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Matthias Sauerbruch ist Architekt, Stadtplaner und Hochschullehrer. Er lebt und arbeitet in Berlin.

© Kalle Koponen

Offener Brief zum Postscheckamt: "Das ursprüngliche Leitbild nicht aufgeben"

Der Architekt Matthias Sauerbruch beklagt, dass der Bezirk die Ergebnisse eines Architektur-Wettbewerbes zu den Akten legte, ohne die Architekten einzubeziehen. Im Tagesspiegel wendet er sich mit einem offenen Brief an Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt.

Sehr geehrter Herr Baustadtrat Schmidt,

da es mir trotz mehrfacher fernmündlicher und schriftlicher Anfragen nicht gelungen ist, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen, muss ich mich mit Ihnen auf diesem Wege austauschen. Ich schreibe Ihnen zunächst als Inhaber des Architekturbüros, das für den Masterplan am Posttower in Kreuzberg verantwortlich ist und auf Grund ihres vielfach zitierten Tweets, in dem Sie ankündigen, Sie wollten sich „übrigens merken, welche Architekt*innen für spekulative Eigentümer arbeiten“. Abgesehen von der sehr unglücklichen Kommunikationsform, fragt man sich als Architekt natürlich, was denn passieren wird, wenn Sie sich die Namen ausgewählter Kollegen merken. Wollen Sie sie an ihrer Berufsausübung in Kreuzberg hindern, sie im Genehmigungsprozess bestrafen? Wahrscheinlich nicht, denn das wäre ja eine Art von Selbstjustiz, die für einen demokratischen Politiker vollkommen inakzeptabel wäre. Schade nur, dass Sie die Gelegenheit Ihres Interviews im Tagespiegel nicht genutzt haben, um eventuelle Zweifel vollkommen auszuräumen.

Ich nehme an, Sie haben es nicht so gemeint und ich fühlte mich eigentlich auch nicht angesprochen von Ihrer Tirade, allein – ich wurde in den letzten Wochen vermehrt darauf angesprochen, dass mit dieser Bemerkung doch wohl wir gemeint sein müssten, da wir doch die Masterplaner des Postareals seien und zusammen mit Eike Becker Architekten und Robert Neun dort auch Häuser entwerfen. Dieses Projekt ist ja, wie man weiß, im Zentrum ihrer speziellen Feindschaft mit der Berliner CG Gruppe, die Sie im Augenblick „auf allen Kanälen“ öffentlich austragen. Beabsichtigt oder nicht – der Schaden ist also bereits entstanden.

Ich möchte nun diese Gelegenheit nutzen, um Sie daran zu erinnern, dass wir die Masterplaner dieses Geländes sind, weil wir vor ca. vier Jahren einen Wettbewerb gewonnen haben, den Ihr leider viel zu früh verstorbener Vorgänger Hans Panhoff zusammen mit dem Senat ausgeschrieben hat. Eine Jury von Kollegen hat sich damals zusammen mit allen Stakeholders aus Bezirk und Senat die Zeit genommen, über sechs Arbeiten zu beraten, die Ideen abzuwägen und schließlich die beste Arbeit auszuwählen.

"Bis heute gibt es keinen gültigen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan"

Nach dem Abschluss des Wettbewerbsverfahrens haben wir alle Aspekte des Entwurfes mit den Betroffenen und insbesondere auch dem Bezirk (der selbstverständlich in der Jury vertreten war) beraten. Hier sind bereits die ersten Verzögerungen aufgetreten, da sich einzelne Mitglieder des Planungsausschusses „übergangen“ fühlten. Die Sache zog sich in die Länge, eine spezielle Sachbearbeiterin, die für die zügige Durchführung von Wohnungsbauprojekten eingestellt wurde, konnte ihre Mission nicht erfüllen. Und obwohl im Wettbewerb eigentlich alle Sachfragen weitgehend geklärt und alle Parteien vertreten und zu einem mehrheitlichen Ergebnis gekommen waren, gibt es bis heute keinen gültigen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan. Ich weiß, Sie suchen die Schuld dafür beim Bauherren; fest steht, die Sache wurde nicht zum Abschluss gebracht – obwohl sich alle über den Bedarf einig sind.

