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Immobilienverkäufer nutzen oft die „Zwangslage“ von Interessenten aus. Deshalb soll ein neues Gesetz neue Realitäten schaffen. Wird ein Makler einvernehmlich von beiden Vertragsseiten beauftragt, werden die Kosten geteilt. So weit die Theorie. Bei den Preisverhandlungen sollten Verkäufer sich nicht unter Zeitdruck setzen. Merken Käufer, dass es schnell gehen muss, können sie daraus möglicherweise einen Vorteil schlagen.

© dpa-tmn/Christin Klose

Neues Maklerrecht: Gute Zeiten für Doppelagenten

Immobilienkäufer sollen bei den Maklerkosten durch ein neues Gesetz entlastet werden. Die Wirklichkeit könnte anders aussehen

Der Berliner Makler Jörg Groh ist seit mehr als vierzig Jahren am Markt. Bereits seine Eltern vermíttelten im damaligen West-Berlin Wohnungen. Aber selten hat Groh so etwas zugesetzt wie das neue Maklergesetz, dem am Freitag vergangener Woche nun auch der Bundesrat gebilligt hat. „Ständig neue Provisionsregelungen! Was kommt als nächstes?“, fragt sich Groh: „Wo ist die freie Marktwirtschaft geblieben?“

Bisher übernimmt meist der Käufer komplett die Maklerprovision von bis zu gut sieben Prozent des Kaufpreises. In Städten wie Berlin, wo die Preise hoch sind, tut das bisher besonders weh. Wer eine Immobilie kauft, muss aber künftig nur noch maximal die Hälfte der Maklerkosten übernehmen. So will es das neue Gesetz. In Zukunft muss der Käufer seinen Anteil erst dann überweisen, wenn der Verkäufer seine Zahlung nachgewiesen hat. „Damit ist es künftig nicht mehr möglich, dass Verkäufer die volle Provision auf den Käufer abwälzen“, hieß es im Beschluss des Bundesrats. Das Gesetz trat kurz vor Weihnachten 2020 in Kraft.

Groh glaubt, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. „Dass der Eigentümer, also Verkäufer, die Provision die er anteilig zahlen soll, dem Kaufpreis hinzufügt, ist doch wohl Fakt.“ Auch der Bauherren-Schutzbund fürchtet, dass Verkäufer die Kosten für den Makler auf den Preis aufschlagen. Solche Mitnahmeeffekte habe es in Ballungsräumen schon beim Baukindergeld gegeben, kritisierte Geschäftsführer Florian Becker bereits im Mai. Aus diesem Grund profitierten Käufer auch nicht von mehr Transparenz beim Vertragsabschluss, wie von Seiten der Bundesregierung erhofft. Denn es sei nie klar, ob die Maklerprovision im Vorfeld auf die Kaufsumme aufgeschlagen wurde, so Verbraucherschützer Becker. Die Teilung der Maklerkosten sei nur ein erster Schritt bei der Entlastung von Immobilienkäufern. Er schlug Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer vor, die seit 2006 von den Bundesländern festgelegt wird. Seit 2010 hätten sich die Einnahmen aus dieser Steuer verdreifacht. Je nach Region würden bis zu 6,5 Prozent der Kaufsumme als Grunderwerbsteuer fällig. „Die Länder haben durch die stetige Erhöhung der Grunderwerbsteuer deutlich vom Immobilienboom profitiert“, argumentierte Becker.

Berliner Immobilienkäufer profitieren vom neuen Gesetz

Vom neuen Gesetz profitieren vor allem Immobilienkäufer in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Hessen. Dort tragen bisher die Käufer allein die Maklerkosten. Auch in anderen angespannten Wohnungsmärkten können Verkäufer aber mitunter die Maklercourtage auf den Käufer abwälzen.

