Gästezimmer wird nur einmal im Jahr genutzt. Da ist es doch sinnvoller, es als Wirtschaftsraum zu nutzen. Vielleicht lassen sich sogar Waschmaschinenanschlüsse dort installieren. Überdenken Sie vor dem Umzug auch den Neukauf von Möbeln. Was will ich wo unterbringen?

Aber nur praktisch zu denken, ist doch trist. Es soll doch auch gut aussehen.

Es geht beides. Aber besonders bei der Küchenplanung ist das eklatant. Da wird häufig nur nach Optik entschieden, nicht nach Bedürfnissen. Aber die gestylteste Küche sieht spätestens dann nicht mehr so toll aus, wenn sie sich im täglichen Gebrauch als unpraktisch erweist. Auch hier gilt es, sich zu fragen: Was brauche ich wirklich an Geräten? Was sind meine Gewohnheiten? Wie koche ich? Sonst richten Sie sich nach Ihrer Küche und nicht die Küche nach Ihnen. Ein Umzug ist immer auch eine Chance. Er schafft Platz für Neues, in der Wohnung und im Kopf. Sich neu zu strukturieren ist nicht nur lästig, sondern macht auch Spaß.

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