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Gartenquartier Lilli-Henoch-Straße. Diese Potentialstudie aus der Feder von Kaspar Kraemer Architekten (KKA) legte Investor Gérôme zur Neugestaltung des Güterbahnhofareals Greifswalder Straße im Juni 2019 vor. 

©  KKA Architekten

Schule oder Wohnhochhäuser?: Der erbitterte Streit um eine der letzten großen Freiflächen in Pankow

Nach jahrelangem Hin und Her: Pankow will Investor Christian Gérôme alte Bahn-Flächen für einen Schulstandort abkaufen. Gérôme will lieber Wohnungen bauen.

Die Not ist groß im wachsenden Bezirk Pankow: Es gibt viel zu wenige Schulen. Deshalb kommt nun Schwung in die Neugestaltung des ehemaligen Bahngeländes Greifswalder Straße. Nach Tagesspiegel-Informationen hat Christian Gérôme, Eigentümer der 28.000 Quadratmeter großen Brache, zwei Bauanträge auf der alten Bahn-Liegenschaft nach Paragraf 34 (Lückenbebauung) gestellt. Einer wurde abgelehnt, auf den anderen reagierte der Bezirk nicht, was Gérôme als positiven Bauvorbescheid interpretiert. Es geht um zwei Bürogebäude an den Gleisen, die sich an vorhandenen Bauten im Thälmann-Park orientieren. Der Bezirk seinerseits bot Gérôme die Bewilligung eines Wohnhochhauses an, wenn Pankow im Gegenzug Flächen für Schulen erwerben kann.

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Im Juli 2011 hatte die Bahn offiziell bestätigt, dass sie den Güterbahnhof an dieser Stelle nicht mehr braucht und an Gérôme verkauft.

Ursprünglich wollte der Investor hier auf einer der letzten großen Freiflächen im Prenzlauer Berg zunächst rund 600 Wohnungen bauen, einen Teil davon als Sozialwohnungen für die landeseigene Gewobag. Eine benachbarte Anwohnerinitiative aus dem Ernst Thälmann-Park stellte sich wie die Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow aber dagegen. Sie wollen die Freiflächen für Erholung und Freizeit nutzen und verwiesen auf die Bedeutung des Güterbahnhofsgeländes als Frischluftschneise.

Nachdem es jahrelang auch mit vom Bezirk gewünschten Schulstandort nicht voranging, fasste die BVV im Juli 2017 diesen Beschluss: „Die Bebauung soll blockrandbildend der Greifswalder Straße folgen und sich in der Lilli-Henoch-Straße – ebenfalls blockrandbildend – rücksichtsvoll in die Wohnqualität der Bestandsbebauung einfügen.“ Der Planungsprozess wurde aber zunächst ausgesetzt. Einen Bebauungsplan gibt es nicht, weil keine Einigung erzielt wurde.

Investor Gérôme wandte sich daraufhin an die Wohnungsbauleitstelle des Landes und stellte einen Clearingantrag. Der wurde gar nicht erst behandelt: „Kein entscheidungsreifes Projekt, das im Rahmen der Wohnungsbaukoordinierung behandelt werden kann“, hieß es im Frühsommer 2018 aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Nun wird eine teilweise Wohnbebauung aber durchaus befürwortet, wie der Tagesspiegel aus dem Bezirk erfuhr.

Ein Wohnhochhaus kann sich der Bezirk jetzt vorstellen

Zwar vereinbarten sowohl Gérôme als auch Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) Stillschweigen über den Planungs- und Verfahrensstand, doch sickerte soviel durch: Weil das Land für den Wohnungsbau nicht auf landeseigene Kleingartenflächen zurückgreifen will, wird nun Bauland von privaten Investoren angekauft. 

Dies nicht nur in Pankow sondern berlinweit. Zur Erweiterung eines Gymnasiums an der Woelckpromenade kaufte Pankow bereits – für viel Geld, wie man hört –  Flächen an. So soll auch an der Greifswalder Straße verfahren werden.