Die Teilung der Maklerkosten ist eine Entlastung für Immobilienkäufer vor allem in Städten, wo die Preise für Häuser und Wohnungen nach oben geschossen sind. Da sich die Maklercourtage am Kaufpreis bemisst, können bei Objekten im Wert von Hunderttausenden Euro schnell Zehntausende Euro an Maklerkosten fällig werden. Deshalb müsse differenziert werden, fordert Makler Groh. „Vor allen Dingen müsste man wenigstens bei wohlhabenden Menschen Unterschiede machen. Wenn sich jemand eine Villa zwischen zwei Millionen Euro und sieben Millionen Euro leisten kann, geht er nicht zugrunde, wenn er dem Makler allein das Honorar zahlt. Außerdem kann man die Ersparnis des Verkäufers auch vielleicht noch mit dem Kaufpreis verrechnen.“

Die Courtage unterscheidet sich je nach Bundesland. Zwar ist die Provisionhöhe beim Immobilienverkauf in Deutschland aktuell noch frei vereinbar, und es gibt keine gesetzlichen Vorgaben. Es hat sich aber im Laufe der Jahrzehnte durchgesetzt, dass ein Immobilienmakler als Provision bis zu 7,14 Prozent des Kaufpreises erhält.

Der Immobilienverband IVD, der unter anderem Makler vertritt, begrüßt das Gesetz. Damit werde das „Leitbild des Immobilienmaklers, der als Mittler zwischen Verkäufer und Käufer fungiert, untermauert.“ Zudem werde dem Bestellerprinzip, das „eine zwingende einseitige Interessenvertretung zu Folge gehabt hätte“, eine Absage erteilt.

„Wenn wir die Arbeit der angeblich verschiedenen Makler-Typen anschauen, so ist aus meiner Sicht kein Unterschied erkennbar: Alle bieten eine kostenlose Erstberatung und Bewertung des Objekts vor Ort", sagt Achim Amann, Geschäftsführer von Black Label Immobilien: "Sind alle Unterlagen vorhanden, beginnt der typische Ablauf: Fotografen beauftragen, ein Exposé erstellen, Video-Rundgänge produzieren, Online- und Offline-Werbung schalten. Danach folgen Besichtigungen, Bonitätsprüfung und die Vorbereitung des Kaufvertrags. Zum Schluss kommt es schließlich zum Notartermin und zur Übergabe.“ Amann ärgert sich über sich die sogenannten Hybrid-Makler, die mit Digitalisierungs-„Tools“, unterwegs sind. Diese versprechen den Kunden eine schnelle Abwicklung, hohe Verkaufspreise und einen Ansprechpartner zu fast jeder Uhrzeit. „Das klingt zu gut um wahr zu sein – und ist es auch“, sagt Amann. Hybridmakler suggerierten eine bessere Abwicklung durch die Software. Bei den meisten Unternehmen dieser Art fehle aber der persönliche Ansprechpartner.

Der Anteil des Käufers darf nicht den des Verkäufers übersteigen

IVD-Justitiar Christian Osthus spricht von drei Möglichkeiten, wenn sich ein Verkäufer einen Makler ins Boot holt: Der Makler dürfe künftig auch für den Käufer tätig werden. Dann werde eben, wie vom Gesetz vorgesehen, hälftig geteilt. Es sei zweitens auch möglich, dass der Verkäufer allein den Makler beauftrage und sich mit dem Käufer über die Aufteilung der Provision verständige. In diesem Falle dürfe aber nicht der Käufer eine Beauftragung ausgesprochen haben. Und: Der vom Käufer zu zahlende Anteil dürfe nicht den Anteil des Verkäufers übersteigen - ersterer muss bei diesem Modell also unter fünfzig Prozent liegen. Die dritte Variante: Der Verkäufer übernimmt die Provision komplett - zum Beispiel, weil er gerne „seinen Makler“ zur Vertretung seiner Interessen einsetzen möchte. In diesem Falle kann es sein, dass der Käufer es mit einem einseitigen Interessenvertreter zu tun bekommt. „Die bisher in Berlin und Brandenburg übliche Praxis, dass der Verkäufer den Makler ins Boot holt und der Käufer die Provision alleine zahlt, wird es nicht mehr geben“, sagt Jurist Christian Osthus. Neu ist auch, dass für Maklerverträge über Häuser und Wohnungen künftig die Textform vorgeschrieben ist, um Unklarheiten zu vermeiden. „Ziel des Gesetzes ist es, Immobilienkäufer vor einer Zwangslage zu schützen“, hieß es. Außerdem soll die Absenkung der Erwerbsnebenkosten die Bildung von Wohneigentum erleichtern.“

