zum Hauptinhalt
So soll das vor allem aus Holz gebaute „Walden48“ einmal aussehen.

© Visualisierung: Render-Manufaktur

Neubauprojekt „Walden48“: In der Landsberger Allee entsteht ein Holz-Wohnhaus

Dreifachverglasung, modernes Belüftungssystem und Blick aufs Grüne: Das neue Gebäude in Friedrichshain ist Beispiel für modernen Holzbau.

Die Bäume wachsen nicht in den Himmel – diese Erkenntnis gewinnen in diesen Tagen auch amtierende Fußballweltmeister. Wer hingegen aus Bäumen Häuser baut, dem sind offenbar immer weniger Grenzen gesetzt. Sorgte vor zehn Jahren das aus Holz gebaute Gebäude Esmarchstraße 3 („E3“) in Prenzlauer Berg mit sieben Geschossen noch als „höchstes Holzhaus Europas“ für Schlagzeilen, gilt aktuell das gleich hohe Projekt „Walden48“ in Friedrichshain zumindest unter Fachleuten fast als normal. Es findet offenbar ein Umdenken bei Architekten, Bauherren und Behörden statt. So strebt beispielsweise in Wien ein 84 Meter hoher Komplex aus dem Naturbaustoff der Vollendung entgegen, und auf Bildschirmen von Architekten weltweit sind bereits Gebäude entstanden, die sich nahezu 300 Meter hoch türmen.

Derart schwindelnde Höhen kamen für die Baugemeinschaft „Walden48“ nicht infrage, schon aus Kostengründen. Doch Holz als Baumaterial, mit seinen Vorteilen für Bewohner und Umwelt, durfte es schon sein. Zudem musste sich die Baugruppe mit einem, nun ja, interessanten Grundstück anfreunden: mit der stark befahrenen Landsberger Allee auf der einen Seite und dem Georgen-Parochial-Friedhof auf der anderen. Mit der Bezeichnung „Walden“ will die Baugemeinschaft einen Bezug zum gleichnamigen Buch des Schriftstellers Henry Thoreau knüpfen, in dem der sein Leben in einer Blockhütte beschreibt, die er sich 1845 in den Wäldern von Massachusetts an einem Teich namens Walden baute, um dort für länger der industrialisierten Gesellschaft den Rücken zu kehren. Gleichwohl: Mit der auch hierzulande noch weitverbreiteten Astloch-Romantik hat der moderne Holzbau wenig gemein.

Erstaunlich viel Schall bleibt auf der Straße zurück

Die Wohnlage Landsberger Allee 48 möchte nach dem ersten Eindruck niemand seinem ärgsten Feind wünschen. Wer nur wenige Minuten Straßen- und Schienenverkehr ertragen hat, ist geneigt, schleunigst wieder abzudrehen. Doch wer einmal durch die Pforte des Georgen-Parochial-Friedhofs tritt und nur wenige Schritte geht, korrigiert sein Urteil. Hinter der gar nicht so hohen Friedhofsmauer bleibt erstaunlich viel Schall auf der Straße zurück. Der Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Scharabi/Raupach Architekten soll für „Walden48“ ein Übriges bewirken: Das Wohnhaus mit 43 Einheiten (zwischen 46 und 145 Quadratmeter), bei dem auch die tragenden Wände aus Holz sind, wird eine „hochschallgedämmte Straßenfassade mit einer schützenden Haut aus Schieferplatten“ erhalten, wie die Verantwortlichen mitteilen. Eine Dreifachverglasung und ein modernes Belüftungssystem kommen hinzu.

Die hofseitig angeordneten Wohnräume mit Blick auf das dichte Grün des Friedhofs sollten also genau wie der kleine Garten besonders gut gegen den Lärm geschützt sein. Übrigens: Befürchtungen, Gartennutzer könnten demnächst auf ehemaligen Gräbern ihre Sonnenliegen aufstellen oder gar Radieschen ernten, sind unbegründet. Auf den jetzt zu bebauenden 2150 Quadratmetern wurde nie ein Mensch bestattet. Die Fläche der einstigen Friedhofsgärtnerei diente zuletzt als verwilderter Parkplatz.