"Vertical Village" - unter diesem Label sollten ursprünglich Apartments im alten Postturm verkauft werden. Nun kommt es anders.
"Vertical Village" - unter diesem Label sollten ursprünglich Apartments im alten Postturm verkauft werden. Nun kommt es anders.

© Eike Becker Architekten

Das Leitbild des Wettbewerbs war ein durchmischtes Wohnquartier mit Wohnungen aller Preisklassen, und ursprünglich gab es unter elf Gebäuden nur ein Bürogebäude und ein Hotel. (Verhältnis Wohnen : Gewerbe = 70% : 30%) Eine Besonderheit des Konzeptes war der umgebaute Posttower mit einer Vielzahl kleiner Wohnungen, die auf den steigenden Bedarf von Ein-Personen-Haushalten in Berlin reagieren sollte. Diese Umnutzung erlaubte eine Art von öffentlichem „Wohnzimmer“ am Fuß des Turmes, in dem für die Bewohnerschaft des ganzen Quartiers Gastronomie, Co-Working, Fitness und andere soziale Angebote zur Verfügung stehen sollten. Darüber hinaus gab es nicht nur Raum für einen Nahversorger sondern auch diverse kleinere Läden und Ateliers sowie eine Kita.

Dieses Konzept wurde im Verlauf der Jahre zerredet, sabotiert, blockiert, und das letzte traurige Kapitel dieser Geschichte ist nun ein Kompromissvorschlag, bei dem Sie zusammen mit Herrn Gröner das Gelände in Gutsherrenart unter sich aufteilen wollen: Gewerbe am Halleschen Ufer, geförderter Wohnungsbau im Norden. Der Anteil des geförderten Wohnungsbaus würde in dieser Alternative ca. verdreifacht und Sie könnten das als einen Sieg feiern. In Wahrheit wird jedoch dabei die Gesamtanzahl der Wohnungen auf weniger als die Hälfte reduziert (Verhältnis Wohnen : Gewerbe = 30% : 70%) und es entsteht ein monostrukturelles Quartier, dessen Probleme (nach allem was wir wissen) vorgezeichnet sind.

"Die Architekten sind die einzigen, die in dieser Angelegenheit neutral sind"

Was an diesem Prozess so außerordentlich bedauerlich ist, dass Sie es offensichtlich nicht für nötig halten, sich mit den Architekten zu dieser recht komplexen Verfahrenslage auszutauschen. Die Architekten sind die einzigen, die in dieser Angelegenheit neutral sind und ihre Rolle als Sachwalter eines Allgemeininteresses noch im Augen zu haben scheinen. Sie nehmen diese Ressource jedoch nicht in Anspruch und beschädigen statt dessen mit Ihren Unterstellungen einen ganzen Berufstand, der eigentlich einer Ihrer wenigen Alliierten im Kampf um eine bessere Umwelt ist.

Es sind Architekten, die sich tagtäglich für Qualitätssteigerungen einsetzen, die demokratische Planungsverfahren tragen und unterstützen, die unterschiedlichste Interessenslagen zusammenbringen und daraus Stadt machen. Ich finde es außerordentlich bedenklich, wenn Sie diese Bemühungen nicht nur nicht unterstützen, sondern sich als selbstimaginierter „Robin Hood“ über diese Planungskultur erheben und meinen, „durchregieren“ zu müssen.

Ich möchte Sie in Sachen Postscheckamt bitten, das ursprüngliche Leitbild einer durchmischten und sozial verträglichen und vielfältigen Stadt nicht aufzugeben. Ich möchte Sie ermahnen, die gesamte Planungsbemühungen einer Vielzahl von Beteiligten nicht einfach zu ignorieren und möchte auch als Bürger und grüner Stammwähler an Sie appellieren, sich an die Gepflogenheiten demokratischer Planungskultur zu halten.

Ansonsten stehe ich jederzeit gerne zum konstruktiven Austausch zur Verfügung.

Matthias Sauerbruch

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