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Kein „Vertical Village“. Der Postbanktower bleibt ein Büroturm.

©  Kai-Uwe Heinrich

Postgiroamt in Kreuzberg vor dem „Neustart“: SPD-Vertreter wirft Stadtrat Schmidt Inkompetenz vor

Der Stadtplanungsausschuss Friedrichshain-Kreuzberg hat noch Gesprächsbedarf. Der Deal, den Stadtrat Florian Schmidt ausgehandelt hat, sei ein Skandal.

Der von Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) mit der CG Gruppe als Eigentümerin des Postbank-Areals am Halleschen Ufer ausgehandelte Kompromiss hängt weiter in Luft. Der Stadtplanungsausschuss der Bezirks konnte sich am Mittwochabend nicht zu einer Beschlussempfehlung an die Bezirksverordenenversammlung (BVV) durchringen. Sowohl die Fraktion der Linken als auch die SPD haben noch Fragen, bzw. wollen den Kompromiss so nicht durchgehen lasse, auch die FDP hat Bedenken.

Um die Abkehr von der ursprünglichen Planung, die zunächst siebzig Prozent für den Wohnungsbau und dreißig Prozent für Gewerbeflächen vorsah, wurde in den vergangenen Monaten ein erbitterter Streit geführt, in den sich auch Architekt Matthias Sauerbruch einschaltete. Er war vor Jahren aus einem Wettbewerb zur Neugestaltung des sogenannten Blocks 608 (Hallesches Ufer/Großbeeren-/Möckern- und Hallesche Straße) siegreich hervorgegangen. Dabei war er allerdings nicht davon ausgegangen, dass aktuell siebzig Prozent Gewerbeflächen und nur dreißig Prozent Wohnungsbau vorgesehen sind, wobei die Wohnungen ausschließlich von einer landeseigenen Gesellschaft entwickelt werden sollen.

Umwidmung für Profit

Nach Einschätzung von Volker Härtig, Bürgerdeputierter für die SPD im Stadtplanungsausschuss der BVV, „verschafft Schmidt der CG-Gruppe mit einer „Umwidmung“ von Wohnflächen in Büroflächen einen riesigen Mehr-Profit, da die Büroflächen bzw. die Büromieten erheblich mehr wert oder doppelt so teuer sind wie bei Wohnflächen.“ Diesen „Extra-Profit“ bezifferte Härtig auf 50 bis 70 Millionen Euro. Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg habe „in seiner grenzenlosen Inkompetenz und berauscht von seinem Linkspopulismus – Kampf gegen neu gebaute Eigentums- und frei finanzierte Mietwohnungen – einen Deal mit der CG-Group zum Postscheckamt-Areal abgeschlossen, der als der größte Bauskandal in der Geschichte Friedrichshain-Kreuzbergs bezeichnet werden kann“, erklärte Härtig.

Ursprünglich sollten von über 100 000 qm geplanter Bruttogeschossfläche auf dem Areal des Postgiroamts siebzig Prozent der Fläche für Wohnen und dreißig für Gewerbe in einem Bebauungsplan festgeschrieben werden. So wurde es 2014/2015 auf Vorschlag von Stadtrat Hans Panhoff im Planungsausschuss und von der BVV beschlossen bzw. zur Kenntnis genommen. Auf dieser Grundlage fand 2014/2015 ein städtebaulicher Wettbewerb statt, den Sauerbruch gewann.

Von 700-800 geplanten Wohnungen sollten etwa 200 Wohnungen durch die Degewo errichtet werden, teilweise gefördert zu Anfangsmieten von 6,50, der Rest für bis zu 10 Euro pro Quadratmeter. Weitere etwa sechzig Wohnungen sollten privat, aber preisreduziert als Mietwohnungen errichtet werden. Insgesamt also etwa 250 Wohneinheiten. Weitere mehr als 450 Wohnungen sollten als Eigentumswohnungen und für Boarding-Wohnen entstehen.

Skandal oder Skandal?

Davon ist der Kompromiss nun weit entfernt. Härtig kündigte an, dass die SPD einen Antrag einbringen werde, das sogenannte „Baufeld 4a“ ebenfalls dem Wohnungsbau zuzuordnen. Die Erschließung des neuen Quartiers sollte nach Abschluss des städtebaulichen Wettbewerbes über die Großbeerenstraße realisiert werden. Dies ist nun nicht mehr geplant, so wurde in der Sitzung des Ausschusses deutlich.

Gebaut werden sollen drei Tiefgaragen, die über die Straße Hallesches Ufer erschlossen werden, erläuterte Jürgen Kutz, Vorstandsvorsitzender der CG Gruppe. Zum Wohnungsbau sagte er: „Es ist so, dass frei finanzierter Wohnungsbau auf dem Gelände nicht mehr stattfindet.“ Die Reduzierung der Wohneinheiten in Höhe von 75 Prozent ergebe sich aus der Büronutzung des Hochhauses, in das nach ursprünglichen Entwürfen Wohnungen eingebaut werden sollten.

Der Bezirksverordnete Götz Müller (CDU) verortete den Skandal um das ehemalige Postscheckamt Berlin-West an anderer Stelle als der SPD-Mann Härtig: „Durch die Verhandlungsart des Baustadtrats Schmidt haben wir 320 Wohnungen weniger – deshalb ist dieser Bauskandal ein anderer als der, den Herr Härtig angeprangert hat.“

Gewerbe first

Schmidt verteidigte den Kompromiss, der unter Beteiligung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zustande gekommen war. „Es gab mehrere Vermittlungsgespräche“, sagte Schmidt, „eingeladen hatte Staatssekretär Sebastian Scheel: Es ist kein Kompromiss, eher ein Neustart. Er umfasst eine gewisse radikale Linie: 29 000 Quadratmeter gehen komplett an die degewo.“ Der Tower bleibe, was er immer war – ein Bürogebäude. Die zunächst 28500 Quadratmeter Bruttogeschossfläche für Wohnen im Hochhaus „würden zu den hochpreisigsten Wohnungen in Berlin führen“, argumentierte Schmidt: „Wenn ich mir aussuche, ob ich einen Gewerbeturm habe oder einen Luxus-Wohnturm, entscheide ich mich für Gewerbe.“

Unterdesssen meldete sich Architekt Sauerbruch mit einer Replik auf den im Tagesspiegel veröffentlichten Brief von Florian Schmidt zur Causa Posthochhaus erneut zu Wort: „Ich will als Bürger gar nicht an jeder Entscheidung Anteil haben, sondern möchte einen vertrauenswürdigen Politiker haben, der das Interesse Aller mit Augenmaß vertritt. Ich will nicht einen, der gegen „hochwertige und hochpreisige Stadtmodelle“ zu Felde zieht, sondern einen, der Projekte auf die Beine stellt, in dem Alle Raum finden und der dazu beiträgt, dass alle erdenklichen Energien gebündelt und in die richtige Richtung gelenkt werden, einen, der ermöglicht, nicht verhindert!“ Den vollständigen offenen Brief von Architekt Sauerbruch lesen Sie hier.

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