Dass ausgerechnet ein Parkplatz bebaut wurde, passt ins Bild: Abstellplätze für Autos sind nicht vorgesehen. Stattdessen leistet sich die Baugruppe eine Fahrrad-Tiefgarage mit Rampe. Um Begehrlichkeiten möglicher anderer Bauwilliger vorzubeugen, sagt Jürgen Quandt, Pfarrer und Geschäftsführer des Evangelischen Friedhofsverbandes Berlin Stadtmitte: „Es gibt keine Pläne, weitere Häuser auf dem Friedhofsareal zu errichten.“ Für die Vergabe des Grundstücks habe es im Übrigen ein Konzeptverfahren gegeben. Unter verschiedenen Bewerbern sei „Walden“ ausgewählt worden. Zwar sei auch die Kirche zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet, doch es „muss ja nicht immer zum Höchstpreis verkauft werden“, sagt Quandt.

Holz ist tragfähiger als Stahl

Nun gibt es einige Fragen, die Laien oder potenzielle Bauherren beim Gedanken an ein vielgeschossiges Holzhaus stellen, dessen tragende Wände allein aus Massivholz bestehen: Wie wird der Brandschutz gewährt? Wie verkraftet der Baustoff etwa massive Wasserleitungsschäden? Wie reagiert Holz auf das Klima des Standorts? Muss das Holz nicht gepflegt werden, um es vor Schädlingen zu schützen? Und wer immer heftigere Wetterkapriolen einschließlich Tornados hierzulande beobachtet und gleichzeitig Bilder von völlig zerlegten Holzkonstruktionen hurrikangeplagter Landstriche vor Augen hat, entwickelt eine absonderliche, aber verständliche Sehnsucht nach Stahlbeton.

Für Architektin Susanne Scharabi sind Holzwerkstoffe hingegen „extrem leistungsstark“ – ein Vorteil gerade beim Hochbau. „Die Tragwirkung von Holz entspricht in Faserrichtung derjenigen von Beton und ist damit deutlich höher als die von Stahl“, sagt sie.

Die Kosten bleiben im Rahmen

Die Sache mit dem Brandschutz hingegen war knifflig. Und langwierig. Es habe sehr vieler Nachweise und Prüfungen bedurft, bis die beteiligten Behörden überzeugt waren, sagt Scharani. Es musste gar ein objektbezogenes Brandschutzkonzept her. Dass während der Planungsphase die Berliner Bauordnung gelockert wurde, nutzte diesen Bauherren dann nichts mehr. Auch Brandschutzexperten der Feuerwehr halten den Rohstoff aus dem Wald „für mindestens so gut wie Stahl“. Holz sei zwar schneller entzündlich, lasse sich aber besser berechnen. Verkohlte Balken könnten selbst dann noch tragen, wenn Stahl schon längst schmelze.

„Übrigens: Ein einmaliger Wassereinbruch ist nicht so schädlich für Holz wie stehendes Wasser oder anhaltende Feuchtigkeit innerhalb von Bauteilen“, sagt Scharabi. Es gelte daher beim Holzbau, insbesondere auf den „konstruktiven Holzschutz“ zu achten, also alles Wasser möglichst gut vom Holz wegzuführen und dafür Sorge zu tragen, dass kein Kondensat entstehen könne. Und doch: Eigentümer fürchten neben Feuer kaum etwas mehr als „Hausschwamm“ im Gebälk. Bei ihren und den Projekten anderer seriöser Büros werde nur gut getrocknetes Holz verbaut — ohne irgendwelche Schutzmittel, und ein „Schädlingsbefall im modernen Holzbau ist mir nicht bekannt“, versichert die Architektin.

Dass sich die Kosten bei Holzbauweise im Rahmen bewegen, hat offenbar auch die Mitglieder der Baugemeinschaft überzeugt. „Gewiss, ein Holzbau ist etwa fünf Prozent teurer. Doch wenn man dagegen die erheblich schnellere reine Bauzeit sieht und aufgrund der Bauweise eine höhere Quadratmeterzahl bei gleicher Grundfläche erreicht, rechnet es sich sehr gut“, sagt Susanne Scharabi.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false