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Stöbern und plaudern. In Wohnungsgenossenschaften wird Solidarität gelebt. Eigene Bibliotheken und regelmäßige Treffs gehören zu den Angeboten ebenso wie Einkaufshilfen oder ein Conciergeservice.

© Waltraud Grubitzsch/dpa/picture-alliance

Wohnen in der Genossenschaften: Hier trifft man sich gern

Das genossenschaftliche Wohnen bietet Senioren viele Vorteile – aber Interessenten müssen erst Mitglied werden.

Bernd Wegner kommt ins Haus. Er hat gerade im Garten Erdbeeren gepflückt. „Wir waren über das Wochenende verreist, da ist die Ernte heute etwas üppiger ausgefallen“, freut sich der Mittsechziger, der sich vor Jahren gemeinsam mit seiner Frau ein schönes Haus in Treptow gekauft hat. Vor allem der Garten sei ein Quell der Freude. „Wenn man Zeit hat, wie wir jetzt, kann man das auch richtig genießen“, sagt Wegner.

Aber ob das Ehepaar für immer hier wohnen kann, sei eine Frage, der sie sich stellen müssten. „Wir haben keine Erben, insofern ist Eigentum für uns im Alter sinnlos“, sagt Wegner. „Wir haben zwar sicherlich noch gut sieben oder acht Jahre Zeit, um uns zu entscheiden, aber wir machen uns jetzt schon Gedanken.“ Schön möchten sie wohnen, nicht abgeschieden und gerne in einer netten Gemeinschaft. Am liebsten so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden, wo man sich Hilfe dazubuchen kann, wenn man sie braucht. „Vielleicht in einer Genossenschaft“, so Wegner.

In Wohnungs- und Wohnbaugenossenschaften ist der Solidaritätsgedanke stark verankert. Er leitet sich von den Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstbestimmung und Selbstverwaltung ab. Gemeinschaftsräume für Feste und Veranstaltungen gehören ebenso zu den Angeboten wie eigene Bibliotheken, regelmäßige Treffs, Kurse und andere Freizeitangebote für Jung und Alt. Auch ist man in der Genossenschaft nicht einfach nur Mieter, sondern über eingezahlte Einlage Miteigentümer. Das macht diese Mischform für viele attraktiv, zumal Genossenschaften das Ziel verfolgen, preisgünstigen und lebenslangen Wohnraum für ihre Mitglieder bereitzustellen.

Schlüssel für die Enkel beim Concierge

Manche Genossenschaften haben Seniorenhäuser, so wie die „Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892“. „Sie hat zwei Seniorenwohnanlagen. Im Westend die ‚Ulme’ mit 97 Wohnungen und in Neukölln im Ortolanweg 170 Wohnungen“, sagt Sprecherin Monika Neugebauer. „In der ‚Ulme’ unterstützen die Johanniter als Partner vor Ort mit verschiedenen Angeboten. Im Ortolanweg gibt es ein patentes Hausmeisterehepaar, welches dort auch wohnt.“

In den Siedlungen in Spandau, Charlottenburg, Wedding und Tempelhof gibt es jeweils einen Conciergeservice, der von allen Bewohnern in Anspruch genommen werden kann. „Hier können Pakete angenommen oder mal ein Schlüssel für die Enkel hinterlegt werden“, so Neugebauer. Aber auch Theaterkarten oder eine Einkaufshilfe können organisiert werden. Der Service werde sehr gut angenommen. Zusätzlich betreibt die „1892“ zwei Demenz-WGs, eine weitere sei gerade in Arbeit.

Während die „1892“ eine neue Mitgliedschaft an eine erfolgreiche Wohnungsvermittlung knüpft, kann man in anderen Genossenschaften auch Mitglied werden, ohne in einem der Häuser zu wohnen. So etwa in der Hohenschönhausener Wohnungsbaugenossenschaft „Neues Berlin“. „Bei uns sollte man so früh wie möglich Mitglied werden“, rät Mieterberater Mario Zachow. „Je länger man dabei ist, desto höher sind die Chancen, dass man eine Wohnung bekommt, für die man sich interessiert. Man kann sich jedoch für maximal zwei vormerken lassen.“ Aktuell gehe der Leerstand aber gegen Null.

Barrierearm für Jung und Alt

Zwar gäbe es bei „Neues Berlin“ keine expliziten Seniorenwohnungen, aber die Genossenschaft unterstützt ihre Mitglieder, so lange wie möglich zu Hause wohnen zu können. „Sehr viele unserer Mieter im Bestand sind Mieter der ersten Stunde“, erzählt Mario Zachow. „Wenn sich die Wohnbedürfnisse altersbedingt wandeln, stehen wir beratend zur Seite. Bei Umbauten im Bad, bei der Verbreiterung von Türen oder bei der Entfernung von Schwellen teilen wir uns die Kosten.“ Bei Neubauprojekten werde von Anfang an barrierearm gebaut.

Barrierearm war den Gründern von „Möckernkiez“ nicht genug. Die aus einer Bürgerbewegung hervorgegangene Genossenschaft verfolgt das Ziel eines barrierefreien urbanen Quartiers für Jung und Alt. So sind unter den 464 geplanten Wohnungen auch sechs Studio-WGs, die je vier Apartments mit Pantryküche und kleinem Bad bieten. Um eine größere Gemeinschaftsfläche mit Küche angeordnet, bieten diese WGs Privatsphäre und gleichzeitig Kontakt zu den Mitbewohnern. „Hier können junge Menschen mit Behinderung genauso einziehen wie Ältere“, sagt Frank Nitzsche, Vorstandsmitglied der Möckernkiez eG. „Wir denken aber auch in Richtung Demenz-WG.“

Das Quartier soll ein Vorbild werden, wie man Stadt neu denken kann: generationenübergreifend, energetisch und ökologisch auf höchstem Niveau und sozial. „Zwar haben sich für alle Gebäude schon Hausgruppen gebildet, aber wir haben noch freie Wohnungen“, so Nitzsche. Vielleicht wäre das eine Idee für Bernd Wegner und seine Frau.

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