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Mieten oder Kaufen? "In Wahrheit ist Kaufen gegenüber dem Mieten nicht so viel günstiger", warnt Reiner Braun vom Forschungsinstitut Empirica.

© imago/Schöning

Eigentumswohnungen: Kaufen rechnet sich

Lange Laufzeit und hohe Tilgung: Trotz gestiegener Preise bescheinigt eine Studie Wohnungskäufern in Berlin „positive Chancen“.

Um durchschnittlich 34 Prozent, so sagen es die Daten des Analysehauses Bulwiengesa, sind die Preise von Berliner Eigentumswohnungen seit dem Jahr 2010 gestiegen. Allein 2014 verteuerten sich nach Angaben des Immobilienberatungsunternehmens Jones Lang LaSalle Wohnungen in Friedrichshain-Kreuzberg um 13,9 Prozent und in Neukölln um 16,2 Prozent. Viele Kaufinteressenten, die die Zeitungen und Internet-Immobilienbörsen nach passenden Angeboten durchforsten, fragen sich, ob sich der Kauf einer Eigentumswohnung überhaupt noch lohnt – oder ob die Preise nicht schon zu stark gestiegen sind.

Eine klare Antwort gibt jetzt eine Kurzstudie von Bulwiengesa: „Zusammenfassend“, heißt es in der Untersuchung mit dem Titel „Berliner Eigentumswohnungen als Investmentchance“, „überwiegen derzeit sehr deutlich die positiven Chancen bei Kauf einer nachgefragten Wohnung an einem Standort mit steigender Bevölkerungs- und Haushaltszahl.“

Die positive demografische Entwicklung Berlins ist nicht das einzige Argument, das die Experten anführen. Für den Kauf von Wohnimmobilien sprechen in ihren Augen auch das geringe Neubauvolumen, das mit der Zunahme der Haushaltszahl bei weitem nicht Schritt hält, und das niedrige Zinsniveau. Die günstigen Finanzierungsbedingungen führten dazu, dass der Immobilienkauf für breite Einkommensschichten „weiterhin erschwinglich“ sei, bilanzieren die Autoren.

Ein anderes Ergebnis wäre allerdings auch eine Überraschung – denn erarbeitet wurde die Studie im Auftrag des Unternehmens Part-B Immobilien, das auf den Verkauf von Eigentumswohnungen an Eigennutzer und Kapitalanleger spezialisiert ist. Allein im vergangenen Jahr veräußerte das zur Skjerven Group gehörende Unternehmen knapp 400 Eigentumswohnungen.

Billigzinsen können Privathaushalte gefährden

Doch nicht alle Fachleute bewerten die mit dem Kauf einer Wohnung verbundenen Chancen so positiv wie die Vertreter von Bulwiengesa. „Langfristig gefährden die Billigzinsen all diejenigen Privathaushalte, die sich die Baukredite nur wegen der niedrigen Zinsen leisten können“, hält Reiner Braun vom Forschungsinstitut Empirica fest. „In Wahrheit ist Kaufen gegenüber dem Mieten nicht so viel günstiger, wie es derzeit suggeriert wird. Zumindest dann nicht, wenn man eine ausreichend hohe Tilgung vereinbart.“ Braun befürchtet deshalb schlimme Folgen: „Durch die Billigzinspolitik der Europäischen Zentralbank droht die Zahl der überschuldeten Privathaushalte langfristig anzusteigen.“

Diese Gefahr sieht Part-B-Geschäftsführer Jürgen Kriegisch nicht, da die deutschen Banken die Kreditnehmer nach wie vor sorgfältig prüften und in der Regel einen nennenswerten Eigenkapitalanteil verlangten. Bestätigt fühlen kann sich Kriegisch durch eine im März veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln: Eine Kreditblase sei nicht zu befürchten, sagt Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanz- und Immobilienmärkte im IW Köln. Denn die in Deutschland vergebenen Immobilienkredite seien seit 2010 nur um neun Prozent gestiegen, während sie sich im Vorfeld der Immobilienkrise vor einigen Jahren in Spanien und Irland nahezu verdreifacht hätten.

Mehr noch: Nach Voigtländers Untersuchungen ist es angesichts des niedrigen Zinsniveaus in fast allen deutschen Städten und Landkreisen – und damit auch in Berlin – günstiger, eine Wohnung zu kaufen als zu mieten. Selbst ein Ende der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank würde daran nicht viel ändern: Sofern sich die Kreditzinsen um einen Prozentpunkt verteuern würden, lägen die Kosten für Eigentümer trotzdem nur in 35 Kreisen und kreisfreien Städten über den Mietkosten.

Käufer sollten die Tilgung sehr hoch anzusetzen

In einem Punkt sind sich die Experten allerdings einig: Angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus sollten Käufer eine möglichst lange Laufzeit des Darlehensvertrags vereinbaren, mindestens 15 bis 20 Jahre. „Nach zehn Jahren hat man ja ein Sonderkündigungsrecht“, erläutert Kriegisch. Außerdem empfiehlt er, „die Tilgung sehr hoch anzusetzen“ – bei mindestens drei bis vier Prozent der Darlehenssumme. Was Käufern droht, die dieser Empfehlung nicht folgen, verdeutlicht eine Beispielrechnung von Bulwiengesa: Wer heute in Berlin eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit 60 Quadratmetern kauft, bezahlt dafür durchschnittlich (inklusive Erwerbsnebenkosten) 163 000 Euro.

Bei einem Eigenkapitalanteil von 30 Prozent ergibt sich eine Darlehenssumme von 114 000 Euro. Wer jetzt für zehn Jahre einen Kreditvertrag mit einem Zinssatz von 1,75 Prozent und einer einprozentigen Tilgung abschließt, kann sich zwar über niedrige Finanzierungskosten von 262 Euro monatlich freuen. Nach zehn Jahren kommt aber das böse Erwachen: Dann beträgt die Darlehenssumme immer noch fast 102 000 Euro – bei vermutlich deutlich höheren Zinsen.

Hinzu kommt, dass Kapitalanleger nicht mehr damit rechnen können, ihre Rendite durch deutliche Mietsteigerungen bei einem Mieterwechsel in die Höhe zu treiben. Das verhindert die Mietpreisbremse, die in Berlin Anfang Juni in Kraft treten wird. Daher, betont Einar Skjerven, Chef der Skjerven Group, sei klar, dass „ein Businessplan, der auf Mietpreissteigerung basiert, nicht mehr funktionieren wird“. Bulwiengesa rechnet damit, dass die Mieten bis 2018 nur noch um sechs Prozent steigen werden. Bei den Kaufpreisen erwarten die Experten im selben Zeitraum eine Zunahme um rund elf Prozent. Skjervens Fazit: „Die Investmentchancen für Berlin bleiben groß – aber nicht mehr so groß wie früher.“

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