Die in den allermeisten Fällen zu vollziehende Kostenteilung zwischen Käufer und Verkäufer soll so ablaufen: Zunächst muss der Verkäufer nachweisen, dass er dem Makler seinen Anteil überwiesen hat. Dann ist der Käufer dran. Der Nachweis kann auch vom Makler erbracht werden. Das hat der Bundestag in letzter Minute entschieden. Zudem ist der Nachweis nur bei Variante 2 erforderlich, also der Verkäufer den Makler beauftragt, der Käufer aber einen Teil der Provision übernehmen soll. Sind damit Betrügereien nicht Tür und Tor geöffnet? Schließlich könnte der Makler dem Verkäufer ja auch Geld rücküberweisen.

Christian Osthus vom IVD glaubt das nicht: „Wer unter der Hand das Geld zurück zahlt, verstößt gegen die neuen Vorschriften und verliert seinen Provisionsanspruch gegen den Käufer.“ Osthus glaubt an ein versöhnliches Miteinander. Alles andere wäre strafrechtlich relevant. Betrug sei kein Geschäftsmodell. Die Makler unterliegen der Finanzaufsicht.

Die Maklerbranche hofft, dass sich Kompetenz und Sachverstand durchsetzen. Von einer Staffelung der Provisionen nach Vermögen oder Einkommen hält der IVD - anders als die AFD - nichts: „Wo wäre da die Grenze zu ziehen, wo fängt Gerechtigkeit an und wo hört sie auf?“, fragt sich nicht nur Christian Osthus.

Die Gerechtigkeitsfrage ist bei jedem Objekt neu zu stellen

Auch Makler Groh treibt die Gerechtigkeitsfrage um. „Wenn eine Familie finanziell schlecht gestellt ist, sollte man dafür Verständnis haben, dass für diese Menschen die Vermittlung einer entsprechend preiswerten Wohnung provisionsfrei ist“, findet er und kritisiert das sogenannte Bestellerprinzip bei der Vermittlung von Mietwohnungen: „Wenn ein Zweipersonenhaushalt eine Wohnung, mit einem Mietzins in Höhe von monatlich 3000 Euro Nettokaltmiete anmietet: Weshalb darf man denjenigen keine Provision in Rechnung stellen? Es gibt Leute die Zahlen 5000 Nettokaltmiete monatlich.“ Sollte man nicht lieber ohnehin von Privat kaufen, statt einen Makler einzusetzen - vielleicht sogar auf digitale Portale zurückgreifen, die mehr und mehr ins Netz gestellt werden? Der IVD glaubt nicht, dass so etwas Zukunft hat. „Ein Algorhithmus kann die Komplexität des Vermittlungsvorgangs nicht erfassen“, sagt IVD-Jurist Osthus. Wenn die Plattformen schon bei den Vermietungen nicht funktionierten, dann erst recht nicht beim Verkaufsprozess. Der Vermietungsmarkt sei durch das Bestellerprinzip intransparent geworden: „Viele Wohnungen gehen unter der Hand weg, ohne Makler.“ Wohnungssuchende, die aus einer anderen Stadt kommen und keine Kontakte haben, sind im Nachteil. Sie müssen zwar keine Provision zahlen, finden dafür aber auch schwerer eine Wohnung.

So eine Entwicklung befürchtet wohl auch das Immobilienportal Immowelt, wenn von der Pressestelle darauf hingewiesen wird, das es ein Vorurteil sei, dass Kaufimmobilien von Maklern teurer sind als von privaten Verkäufern. Eine Analyse von Immowelt habe gezeigt: „In neun von elf untersuchten deutschen Großstädten sind Wohnungen von gewerblichen Anbietern trotz Provision günstiger als direkt vom Eigentümer eingestellte Objekte.“ Der Grund dürfte freilich nachvollziehbar sein: Private Käufer, die ohne Makler unterwegs sind, testen erst einmal den Markt. So funktioniert eben Marktwirtschaft. Oder auch nicht. (mit dpa)

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