Es geht in zweierlei Hinsicht aber noch um das „Wie viel?“. Am 24. Januar 2020 traf man sich in großer Runde mit Kuhn. Auch Gérômes Architekten waren dabei. Sein ebenfalls anwesender Anwalt leitet aus dem Vorbescheid für seinen Mandanten bereits Baurecht ab.

Dem Bezirk liegt inzwischen eine Machbarkeitsstudie für den Schulstandort vor, Gérôme zeigte seine Planungen für Bürogebäude. Pankow möchte auf dem Gelände Greifswalder Straße eine Gemeinschaftsschule und eine „Schuldrehscheibe“ bauen – so heißen Ersatz- oder Ausweichbauten in der Behördensprache.

Investor Christian Gérôme wartet seit acht Jahren auf Baurecht in Pankow.
Investor Christian Gérôme wartet seit acht Jahren auf Baurecht in Pankow.

© imago images / Photopress Müller

Nun stehen Bezirk und Gérôme vor dem Abschluss eines Kompromisses, dessen Eckpfeiler so aufgestellt sind: Der Investor bekommt seine Wohnbebauung an der Ecke Greifswalder Straße; seinen historischen Güterbahnhofsschuppen darf er als „Eventlocation“ und Kulturzentrum weiter nutzen und es werden Bürogebäude errichtet. Gegen einen „Hochpunkt“ hätte der Bezirk an der Greifswalder Straße nichts einzuwenden, weder ideell noch städtebaulich – ein Zeichen der Zeit.

Ein Hochhaus als Zeichen der Verdichtung der Großstadt. Allerdings hätte der Bezirk gerne viele Flächen für seine Vorhaben – zwei Drittel der Gesamtfläche, so ist zu hören. Damit ist Gérôme indes (noch) nicht einverstanden: Zum Vermarkten bliebe ihm dann wenig übrig, was sich auf den Verkaufspreis der vom Bezirk benötigten Flächen auswirken müsste.

Beide Seiten werden sich aber aufeinander zu bewegen. Denn der Bezirk braucht die Schule und Gérôme braucht nach acht Jahren Hängepartie Baurecht. Von Gérômes Plänen an der Greifswalder Straße, im Sockel des Hochhauses Einzelhandelsflächen vorzusehen, ist Pankow durchaus angetan: Hier könne ein Markt mit regionalen Lebensmitteln entstehen und neben dem Hochhaus eine Elektrotankstelle. Auch das passt in die Zeit.

Neue Bauvorhaben müssen sich an der Thälmann-Siedlung orientieren

Zur Bebauung nach Paragraph 34 des Baugesetzbuches (BauGB) kann es kommen, weil das Verwaltungsgericht Berlin Ende 2018 im Streit zwischen Gérômes „Bahngelände Greifswalder Straße GmbH“ gegen das Land Berlin Ende November darauf hingewiesen hatte, dass „die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung der geplanten und der Umnutzung des vorhandenen Gebäudes (…) gemäß § 34 BauGB zu beurteilen“ sei, „denn das Vorhabengrundstück liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils.“ 

Damit ist die Thälmann-Siedlung gemeint, die von 1983 bis 1986 nach den Grundsätzen des sozialistischen Wohnungsbaus errichtet wurde. Geplante Bauvorhaben an der Greifswalder Straße haben sich nun an diesem Wohnkomplex zu orientieren: „Das heißt, die Wohngebäude vor allem aus wirtschaftlichen Gründen in die Höhe zu bauen, dafür aber großzügige Gartenflächen zur Erholung und Platz für die benötigte (soziale) Infrastruktur im Blockinneren zu bewahren“. Gegen 17- und 20-stöckige Punkthochhäuser und mindestens 6stöckige Gebäuderiegel ist unter diesen Vorzeichen nichts zu bescheiden (AZ.:VG 13K318.15).

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